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E-Book

E-Book, Deutsch, 520 Seiten

Bochsler Nylon und Napalm

Die Geschäfte der Emser Werke und ihres Gründers Werner Oswald
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-03919-992-1
Verlag: Hier und Jetzt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Die Geschäfte der Emser Werke und ihres Gründers Werner Oswald

E-Book, Deutsch, 520 Seiten

ISBN: 978-3-03919-992-1
Verlag: Hier und Jetzt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Ems-Chemie, ein Kind der Kriegswirtschaft, wurde 1941 als «Holzverzuckerungs-AG» gegründet und produzierte Ersatztreibstoff. Nachdem sich die Benzinversorgung der Schweiz nach Kriegsende normalisiert hatte, musste sich die Firma neu erfinden.

Dank hartnäckiger Recherchen kann die Autorin zeigen, wie Firmengründer Werner Oswald mithilfe von Industriespionage und ehemaligen Nazis in Ems eine Kunstfaserproduktion aufbaute, eine Flab-Rakete, Minen und Zünder sowie eine Napalm-Variante entwickelte, die in mehreren Bürgerkriegen eingesetzt wurde.

«Nylon und Napalm » erzählt die packende Geschichte der Emser Werke und ihres Gründers, der mit viel Elan, wenig Skrupel und einem hochkarätigen Netzwerk das Fundament der späteren Ems-Chemie legte.

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Prolog: Tod eines Waffenhändlers
Es ist Freitag, der 28. Juni 1961, kurz vor elf Uhr nachts, als Walter Heck den Blinker seines Autos stellt und die Ausfahrt Karlsruhe West nimmt. Er kann es kaum erwarten, endlich die Füsse hochzulegen. Sein Hausarzt, der ihm dringend zur Schonung geraten hat, würde wohl die Stirn in vorwurfsvolle Falten legen. Nicht zu Unrecht. Eine Woche wie diese wünscht Heck nicht einmal seinem ärgsten Feind. Am Montag und Dienstag schlug sich Walter Heck mit säumigen Lieferanten und ungeduldigen Kunden herum und trauerte Fräulein Rössler nach, die vor zwei Monaten die Schreibmaschine zugedeckt und ihn im Stich gelassen hatte. Zwischendurch fuhr er nach Weingarten, einem trostlosen Industrievorort, wo seine Firma DIMEX in einer ehemaligen Farbenfabrik eingemietet ist. Sein neuer Vorarbeiter, ein lettischer Lastwagenfahrer, rapportierte von seiner ersten Dienstfahrt, und man konnte nur beten, dass seine Fahrkünste besser waren als sein Deutsch. Am Mittwochmorgen hängte er in aller Herrgottsfrüh ein Jackett in den Opel Kadett und bretterte auf der Autobahn Richtung Süden, um die Aufträge entgegenzunehmen, über die man am Telefon besser nicht spricht. In Zürich parkierte er vor der PATVAG, die zum Konzern der Emser Werke gehört und einen Napalm-ähnlichen Brandkampfstoff namens Opalm vertreibt, der in Ems entwickelt wurde. Er ging mit Erwin Widmer, dem Direktor, die neuen Bestellungen durch, und fuhr anschliessend nach Erlenbach, wo er im «Goldenen Kreuz» ein Zimmer bezog. Nach dem Abendessen telefonierte er mit seinem Freund, dem Luzerner Waffenhändler Paul Schaufelberger, wurde aber das ungute Gefühl nicht los, dass das Gespräch abgehört wurde. Am Donnerstagmorgen, als Walter Heck im Speisesaal vor einer Tasse Kaffee sass, wurde er ans Telefon gerufen. Es war seine Frau, und sie weinte. Letzte Nacht sei seine Mutter gestorben, er müsse schnellstens nach Hause kommen. Er sagte alle Besprechungen ab und raste nach Karlsruhe zurück. Im Büro, das sich im Dachstock über seiner Wohnung befand, erwartete ihn das nackte Chaos. Das Endlosband der Telex-Nachrichten hatte sich wie eine Schlange unter dem Gerät zusammengerollt, und auf dem Schreibtisch stapelten sich Briefe, Rechnungen und die Notizen seines Ältesten, der während Hecks Abwesenheit das Telefon gehütet hatte. Bis tief in die Nacht hinein beantwortete er Briefe und verschickte verklausulierte Offerten in die halbe Welt, einzig unterbrochen von den Kindern und seiner Frau, die im Dachstock vorbeischauten, um ihm eine gute Nacht zu wünschen. Als er auf den Telex der IMEPA aus Lissabon stiess, hielt er einen kurzen Moment die Luft an. «ENTSPRECHEND UNSER ANRUF KAUFEN WIR 1030 EINHEITEN FLAWE KOMPLETT MIT ZUSATZ LADUNG ZU PREIS FOB DEUTSCHLAND 2215 DM.» Die Portugiesen hatten nicht nur das Geschäft bestätigt. Sie hatten es eilig. Zwei Stunden später hatten sie einen zweiten Telex geschickt: «SOFORT ANRUF FABRIK UND NACHRICHT AN UNS TELEX BESTÄTIGUNG PREIS FÜR IMEPA LISSABON STOP MARKE APPARAT IST DIMEX STOP WIR RESERVIEREN FÜR SIE FÜNF PROZENT FOB WIR ERWARTEN ANTWORT HEUTE». Heck wurde fast schwindlig: 1030 Flammenwerfer samt Opalm-Napalm-Füllung für die portugiesische Armee. Und weitere 4970 Geräte, falls die Generäle zufrieden waren. Als er im Kopf die Zahlen überschlug, kam er auf einen Nettogewinn von sechs Millionen Franken. Es war das Bombengeschäft, auf das er seit Jahren gewartet hatte. Am Freitagvormittag fuhr er zum Flughafen Frankfurt, um den Waffenhändler Athanas Kefsisoff zu treffen, der das Portugal-Geschäft vermittelt hatte. Während er mit seinem Mitarbeiter Heinrich Gompf auf die Morgenmaschine aus Madrid wartete, überflog er die neuste Ausgabe des Spiegel. Die Titelgeschichte, «Ramsch für Angola», nahm den Amerikaner Samuel Cummings, den Besitzer der International Armament Corporation (INTERARMCO), ins Visier. Gemäss dem Nachrichtenmagazin war Cummings der «grösste Waffenhändler der Welt» und betrieb sein Geschäft «so solide, wie andere mit Seife oder Kaffee handeln». Die kolonialen Befreiungskriege seien eine Goldgrube für ihn. Seit die Befreiungsbewegung Angolas einen Guerillakrieg gegen die weissen Siedler führe, kaufe auch Portugal bei Cummings ein, und dieser habe trotz UNO-Waffenembargo mehrere seiner Leute beauftragt, ganz Westeuropa «nach Waffen für Angola abzufilzen». Woher ein Reporter erfahren hatte, dass auch «wendige Fabrikanten wie der Karlsruher Flammenwerfer-Hersteller Walter Heck» Unterhändler nach Portugal geschickt hatten, war Heck ein Rätsel. Der Spiegel wusste sogar über seinen Schweizer Geschäftspartner Bescheid, über den es hiess: «Auch der ehemalige Schweizer Abwehrchef, Oberst Paul Schaufelberger, Hotelier in Luzern, mischt gern bei der kommerziellen Verwertung alten Rüstungsmaterials mit und kennt die Kanäle, auf denen sich neue und gebrauchte Waffen legal aus der Schweiz herausschaffen lassen.» Walter Heck fand den Bericht eine «Unverschämtheit», denn in seiner Branche war Diskretion oberstes Gebot. Nächste Woche, so nahm er sich vor, würde er seinen Anwalt anrufen. Als über Lautsprecher angekündigt wurde, der Flug aus Madrid sei vier Stunden verspätet, arrangierte Heck auf die Schnelle ein Treffen mit einem Frankfurter Geschäftsmann. Dieser liess sich immer von seiner Ehefrau begleiten, denn er befürchtete, er könnte wie andere deutsche Waffenhändler samt seinem Mercedes in die Luft fliegen. «Entweder verbleibt sie im Wagen», würde er der Polizei erklären, «oder sie hält sich in unmittelbarer Nähe desselben auf und beobachtet diesen, und zwar aus reinen Sicherheitsgründen.» An diesem Nachmittag blieb die treu besorgte Gattin auf dem Parkplatz sitzen, während die Männer im Flughafenrestaurant um eine Ladung Flammenwerfer feilschten. Heck versprach, das Gerät am Sonntag, nach der Beerdigung seiner Mutter, in einer Kiesgrube am Stadtrand von Karlsruhe vorzuführen. Nach der Besprechung rief er aus einer stickigen Telefonkabine seine Frau an und bat sie, nicht auf ihn zu warten. Er werde wohl erst gegen Mitternacht heimkommen. Es war halb acht Uhr, als Athanas Kefsisoffs Maschine endlich landete. Er entpuppte sich als Mann mit feinen Manieren, der aus Deutschland weggezogen war, weil er um sein Leben fürchtete. Heck konnte ihm nachfühlen. Sein Kollege Georg Puchert, der den algerischen Front nationale de libération mit Waffen beliefert hatte, war einem Sprengstoffattentat in der Frankfurter Innenstadt zum Opfer gefallen, das sämtliche Glasscheiben im Umkreis von siebzig Metern zertrümmert hatte. Seither spannte Heck abends «stets ein langes Haar von einer Garagentür zur anderen, um sicher zu sein, dass niemand nachts die Garage öffnet». Bis er mit Kefsisoff die Details der ersten Lieferung geklärt hatte, war es draussen bereits dunkel. Als Walter Heck zu nachtschlafender Zeit den Blinker stellt und in die menschenleere Quartierstrasse einbiegt, ist er so müde, dass er ausnahmsweise vor seinem Wohnhaus parkiert. Er rappelt sich aus dem Sitz hoch und schliesst behutsam die Wagentüre, um die Nachbarn nicht zu stören. Dann fischt er seine Aktentasche vom Hintersitz. Kaum hat er sich wieder aufgerichtet, schnellt eine Gestalt aus dem Dunkeln, setzt ihm einen Pistolenlauf auf die Brust und feuert ab. Nach dem zweiten Schuss fällt Heck rücklings zu Boden. Er tastet nach einer Verletzung. Als er seine blutverschmierte Hand sieht, schreit er nach seiner Frau. Der elfjährige Heiner, dessen Zimmer auf die Strasse geht, stürzt als Erster aus dem Haus und heult laut auf, als er die Blutlache neben dem Vater sieht.1 Von seinem Schrei geweckt, werfen sich die Nachbarn hastig Strickjacken über die Schlafanzüge und kommen in Pantoffeln angerannt. Als sie wissen wollen, wer geschossen hat, stöhnt Heck: «Tragt mich rein, ich will im Bett sterben, ich spüre, es geht zu Ende, verzeiht mir alle, ich war im Grunde ein anständiger Mensch.» Kaum ist der Krankenwagen mit Blaulicht davongerast, sichert die Kriminalpolizei den Tatort. Ein Beamter findet eine Patronenhülse, ein anderer behändigt Hecks Aktentasche und Brieftasche, der dritte versiegelt das Büro. Inzwischen ist auch Hauptkommissar Fritz Rottenecker eingetroffen. Mehrere Anwohner haben im Verlauf des Abends zwei Unbekannte gesehen, die auf der Strasse herumlungerten. «Ich bekam es mit der Angst zu tun, da mich die beiden so komisch ansahen», gibt eine ältere Dame zu Protokoll, «ich habe deshalb schnell die Wagentüre abgeschlossen und mich in unser Haus begeben.» Eine genaue Beschreibung der Verdächtigen kann sie jedoch nicht geben. Auch Irmtraud Heck ist keine grosse Hilfe. Ihr Mann hat mit ihr nie über Geschäftliches gesprochen, sondern höchstens erklärt: «Sei froh, wenn ich dich immer verschone.» Trotzdem ist sie sicher, dass er nie «Drohbriefe oder gleichartige Telefonate» erhalten hat. Ihr Ältester ist besser informiert. Ihm hat der Vater anvertraut, «dass ihm von der ‹Roten Hand› gedroht worden...


Bochsler, Regula
Regula Bochsler ist Historikerin. Sie lebt in Zürich und arbeitete bis 2011 bei SRF, zuletzt als Redaktionsleiterin von «Kulturplatz». Heute ist sie freiberufliche Autorin und Ausstellungsmacherin. Das Buch wird herausgegeben vom Institut für Kulturforschung Graubünden.



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