E-Book, Deutsch, Band 14, 130 Seiten
Reihe: Fortschritte der Psychotherapie / Manuale für die Praxis
Bohus Borderline-Störung
2., vollständig überarbeitete Auflage 2019
ISBN: 978-3-8409-2853-6
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
E-Book, Deutsch, Band 14, 130 Seiten
Reihe: Fortschritte der Psychotherapie / Manuale für die Praxis
ISBN: 978-3-8409-2853-6
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist eine komplexe, schwerwiegende und oft chronisch verlaufende Störung, die für die Betroffenen selbst und deren soziales Umfeld häufig an die Grenzen der emotionalen Belastbarkeit führt. Mithilfe der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT) von Marsha Linehan können Borderline-Störungen evidenzbasiert behandelt werden. Die Neubearbeitung des Bandes liefert einen Leitfaden für die ambulante und stationäre Behandlung.
Der Band beschreibt zunächst die Störung, informiert über das diagnostische Vorgehen und erläutert die Entstehung von Borderline-Störungen. Anschließend werden die grundlegenden Behandlungsprinzipien der DBT aufgezeigt, die DBT-Behandlungsmodule vorgestellt und das Vorgehen in den verschiedenen Therapiestadien beschrieben. Dabei wird auch auf die Regeln der Beziehungsgestaltung eingegangen, das Vorgehen im Skills-Training erläutert und es werden wichtige therapeutische Strategien und Methoden aufgezeigt, wie z.B. Verhaltensanalysen, Validierung, Kontingenzmanagement, Umgang mit Suizidgedanken und Dissoziation. Abgerundet wird der Band mit Informationen zur Pharmakotherapie, zur Wirksamkeit der DBT und anderer evidenzbasierter Verfahren sowie mit einem ausführlichen Fallbeispiel.
Zielgruppe
Ärztliche und Psychologische Psychotherapeuten, Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Klinische Psychologen, Pflegekräfte, Psychologische Berater, (Sozial-)Pädagogen, Sozialarbeiter, Studierende und Lehrende in der psychotherapeutischen Aus-, Fort- und Weiterbildung.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
Weitere Infos & Material
1;Borderline-Störung;1
1.1;Inhaltsverzeichnis;7
1.2;Vorwort;9
1.3;1Beschreibung der Störung;11
1.3.1;1.1Geschichte des Störungsbegriffs;11
1.3.2;1.2Definition der Störung;12
1.3.2.1;1.2.1Diagnostische Kriterien nach DSM-5 und ICD-11;12
1.3.2.2;1.2.2Klinische Symptomatik;13
1.3.3;1.3Epidemiologie;20
1.3.4;1.4Borderline-Diagnose bei Jugendlichen;20
1.3.5;1.5Verlauf und Prognose;21
1.3.6;1.6Differenzialdiagnose und Komorbidität;22
1.4;2Störungsmodell;22
1.4.1;2.1Psychosoziale Komponenten;22
1.4.2;2.2Biopsychosoziales Entstehungsmodell;24
1.5;3Diagnostik und Indikation;26
1.6;4Behandlung der BPS mit Dialektisch Behavioraler Therapie (DBT);28
1.6.1;4.1DBT-Behandlungsmodule;28
1.6.2;4.2Grundlegende Prinzipien der DBT;29
1.6.3;4.3Therapeutische Grundannahmen;32
1.6.4;4.4Beziehungsgestaltung;33
1.6.5;4.5Behandlungsstadien;43
1.6.5.1;4.5.1Stadium der Orientierung;44
1.6.5.2;4.5.2 Phase der Vorbereitung in den Therapiestadien I bis III;46
1.6.5.3;4.5.3 Therapiestadium I: Krisenerzeugendes Verhalten – Aufbau von Verhaltenskontrolle bei schwerwiegenden Verhaltensproblemen;49
1.6.5.4;4.5.4Therapiestadium IIa: Schwerwiegende komorbide psychische Störungen;58
1.6.5.5;4.5.5 Therapiestadium IIb: Probleme mit emotionalem Erleben, negativem Selbstkonzept und sozialer Kooperation;64
1.6.5.6;4.5.6Therapiestadium III: Das Leben entfalten;67
1.6.6;4.6Therapeutische Strategien und Methoden;68
1.6.6.1;4.6.1Verhaltensanalysen;68
1.6.6.2;4.6.2Umgang mit drängenden Suizidgedanken;69
1.6.6.3;4.6.3Umgang mit therapiegefährdendem Verhalten;72
1.6.6.4;4.6.4Umgang mit Dissoziation;73
1.6.6.5;4.6.5Dialektische Strategien;74
1.6.6.6;4.6.6Validierung;74
1.6.6.7;4.6.7Kontingenzmanagement;76
1.6.7;4.7Fertigkeiten-Training (Skills-Training) in der Gruppe;76
1.6.7.1;4.7.1Rahmenbedingungen;76
1.6.7.2;4.7.2Überblick über den Aufbau der Sitzungen;79
1.6.7.3;4.7.3Achtsamkeit;80
1.6.7.4;4.7.4Stresstoleranz;83
1.6.7.5;4.7.5Umgang mit Gefühlen;84
1.6.7.6;4.7.6Zwischenmenschliche Fertigkeiten;85
1.6.7.7;4.7.7Selbstwert;86
1.6.8;4.8Konsultationsgruppe für Therapeuten;87
1.6.9;4.9 Nutzung von digitalen Medien und Telefonberatung;88
1.6.10;4.10Stationäre Behandlung nach DBT;89
1.6.10.1;4.10.1Stationäre Krisenintervention;91
1.6.10.2;4.10.2Elektive stationäre DBT;95
1.6.11;4.11Arbeit mit Partnern und Angehörigen;109
1.6.12;4.12DBT-Peer-Coaches;109
1.7;5Alternative und andere evidenzbasierte Behandlungen;110
1.7.1;5.1Datenlage;110
1.7.2;5.2Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT) nach Bateman und Fonagy;111
1.7.3;5.3Schematherapie für Borderline-Störung nach Young;112
1.8;6Pharmakotherapie;112
1.9;7Fallbeispiel;113
1.10;8Weiterführende Literatur;119
1.11;9Literatur;120
1.12;10Anhang;123
1.12.1;Therapieverlaufs-Wochenprotokoll;123
1.12.2;Verhaltensanalyse für Problemverhalten;124
1.12.3;Spannungskurve;126
1.12.4;Traumatische Invalidierung – Modell;127
1.12.5;Wochenprotokoll;128
1.13;Karten;129
1.13.1;Checkliste Behandlungsstadium 0;129
1.13.2;Interview zu schwerwiegenden Störungender Verhaltenskontrolle (SBDI);130
1.13.3;Checkliste DBT-Behandlungsplanung;132
1 Beschreibung der Störung
1.1 Geschichte des Störungsbegriffs
Der Begriff „Borderline“ wurde 1938 von Adolf Stern geprägt. Der Terminus „Borderline“ meinte damals eine unscharfe und fluktuierende „Grenzlinie“ zwischen Psychose und Neurose. Im Zeitraum zwischen 1920 und 1965 erschien eine Vielzahl von Arbeiten, welche die Borderline-Störung dem schizophrenen Formenkreis zuordnete. Mitte der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts veröffentlichte dann Kernberg (1967) seine klassische Arbeit „Borderline Personality Organization“. Die entwicklungspsychologisch- genetischen Vorstellungen Kernbergs basieren auf der Annahme, die Borderline-Organisation sei eine Art „Fixierung“ auf einer entwicklungspsychologisch frühen Phase. Das von Kernberg entwickelte Borderline-Konstrukt umfasst alle schwereren Formen der Persönlichkeitsstörungen (etwa 10 % der Bevölkerung) und betont drei Charakteristika: „Identitätsstörungen“, „primitive Abwehrprozesse“ wie Spaltung, Verleugnung, Projektion und projektive Identifizierung sowie „intakte Realitätstestung“ bei hoher Vulnerabilität gegenüber Veränderungen im sozialen Umfeld. Die Aufnahme der Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) in das Klassifikationssystem DSM-III basierte weitgehend auf einer viel zitierten Übersichtsarbeit aus dem Jahr 1975. Gunderson und Singer (1975) postulieren hier fünf Dimensionen, die das Störungsbild auf deskriptiver Ebene abbildeten: dysphorische Affekte, impulsive Handlungen, Probleme in zwischenmenschlichen Beziehungen, psychoseähnliche Kognitionen sowie Anpassungsstörungen im sozialen Bereich. Später kam noch das Kriterium der „instabilen Identität“ hinzu. Diese acht Kriterien bildeten schließlich als Gesamtheit den Kriterienkatalog des DSM-III. Die einzige Änderung im DSM-IV war schließlich die Einführung des neunten Kriteriums „Vorübergehende, stressabhängige paranoide Vorstellungen oder schwere dissoziative Symptome“. Das DSM-5 und schließlich auch die ICD-11 übernahmen weitgehend die Kriterien des DSM-IV. Therapeutisch galt die Borderline-Störung bis in die 1980er Jahre als kaum behandelbar. Die vorwiegend psychodynamischen Ansätze postulierten in der Regel hochfrequente jahrelange Behandlungen ohne nachweisliche Wirksamkeit.
Dieser therapeutische Nihilismus änderte sich erst 1991, als Marsha Linehan (Linehan et al., 1991) mit der Dialektisch Behavioralen Therapie (DBT) erstmals einen wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweis erbrachte. Basierend auf eigenen persönlichen Erfahrungen postulierte sie eine tiefgreifende Störung der Emotionsregulation als das zentrale Problem der BPS. Die DBT zielte daher auch vornehmlich auf die Verbesserung der Fertigkeiten im Bereich der Stresstoleranz und Emotionsregulation. Dieser bahnbrechende Ansatz einer phänomenologisch orientierten Psychopathologie und Therapie bereitete auch die Basis für die nun einsetzende neurobiologische Forschung, die erheblich dazu beitrug, die BPS zu entmystifizieren. In den letzten Jahren wurden mehrere störungsspezifische psychotherapeutische Ansätze aus verschiedenen Schulen entwickelt und evaluiert, so dass heute die Behandlung der BPS ihren angemessenen Platz in der psychiatrischen Versorgung und Therapieausbildung gefunden hat.
1.2 Definition der Störung
1.2.1 Diagnostische Kriterien nach DSM-5 und ICD-11
Die ICD-11 unterzog die Diagnostik der Persönlichkeitsstörungen einer grundlegenden Revision im Sinne eines dimensionalen Modells. Als einzige kategoriale Störung blieb die Borderline-Störung jedoch erhalten und die neun Kriterien des DSM-5 wurden übernommen. Im Folgenden berücksichtigen wir hier die Diagnosekriterien des DSM-5 (APA/Falkai et al., 2018). Die Diagnostik der Persönlichkeitsstörungen erfolgt auf zwei Ebenen: Zunächst muss geprüft werden, ob die allgemeinen Kriterien vollständig erfüllt sind (vgl. Kasten).