Brüggemeyer Catfish
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-8493-0364-8
Verlag: Metrolit Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: PC/MAC/eReader/Tablet/DL/kein Kopierschutz
Ein Bob Dylan Roman
E-Book, Deutsch, 260 Seiten
ISBN: 978-3-8493-0364-8
Verlag: Metrolit Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: PC/MAC/eReader/Tablet/DL/kein Kopierschutz
Kein Songwriter hat das Bewusstsein gleich mehrerer Generationen so geprägt wie Bob Dylan. David Bowie und Patti Smith verehren ihn ebenso wie Jack White oder Jake Bugg.
Bruce Springsteen hat über ihn gesagt, er habe durch seine Songs den Geist befreit, wie seinerzeit Elvis den Körper. Und über keinen Künstler sind derart viele Biografien erschienen und doch wissen wir eigentlich nichts über diesen Mann. Daran wird auch dieses Buch nichts ändern, denn weitaus spannender ist es, sich den unterschiedlichen Kunstfiguren anzunähern, die Dylan in den letzten fünfzig Jahren geschaffen hat und so der großen Lebensweisheit und dem Humor dieses Mannes und seinem einzigartigen Werk nachzuspüren.
Der Musikjournalist Maik Brüggemeyer hat sich auf die Suche dieser sehr unterschiedlichen Dylans gemacht. Sein Wissen über Dylan ist dabei mitunter der richtige Kompass, aber auch geradezu dylaneske Zufälle weisen ihm den Weg und so sitzt er schließlich einem seiner Idole in einer Bar in Greenwich Village gegenüber und spricht mit ihm über die Liebe und das Leben, über Politik, Karriere, Philosophie und Kunst.
Was sich wie ein Roman liest, ist ein mit Songtexten, Zitaten und Anekdoten gespickte Annäherung an das Werk eines der größten Künstler unserer Zeit. Das ist ebenso unterhaltsam wie aufschlussreich und sehr originell.
'Ebenso unterhaltsam wie aufschlussreich und sehr originell.'
Deutschlandradio Kultur
'Eine fabelhafte Annäherung an das ungreifbare Chamäleon Dylan'
Schweizer Weltwoche
'Nichts Genaues weiß man nicht. Kaum jemand hat das bisher charmanter zugegeben als Brüggemeyer.'
SPEX
'Catfish ist ein Roman nicht über aber mit Bob Dylan – man lese und staune.'
Jolie
'Es gibt wunderschöne Passagen, man kommt dem literarischen und musikalischen New York näher – und natürlich Bob Dylan, seinen Texten, seiner Art, seinem Leben.'
Flux FM
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Prolog DAS BOB-DYLAN-GEFÜHL „Ladies und Gentlemen, bitte heißen sie den Hofdichter des Rock’n’Roll willkommen. Die Stimme und das Versprechen der Gegenkultur der Sechziger. Den Typ, der Folk mit Rock ins Bett gezwängt hat, der in den Siebzigern Make-up auflegte, in einem Nebel des Drogenmissbrauchs verschwand, wieder auftauchte, um ‚Jesus zu finden‘, den man Ende der Achtziger als einen von vorgestern abgeschrieben hatte, der plötzlich ein paar Gänge hoch schaltete, um ab Ende der Neunziger einige der stärksten Werke seiner Karriere zu veröffentlichen.“ Mit diesen Worten begann Anfang des 21. Jahrhunderts jedes Bob-Dylan-Konzert. Sie sind einer Ausgabe der Buffalo News entnommen, einer Tageszeitung, die im Westen des US-Bundesstaates New York erscheint. Der hier beschriebene Künstler fand sie als Essenz seiner seinerzeit ziemlich genau vierzig Jahre währenden Karriere anscheinend so komisch, dass er sie seinen Fans nicht vorenthalten wollte. Der Mann hat halt Humor. Der Text wirkt deshalb so komisch, weil der Autor dieser Zeilen, ein Musikjournalist namens Jeff Miers, versucht hat, eine Grabrede auf einen Flüchtigen zu halten. Man kann sich so eine Szene gut in einem Western vorstellen: Der örtliche Sheriff steht vor einem bereits in die Grube gelassenen, notdürftig aus ein paar Brettern zusammen gezimmerten Sarg und zählt die Vergehen des von ihm zur Strecke gebrachten Gauners auf. Die Kamera zeigt eine Totale, in der man den Gesetzeshüter mit seinen Gehilfen mitten in der weiten amerikanischen Landschaft stehen sieht. Plötzlich fällt ein Schuss. Ein Schnitt auf das grinsende Gesicht des offensichtlich quicklebendigen Schurken. „Wenn man außerhalb des Gesetzes leben will, muss man ehrlich sein“, murmelt er und reitet davon. Die Hilfssheriffs beugen sich über das Grab, in dem ihr Chef nun mausetot auf einem leeren Sarg liegt. So wie der Sheriff hat auch Miers natürlich nur getan, was von ihm verlangt wurde. Als Journalist hört man von Redakteuren und Chefredakteuren oft die Floskel: „Man kann auch auf fünf Zeilen alles erzählen, die Frage ist nur, wie man es tut.“ Und so liest sich Miers’ Text wie ein Entwicklungsroman in Schlagzeilen. Er erzählt von einem, der auszog, um einem Versprechen zu folgen, der Krisen durchlitt, nach Sinn suchte und schließlich seine Bestimmung fand. Das klingt ganz so, als könne der hier beschriebene Mann uns jede Menge Nützliches über das Abenteuer des irdischen Daseins mit auf den Weg geben: handfeste Ratschläge ebenso wie lebensphilosophisches Rüstzeug. Und damit ist die anfängliche Idee, die diesem Buch zugrunde liegt, auch schon umrissen. Es soll nämlich, so regte es mein Agent ursprünglich an, der Frage nachgehen, was wir von Bob Dylan über das Leben lernen können. Ganz einfach, sollte man meinen. Wer sich schon mal etwas umfassender mit besagtem Künstler beschäftigt hat, wird allerdings wissen, dass uns diese Aufgabenstellung vor ein kleines Problem stellt: Der alte Mann spricht nicht gern über sein Leben und seine Erfahrungen. Selbst in seinen sogenannten Memoiren, „Chronicles, Volume One“, bleibt er ziemlich vage. Er beschreibt eindrücklich Räume, Städte und Leseerfahrungen, doch je näher es an seine eigene Person herangeht, desto unschärfer wird die Sprache. So schreibt er beispielsweise zweimal prosaisch von „meiner Frau“, ohne kenntlich zu machen, dass es sich jeweils – es liegen Jahrzehnte zwischen den beiden Passagen – um eine andere Person handelt. Er war nämlich mindestens zweimal verheiratet. Von der zweiten Ehe und der gemeinsamen Tochter erfuhr man erst etwa ein Jahrzehnt nach der Scheidung – natürlich nicht aus erster Hand. Sein langjähriger, 2001 verstorbener persönlicher Assistent Victor Maymudes glaubte sogar, so berichtete später dessen Sohn, insgesamt mindestens fünf Ehen gezählt zu haben, und im Herbst 2014 gab es Gerüchte über eine weitere Scheidung, nachdem die aktuelle Ehefrau insgesamt 180 Millionen Dollar des Dylan’schen Vermögens auf den Kopf gehauen haben soll. Natürlich wurde das nie offiziell bestätigt. Über Dylans momentanen Familienstand weiß man also wenig, es ist auch unbekannt, welche Religion er wie praktiziert und wo er politisch steht. Dafür konnte man in einem Interview erfahren, dass er sich mit Boxen fit hält und schon häufiger mit dem Schauspieler Mickey Rourke und dem Regisseur Quentin Tarantino in den Ring seines Box-Clubs in Santa Monica gestiegen ist, der sich übrigens neben einem ebenfalls von ihm betriebenen Coffee House an der Ecke Broadway und 18th Street befindet. Ein andermal erzählte Dylan, er wäre die Transfiguration eines 1964 tödlich verunglückten Mitglieds der Hell’s Angels namens Bobby Zimmerman. Dazu muss man einerseits wissen, dass er als Robert Allen Zimmerman geboren wurde, und andererseits, dass mit Transfiguration ein im Neuen Testament beschriebenes Offenbarungsereignis gemeint ist. Dort wird die „Verklärung des Herrn“ wie folgt beschrieben: Die Apostel Petrus, Jakobus und Johannes stiegen mit Jesus auf einen Berg, und als sie den Gipfel erreichten, strahlte sein Antlitz „wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht“. Man kann die Aussage Dylans einfach als Unsinn abtun, oder aber, und das war mein Ansatz, man fragt einen geschätzten Theologieprofessor, was das zu bedeuten habe, und der schrieb mir dann auch zügig zurück: „Auf der Aussageebene ist das, was Dylan im Interview zur Transfiguration (war das der Ausdruck?) entwickelt, einigermaßen hanebüchen. Mein Grundverständnis hierzu: Auch wo Dylan ins Spekulieren gerät, wo er religiöse oder metaphysische Welt-Bilder entwirft oder beansprucht, macht er dasselbe wie in seinen Songs: Er ist nichts anderes als ein Storyteller – der erfindet, flunkert, ja ‚lügt‘, um verpackt in Erzählungen oder anderen fiktionalen Stoffen sagen zu können, was ihn zuinnerst betrifft – um es im selben Moment zu verstecken und zu schützen.“ Womit dann ja wohl jede Eindeutigkeit beseitigt wäre. Es gibt eine eigene Forschungsrichtung, die sogenannte Dylanologie, die sich hermeneutisch mit den Texten und Äußerungen dieses immer wieder Rätsel aufgebenden Mannes befasst und sie bis in die Körnung seiner Stimme hinein seziert. Da wird viel geforscht und veröffentlicht zu Dylans Quellen, Vorbildern und Einflüssen und viel Aufwand betrieben, um beispielsweise zu erklären, warum das Studienobjekt der einzige Popmusiker ist, auf den die allseits gefürchtete Kulturindustriethese von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno nicht zutrifft, es sich bei seinen Werken also keinesfalls um triviale, die Interessen des Kapitals in die Ohren der Konsumenten flüsternde Waren, sondern um Kunst handle, die das kritische Bewusstsein fördere. Was wohl darauf hindeutet, dass auch in der Wissenschaft in der Regel Fans am Werk sind. Letztlich sind das natürlich sich um sich selbst drehende akademische Spielereien, deren Ziel es nicht ist, aus den Liedern einen lebenspraktischen Nutzen oder eine genauere Vorstellung über ihren Autor zu destillieren, zumal das ja eh schwierig ist mit der Autorenschaft, weil ein Text ja wiederum aus vielen Texten anderer sogenannter Autoren besteht usw. usf. – man kennt das ja. Und so bleiben diese Analysen trotz allen Bemühens der Dylanologen zumeist recht vage. Womit ich keinesfalls sagen will, die Lektüre dieser Schriften sei verlorene Liebesmüh – sie kann, ganz im Gegenteil, überaus lustvoll sein, wenn man wissen möchte, wie die sieben Todsünden, das dritte oder fünfte Buch Mose oder die Werke von Friedrich Nietzsche, Walt Whitman oder Erica Jong auf Bob Dylans Werk eingewirkt haben. Praktischer veranlagt war der obsessive New Yorker Gelehrte Alan Jules Weberman, der bereits Anfang der Siebziger im Hausmüll des Künstlers nach Hinweisen auf dessen Lebensweise und mentale Verfassung suchte. Ergebnis: ein paar benutzte Windeln und ein Haufen Hundescheiße – Material, das immerhin Stoff für mehrere Bücher bot. Aber will man das wirklich lesen? Konkrete Aussagen zu Dylans Person und Lebensführung wollen übrigens – wie ich aus eigener Erfahrung weiß – auch die nicht machen, die ihn wirklich kennen. Weder der Songwriter Bob Neuwirth, sein ehemaliger Tourmanager und bester Kumpel, der sogar – allerdings kopflos und im Hintergrund stehend – das Cover des Albums „Highway 61 Revisited“ schmückt, noch der Schauspieler John Goodman, der in einem Film mit dem bezeichnenden Titel „Masked And Anonymous“ mitspielte, für den Dylan unter Pseudonym das Drehbuch schrieb, und in dem er auch die Hauptrolle übernahm. Auf ihren Freund angesprochen, werden Dylans Vertraute einsilbig – sei es, weil sie selbst nichts wissen oder weil sie loyal sind und ihren prominenten Buddy nicht irgendeinem Journalisten ausliefern wollen. „Maik, mein Freund, du glaubst doch nicht, dass ich dir erzähle, wie es wirklich war“, höhnte beispielsweise Neuwirth am Telefon und lachte (mich aus). Paul Simon, in Queens geborener New Yorker, schon als Teenager ein professioneller Songwriter am Broadway und lange in einem gewissen Konkurrenzverhältnis zum Provinzler Dylan stehend, wusste immerhin Kurioses zu berichten. Er erzählte mir im Winter 2011, er habe gerade für sein Anwesen in Connecticut ein Gartentor von Dylan gekauft. Ich konnte es erst nicht glauben, dachte, ich hätte mich verhört, doch er erklärte, sein Freund Bob sammle Fahrradteile, Zahnräder, Werkzeuge, Küchengeräte, gegossene Ornamente und schmiedeeiserne Figuren und schweiße daraus sehr schöne Tore und Pforten. Kurz darauf las ich in der New York Times, wie der Songwriter Jack White erklärte, Dylan habe ihm das Schweißen beigebracht....