Bonacker / Carl / Mehdizadeh | Die Frankfurterinnen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 200 Seiten

Bonacker / Carl / Mehdizadeh Die Frankfurterinnen


1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-95771-054-3
Verlag: Größenwahn Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 200 Seiten

ISBN: 978-3-95771-054-3
Verlag: Größenwahn Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein großes Thema unserer Zeit: verlassen werden, allein zurückbleiben, ungeliebt weiterleben müssen. Es gibt einen besseren Weg als diese Ängste zu verschweigen und die Phobien immer mächtiger werden zu lassen: darüber zu reden - oder zu schreiben.

"Mit tausend Pfeilen schießen die Sonnenstrahlen durch die

Morgendämmerung und wollen die schlafende Frau in die

Gegenwart holen."

Mit tausend Wortpfeilen schießen die Autorinnen durch die Seiten dieses Buches, denn sie sind Frauen, die sich nicht lähmen ließen, sondern aufgestanden sind und sich ihre Identität erkämpft haben. Ängste und Mutlosigkeit haben sie überwunden. Sie haben den Literaturclub der Frauen aus aller Welt e.V. gegründet - Frauen, die aus aller Herren Länder den Weg an den Main gefunden haben, Frauen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, die aber Deutsch als ihre Literatursprache gewählt haben - und nun mit Stolz zu Frankfurterinnen geworden sind. Weltoffen, international, tolerant. So wie die Stadt, in der sie leben.

Die 15 ausgewählten Geschichten, Erzählungen und Lyrikbeiträge der Mitgliederinnen des Literaturclubs der Frauen aus aller Welt e.V. behandeln aktuelle Themen der Gesellschaft: Liebesbeziehungen, Verlustängste, Ideale und Idealisierungen. Eine literarische Anthologie von den Frankfurterinnen aus aller Welt.

Zuhause in Frankfurt am Main.

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Weitere Infos & Material


Inhalt:
Ayla Bonacker, Sinan
Gesine Carl, Gesteigerte Wirklichkeit
Kristina Edel, Adja
Tuula Greß, Morgengrauen
Barbara Höhfeld, Rex, die Ratte
Reha Horn , Das Ausländerfest
Radvana Kraslová , Zeit der Wende
Susanne Konrad, Der Angstmann
Tamara Labas-Primorac, Kirschblüten
Behjat Mehdizadeh, Meine Dolly
Agapi Mkrtchian, Die Deutschen essen kein Brot
Mona Phoenics, Eine Fahrt weg
Lori Tengler, Ein Strahlender Tag
Venera Tirreno Schneider, Das Elf-Uhr-Frühstück
Gisela Wölbert, Mann, Frau, Buch


Tamara Labas-Primorac
KIRSCHBLÜTEN
1 Der Mann reichte mir die Bücher, die er vom Boden aufgesammelt hatte. Sie waren mir aus den Händen gefallen, als wir versehentlich auf der Straße zusammenstießen. Seinen rechten Mundwinkel zog er nun leicht nach oben, zu einem zaghaften Lächeln, dann hob er seine Augenbrauen – die kräftig und struppig waren und so gar nicht in das Gesicht mit den weichen Zügen passen wollten – um anschließend, wie in einem Stummfilm, eine theatralische Pose einzunehmen und übertrieben eine Miene aufzusetzen, so als hätte er die Rolle eines Sünders zu spielen, der sich eben seiner Schuld bewusst wurde. »Das hätte nicht passieren dürfen«, sagte er jetzt grinsend, und als sich der Blick seiner ungewöhnlich hellen Augen mit dem meinigen traf, loderte in diesen Begehren auf. »Vielleicht darf ich mich mit einem Kaffee bei Ihnen entschuldigen?« Die kleine Zeitspanne zwischen seiner Frage und meiner Antwort nutzte er, um auf einen der Buchdeckel zu schauen – vielleicht aus Ungeduld, vielleicht aber erhoffte er sich, anhand meines Leseinteresses etwas über mich erfahren zu können. »Sie mögen Razni?«, fragte der Fremde. Ich nickte nur und griff endlich zu den Büchern. »Mir ist er zu langatmig. Er bewegt sich im Schneckentempo. Das macht ihn schwer zu lesen. Und seine Liebesgeschichten enden immer befremdend«, fuhr er fort. »Oh, mir gefällt gerade die Langsamkeit seiner Geschichten außerordentlich gut! Ich bewundere seinen Wortschatz, sein Sprachvermögen, verblüffend! Und finden Sie nicht, dass es auch im wahren Leben bizarre Liebesgeschichten gibt?«, gab ich zurück und begegnete seinem Blick entgegenkommend. Genaugenommen konnte ich ihm geradezu nicht widerstehen – so wie es manchmal geschieht, wenn zwei fremde Menschen wie im Rausch nur danach streben, das Fremdsein so schnell wie möglich abzulegen, um sich einander hinzugeben. Ich fühlte außerdem, dass diese Begegnung eine war, die etwas Schicksalhaftes hatte, dem man nicht entrinnen konnte – ohne dass ich genau sagen könnte, woran ich das festgemacht hätte. »Also, wie wär's? Nehmen Sie meine Einladung an?« Ich nickte. »Gerne. Darf es auch ein Latte Macchiato sein?« Er lachte nun breit wie einer, der seine Trophäe endlich in den Händen hielt. 2 Ich tröpfelte etwas Kaffee vom Stiellöffel über den Milchschaum, während er kräftig in seinem Espresso rührte. Wir saßen draußen im lauschigen Garten eines Cafés, unweit von meinem Auto, aus dem ich ausgestiegen war, um die Bücher in der Stadtbücherei abzugeben, als mich der Mann anrempelte, dem ich nun gegenüber saß. Ich betrachtete seine Hände, wie ich es bei Männern gerne tat. Lange, feingliedrige Hände, so wie sie zumeist bei Pianisten vermutet werden, waren mir bei einem Mann wichtig. Schon allein die Vorstellung von plumpen Händen berührt zu werden, löste bei mir ein körperliches Unbehagen aus, ähnlich einem Schaudern. Mir war bewusst, dass das eine dumme Marotte war; es gelang mir aber nicht, mich von dieser zu befreien. Die Hände meines Gegenübers waren grazil und die Finger lang, gleich schön und elegant wie der Silberlöffel, der in einer der beiden noch immer lag. Gut gelaunt ließ ich nun das Amarettino, das zum Kaffee gereicht wurde, in den Glasbecher fallen. Das kleine Gebäck wurde vom Milchschaum aufgefangen. Mit dem Stiellöffel tauchte ich es kurz in das heiße Getränk ein, als der Mann mich fragte: »Wollen Sie auch mein Amarettino?« »Gerne!«, antwortete ich ohne zu zögern und schaute ihm in die Augen, um ihm anzudeuten, dass ich sein Spiel verstand und bereit war mitzumachen. »Ok, Sie bekommen es. Aber nur, wenn ich dann Du zu Ihnen sagen darf!«, entschied er. »Na gut! Wenn ich dein Amarettino bekomme, verrate ich dir sogar meinen Namen!« »Oh, schön! Nimmst du es oder darf ich es von meinem Löffel in deinen Kaffee kippen?«, wollte er weiter wissen. »Hey Süßer, am besten nehme ich doch gleich dich samt Amarettino!«, hätte ich am liebsten erwidert, doch wollte ich keineswegs so forsch sein und ihn möglicherweise verschrecken. Männer sind Jäger, zumindest sollten wir ihnen das Gefühl geben, diese zu sein. Deshalb ließ ich ihn seiner Jagdlust noch etwas frönen und sagte mit scherzhaften Ton: »Danke für die Wahl. Ich nehme ihn selbst!« Als ich das Amarettino in meinen Kaffeebecher fallen ließ, sagte ich: »Veronika« und schaute auf. »Fein, Veronika. Ich bin Jan.« Es war der erste wärmere Tag des Jahres und der Himmel war blau, von keinem Wölkchen getrübt. Die Luft war erfüllt vom leichten, honigsüßen Duft der Kirschblüten und die Vögel warben lautstark umeinander. Alles war wie in einem zu kitschig geratenen Groschenroman. 3 Er küsste meinen Hals, während wir auf der Bettkante saßen. Ich nur noch in einem Unterkleid aus Seide und Spitze, das ich unter dem Wollkleid trug, welches mir Jan vor wenigen Augenblicken abgestreift hatte. Sein Hemd, schon aufgeknöpft, ließ ich nun von seinen Schultern gleiten. Endlich berührte ich mit meinen Lippen seine entblößte Haut, die nach Lavendel, Zedernholz und einem Hauch Tabak roch – obwohl er ganz sicher nicht rauchte, das hätte ich an seinem Mund geschmeckt, der mich geküsst hatte. Er wird wohl gesellig sein und den Rauchern vor der Tür charmante Gesellschaft leisten, überlegte ich kurz. Wir legten uns alsdann nieder und ich roch die frische Bettwäsche eines Ortes, der ihm vertraut, für mich noch beziehungslos war. Dann öffnete ich meine Schenkel für Jan. Irgendwann erschöpften wir uns und ließen gesättigt voneinander ab. So lagen wir eine Zeitlang, um langsam aus unserer Trunkenheit in den jetzigen Augenblick zurückzufinden. »Magst du nun ein Stück Schokoladenkuchen? Er müsste jetzt gut abgekühlt sein.« Mit diesen Worten lenkte Jan meine ganze Aufmerksamkeit in die Gegenwart, und ich nahm erneut den Wohlgeruch von Butter, Vanille und geschmolzener dunkler Schokolade wahr, der seine Wohnung erfüllte und der mich schon vorhin empfangen hatte. Es war der ursprüngliche Anlass, warum ich hier war. »Möchtest du ein Stück Kuchen?«, hatte mich Jan nämlich im Café gefragt gehabt. »Ja, sehr gerne.« »Magst du Schokoladenkuchen? Ich kann ihn dir sehr empfehlen.« »Ja, warum nicht? Ist er hier besonders gut?« »Ich meine meinen Schokoladenkuchen. Ich habe ihn heute Morgen frisch gebacken. Das tue ich gelegentlich«, hatte Jan erklärt gehabt, bübisch lächelnd. »Hast du nun Lust auf Schokokuchen nach Art des Hauses oder nicht?«, fragte Jan jetzt wieder, da ich noch immer nicht geantwortet hatte. »Wenn er so gut ist wie du, dann gerne«, sagte ich. Darauf zog er mich zu sich und berührte meinen Mund mit dem seinigen, wandte sich wieder ab und lief nackt in die Küche. Etwas später, nachdem ich den Schokoladenkuchen gegessen hatte, (der tatsächlich außerordentlich köstlich war, wie er nur von einem Liebhaber eines Schokoladenkuchens gebacken werden konnte), und etwas kühles Wasser dazu getrunken hatte, stieg ich aus dem Bett und fing an, meine Kleider aufzusammeln, die zerstreut auf dem Holzboden lagen. Angezogen, griff ich nach der Ledertasche und den Büchern. »Du willst doch nicht etwa schon gehen?«, wollte Jan wissen. »Doch, leider. Ich muss noch dringend die Bücher in der Stadtbücherei abgeben. Die Frist ist schon vor einer Woche abgelaufen.« Er hatte mich am Gehen nicht gehindert, ich hätte es auch nicht zugelassen, doch hätte ich mir ein spielerisches Aufbegehren seinerseits gewünscht, das mir das Gefühl gegeben hätte, mich nur unfreiwillig loslassen zu wollen. Er blieb stattdessen im Bett liegen, noch immer nackt. »Sehen wir uns wieder?« »Ja«, antwortete ich. Dann zog ich die Wohnungstür hinter mir zu. 4 »Der Kirschbaum blüht wieder«, sagte ich zu Jan, der nicht wirklich wach war. »Hm«, murmelte er nur. »Und der Himmel ist schon fast blau.« »Was?«, fragte er verschlafen. »Man sagt doch: ›Wie bitte‹. Wurde dir das als Kind nicht beigebracht?«, fragte ich neckend und hellwach. »Veronika!«, murmelte Jan leicht genervt. »Hörst du den Gesang der Vögel? Er hat mich geweckt und er erinnert mich daran, dass wir etwas zu feiern haben ...«, fuhr ich unbeirrt fort. »Was denn?«, wollte er wissen, nun doch...



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