Bublitz | Judith Butler zur Einführung | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 176 Seiten

Reihe: zur Einführung

Bublitz Judith Butler zur Einführung


1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-96060-093-0
Verlag: Junius Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

Reihe: zur Einführung

ISBN: 978-3-96060-093-0
Verlag: Junius Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Judith Butler (geb. 1956) ist eine der profiliertesten Vertreterinnen poststrukturalistischer Theorie. Bekannt geworden ist sie mit ihrem Buch Das Unbehagen der Geschlechter, das zum Schlüsselbuch der neueren feministischen Theorie wurde. Wie keine zweite Denkerin übt Butler Wirkung auf die Debatten über Körper, Subjekt und Macht aus. Diese Einführung behandelt sowohl das sprach- und diskurstheoretische Programm als auch die feministische und die politische Theorie. Für die dritte, vollständig überarbeitete Auflage des Bandes wurden die neueren Schriften Butlers ebenso berücksichtigt wie die jüngeren politischen Einlassungen der Autorin.
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2. Butlers sprach- und diskurstheoretisches Programm
Der Aufbau ihres Werkes
Ähnlich wie Foucault stellt Butler die Frage nach dem Verhältnis von Subjekt, Körper und Macht. Bereits in ihren frühen Schriften hinterfragt sie die Identitätslogik eines transzendental begründeten und kohärent gedachten Subjekts, die das moderne Subjektdenken dominiert.17 An dieser Dekonstruktion eines mit sich identischen Subjekts entzündet sich eine erste Welle der Kritik an Butler. Mit ihrer Fixierung auf die für ihre Theorie zentrale These der Performativität der Diskurse und des Diskursiven unterscheide Butler nicht zwischen Sprache und Praktik und sei daher in ihrer Zentrierung auf eine sprachlichdiskursive Subjektbildung hermetisch.18 Diese Kritik richtet sich im Übrigen auch gegen Foucaults Machtbegriff, insofern er kein Außen oder Jenseits der Macht annimmt. Butler übernimmt diese Sichtweise der Macht von Foucault in radikal konstruktivistischer Form. Ihre Theorie spannt den Bogen von der Dekonstruktion eines als fiktiv erkannten, mit sich identischen Subjekts, wie es Hegel in seiner Subjektkonzeption entwirft, zur Frage der (Gefühls-)Bindungen, die das Subjekt mit der Macht, durch die es gebildet wird, eingeht und die es auf sich zurück- und gegen sich wendet. Diese Subjektkonzeption verdankt sich einer bestimmten Lesart Hegels, vor allem aber ihrer Bezugnahme auf Foucault, Nietzsche, Althusser und Freud. Anders als bei Foucault richtet sich Butlers Augenmerk nicht auf alternative Formen der Selbstbeziehung und eine Ethik der Widerständigkeit und Lebenskunst, sondern auf die – ambivalente – Struktur der Macht im Subjekt als Ausgangspunkt für dessen sprachliche Einmischung in die hegemoniale Kraft vorgegebener Strukturen und deren Re- und Neuartikulation. Ausgehend von der hegelianischen Denkfigur eines mit sich identischen Subjekts über Foucaults nachhegelianische Auffassung des Subjekts als Wirkung von Diskurs- und Machtbeziehungen gilt Butlers Interesse der Subjektivierung als paradoxer Machtform und der innerpsychischen Repräsentanz diskursiver Macht. Zunächst widmet sie sich im Rahmen ihrer Doktorarbeit Subjects of Desire (SoD), die nicht ins Deutsche übersetzt wurde und in der deutschsprachigen Rezeption ihrer Theorie auch keine nennenswerte Rolle spielte, ganz dem hegelianischen Denken in der französischen Philosophie des 20. Jahrhunderts, besonders bei Kojève, Hippolyte und Sartre. Poststrukturalistische Theorie war zu dieser Zeit in ihrer Rezeption der kontinentalen philosophischen Tradition noch nicht oder nur von untergeordneter Bedeutung. In den Siebzigerjahren studiert Butler Hegel und die deutsche Philosophie bei Dieter Henrich und Hans-Georg Gadamer in Heidelberg. Später, in den frühen Achtzigern, dann Marx, Heidegger und Kierkegaard. Die Rekonstruktion der Bedeutung, die dem Begehren in Hegels Subjekttheorie zukommt, steht ganz im Zeichen der Auseinandersetzung mit dem deutschen Idealismus, der Phänomenologie und der Frankfurter Schule. In ihrer nicht nur im deutschsprachigen Raum als beunruhigend empfundenen und kontrovers diskutierten Schrift Das Unbehagen der Geschlechter (UG) wendet sich Butler dann der Relevanz des Biologischen bei der Determinierung der Geschlechtsidentität, der technologisch-diskursiven Erzeugung biologischer Körper als Geschlechtskörper und der immer wiederkehrenden Einsetzung der heterosexuellen Zwangsordnung der Gesellschaft zu, die sich, so ihre Diagnose, den (Geschlechts-)Subjekten normierend als Matrix auferlegt. Hier greift sie auch die Denkfigur des Begehrenssubjekts wieder auf und behandelt die diskursive Produktion des Begehrens als Problem einer erzwungenen, heterosexuellen Begehrensorientierung und der damit verbundenen Geschlechterkonstruktion. Ihre Kritik an der Sex-gender-Unterscheidung, wonach eine Geschlechtsidentität auf einer biologischen Differenz der Geschlechter beruht, spitzt sich auf die These zu, dass Subjekte auch in ihrer körperlich-materiellen Geschlechtlichkeit performativ, und das heißt bei Butler, durch zitatförmige Wiederholung einer diskursiven Ordnung, erzeugt werden. Mit der Infragestellung einer vordiskursiven und vorsymbolischen Materialität des Körpers und der Rekonstruktion seiner normativen Herstellung richtet sie sich gegen jedes metaphysische Ursprungsdenken, das sich in Wesens- und Seinskategorien artikuliert. Stattdessen fragt sie nach den Machtmechanismen, die bestimmen, welche Körper und Lebensformen in einer Gesellschaft von Gewicht sind und wie diese produziert werden. Nach der Dekonstruktion der Vorstellung eines in sich kohärenten Subjekts und eines naturhaft vorausgesetzten Körpers widmet sie sich der Frage, wie sich Körper und Subjekt als Wirkung von Macht bilden. In Haß spricht (HS) erweitert Butler ihre theoretische und politische Perspektive zu einer »Politik des Performativen«: Zentral ist hier die performative Kraft der Sprache nicht nur in ihrer konstitutiven Funktion für das Körperschema und das Subjekt, sondern auch in ihrer politischen Bedeutung der Reartikulation verworfener Körperbilder und Subjektivierungsweisen. Das Subjekt formiert sich Butlers sprachtheoretischem Programm zufolge in und durch Sprache. Gleichzeitig verfügt es über die Möglichkeit der Zurückweisung normativer Zuschreibungen und Verletzungen. In Psyche der Macht wendet sie sich erneut der Subjektbildung und der Frage der innerpsychischen Struktur der Macht im Subjekt zu. Im Anschluss an Foucaults diskurs- und machttheoretische Subjektkonzeption geht Butler nicht nur davon aus, dass das Verhältnis von Subjekt und Macht das einer primären, fundamentalen Abhängigkeit ist, das, aufgrund der Wirkmächtigkeit von Diskursen, im Entwurf und Prozess der Subjektbildung zugleich die Unterwerfung des Subjekts unter die Macht einschließt. Vielmehr geht sie, in kritischer Auseinandersetzung mit verschiedenen Theorien der Subjektivierung und Subjektbildung, dem bereits in die Entstehungsgeschichte des Subjekts eingeschriebenen engen Zusammenhang von Psyche und Macht nach. In der Inauguration des Menschen als gesellschaftliches Wesen wird so ein Subjekt sichtbar, das sich der Verankerung des Sozialen in der Psyche (als Ort der primären Objektbeziehungen und der Gewissensbildung) verdankt. Die Macht befindet sich demnach genau dort, wo das Subjekt sich authentisch und souverän wähnt, nämlich im Bereich des – moralischen – Bewusstseins und der Selbstreflexion. Moral erscheint bei Butler, wie schon bei Nietzsche, als bestimmte Art der Gewalt, die das Subjekt als Kultursubjekt begründet und es als reflexives Wesen moralischen Maßstäben eines sozialen Gewissens unterwirft. Gleichzeitig schlägt sie aber auch eine gegen die Macht gerichtete Interpretation der Handlungsfähigkeit des Subjekts vor, die sie in der Auseinandersetzung mit Hegels »Theorie des unglücklichen Bewusstseins«19 und mit nachhegelianischen Subjektivierungskonzepten, wie denen von Nietzsche, Freud, Althusser und Foucault, entwickelt. Hier wird deutlich, dass und wie das Subjekt gesellschaftliche Subjektentwürfe in seiner Konstitution partiell umschreibt und damit begrenzte Formen der Sozialität erweitert. Die produktive Macht des Wortes
Butlers Theorieprojekt ist zentriert um die Vorstellung, dass Worte von der Macht durchdrungen sind und die Macht haben, Dinge wie den biologischen Körper aus der begrifflichen Substanz heraus zu fertigen. Ein zentraler Aspekt ist daher die Infragestellung des Materiekonzepts und des Körpers als vorgängiger Voraussetzungen der Zeichen und der Sprache, der diskursiven und symbolischen Bedeutungen. Die Frage ist, wie die Materialität des Körpers erzeugt wird und welchen Körpern Gewicht beigemessen wird und warum. Dabei ist die zugrunde liegende Annahme, dass Diskurse – vermittelt durch performative Sprechakte – körperliche Gestalt annehmen. Die Begriffe »Materialisierung« und »Performativität« dienen zur Erklärung dieses Vorgangs. Die Vieldeutigkeit und fast willkürliche Anwendbarkeit des Performanzbegriffs haben dazu beigetragen, dass er zu einem Leitbegriff geworden ist. Diese Konjunktur des Begriffs verstellt jedoch den Blick auf seine je nach Disziplin unterschiedlichen Bedeutungen. So bezieht sich der Begriff der Performanz in der Sprachphilosophie durchaus auf etwas anderes als etwa in der Ethnologie, der Kultur-, Theater- und Medienwissenschaft. Verweist er dort auf die sprechakttheoretischen und universalpragmatischen Geltungsansprüche von Sprache und kommunikativem Handeln, so bezeichnet er kultur- und theaterwissenschaftlich noch am ehesten das Aufführen von – theatralen oder rituellen – Handlungen, die »performance«. Damit kommt nicht nur der Aspekt der Inszenierung eines Als-ob-Verhaltens ins Spiel, dessen kulturwissenschaftliche Bedeutung darin liegt, dass sich alle Äußerungen immer auch als Inszenierungen, und das heißt: als »performances«, betrachten lassen. Kultur erhält vielmehr selbst in gewisser Weise den Status der Inszenierung sozialer Dramen. Medientheoretisch steht hingegen vor allem der Akt der Verkörperung von Botschaften im Vordergrund, der wesentlich durch...


Hannelore Bublitz ist Professorin für Soziologie an der Universität Paderborn.



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