E-Book, Deutsch, 153 Seiten
Burkhardt / Sauberschwarz / Kornelsen Good Job!
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-8006-5654-7
Verlag: Franz Vahlen
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Neue Impulse für eine absurde Arbeitswelt
E-Book, Deutsch, 153 Seiten
ISBN: 978-3-8006-5654-7
Verlag: Franz Vahlen
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
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21BEGEISTERUNG
statt
BEFÖRDERUNG
22OLIVER BERGER „Wenn ich mich heute daran erinnere, wie ich damals in die Arbeitswelt gestartet bin, frage ich mich inzwischen, wo dieser Typ eigentlich abgeblieben ist. Er muss wohl irgendwo zwischen zwei unsinnigen Meetings hier im Unternehmen verloren gegangen sein. Oder er wartet immer noch vor dem Beförderungskarussell auf seine nächste Fahrt. Wie dem auch sei … Damals jedenfalls, als ich gerade frisch von der Uni kam, war ich noch unglaublich motiviert. Bis in die Haarspitzen sozusagen. Und dass, obwohl das Bewerbungsgespräch hier so sinnbefreit abgelaufen ist. Für meinen Tatendrang bedeutete das aber erstmal keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil. Ich sprühte nur so vor Motivation. Ich war heiß und wollte Dinge, die ich bisher theoretisch gelernt hatte, endlich in die Praxis umsetzen – PS auf die Straße bringen, wie man so schön sagt. Mit Drive und Begeisterung für meine Aufgabe überzeugen. Und dann irgendwann Schritt für Schritt Karriere machen. Von diesem Zauber war nach ein paar Monaten schon nicht mehr viel übrig. Tatsächlich hieß es eher ‚Nächster Halt: Realität. Bitte alle Träumer aussteigen.‘ Mit der Zeit bekam ich nämlich mit, dass nur die wenigsten meiner Kollegen ehrlich begeistert waren und dass die Mehrheit stattdessen vorwiegend ‚politisch‘ aktiv war. Möglichst stromlinienförmig und schön ohne anzuecken durch den Tag. So lautet hier die Devise. Das Ziel: sich so für die nächste Beförderungsrunde in Position zu bringen. Und das ist nicht mal böse gemeint, ich habe eine Menge netter Kollegen. Ganz sicher haben die ähnlich angefangen wie ich. Irgendwie traurig, oder? Von Enthusiasmus, Weiterentwicklung oder intrinsischer Motivation für die Sache sieht man jedenfalls wenig. Die persönliche Agenda und Ego-Strategien dominieren das Tagesgeschäft. Da strategischere Themen sich natürlich besser zur internen Positionierung eignen, entbrannte um diese meist ein regelrechter Kampf unter den Kollegen. Leider war ich dabei allzu oft der Verlierer, für den anschließend nur der operative Rest übrig blieb: Eine maximale Anzahl an Aufgaben mit einer minimalen Anforderung an Abwechslung und eigenständigem Denken. Irgendwann habe ich mich mal dabei ertappt, wie ich im Internet während der Arbeit das Wort ‚Langeweile‘ in diverse Sprachen übersetzt habe. Ich wollte wohl die ganze Welt unterbewusst um eine interessante Aufgabe bitten. Tatsächlich gab es sowas ja mal. Mein Chef kam damals ab und an zu mir und gab mir Sonderaufgaben. Meist weniger spannend, zugegeben eher von der Kategorie ‚Fleißarbeit‘. Aber einmal, das weiß ich noch, kam er mit einem echten Knaller. Ein Thema, das wirklich gut zu mir passte. Sehr herausfordernd und genau das, was ich in dem Moment haben wollte. 23Ich sollte die Aufgabe bis zum Ende der Woche erledigen. Und es war Dienstag. Da ich meine sonstigen Themen bereits abgearbeitet hatte, konnte ich mich super motiviert an die Sache machen und war bereits am Mittwoch fertig. Ein geniales Gefühl. Meine Präsentation habe ich dann einer Kollegin zum Quercheck gesendet, bevor sie weiter an meinen Chef gehen sollte. Ihr Feedback? ‚Ja, finde ich ziemlich gut, kannst Du definitiv so weiterleiten. Aber darf ich Dir mal einen Tipp geben? Arbeite nicht so schnell. Das kommt hier nicht so gut an.‘ Ich hielt das zunächst für einen Witz, bemerkte dann aber, dass nur ich lächelte. Und so habe ich Schritt für Schritt angefangen ein paar Gänge runterzuschalten – auf die natürliche (Schritt-)Geschwindigkeit im Unternehmen. Begeisterung und Motivation habe ich mir danach versucht über andere Themen zu holen, ehrlicherweise auch während der Arbeitszeit. Ganz wie die Kollegen. Aber wenn man mal darüber nachdenkt, ist das schon verrückt, oder? Wie alle anderen habe ich mich mental irgendwann vor allem damit über Wasser gehalten, dass ich ein gutes Gehalt fürs ‚Low-Performen‘ bekomme und mit den zwei vermeintlichen Beförderungen auch der Titel inzwischen sexy klingt: Head of Vertical Market Management. Zumindest hier intern hat das wohl eine Bedeutung. Doch was genau bedeutet es mir? Es war in meinem letzten Urlaub – dem ersten längeren seit einigen Jahren – als ich erstmals die Zeit gefunden habe, mein Berufsleben ein bisschen zu reflektieren. Ich saß allein am Strand, als ich feststellen musste, in welcher Blase ich inzwischen hockte. Ich war ehrlich erschrocken, als ich darüber nachdachte, wie ich mich über die letzten Jahre viel zu viel an politischen Spielchen und der eigenen Positionierung abgearbeitet habe und meiner eigentlichen Freude und Motivation am Job kaum mehr nachgekommen bin. Und jetzt, wo ich mal ganz ehrlich sein kann: das kann weder für mich noch für das Unternehmen sinnvoll gewesen sein.“ Oben ist es immer besser. Und wenn es noch nicht besser ist, bist du noch nicht oben. Dies ist zumindest ein weit verbreiteter Glaube in den Führungsetagen der Unternehmen und wird in der Regel nicht nur während der gesamten Karrieredauer des Mitarbeiters gelebt, sondern sogar davor. Warum sonst werben Unternehmen bereits in Stellenanzeigen mit „guten Aufstiegschancen“? Ein auf Beförderung basierendes Anreizsystem scheint zunächst einleuchtend. Wer sich anstrengt, wird befördert. Und da es oben bekanntlich besser ist als unten, möchte natürlich auch jeder befördert werden und erhöht seine Arbeitsleistung, um dieses Ziel zu erreichen. Aber ist dies wirklich so sinnvoll, wie es auf den ersten Blick erscheint? Kann die Leistung optimal sein, wenn die 24aktuelle Position als nicht optimal empfunden wird? Schließlich wartet bereits die nächsthöhere, vermeintlich „bessere“ Position. Und sind Top-Manager in der Konsequenz am glücklichsten, weil sie am obersten Ende der Karriereleiter angekommen sind? Oder gar am wenigsten motiviert, weil sie nicht mehr befördert werden können? Unternehmen manövrieren sich durch das eigens geschaffene System in eine schwierige Lage. Denn folgt man der Logik, wird der Systemfehler schnell offensichtlich. Fakt ist, es gibt weder die Möglichkeit noch die Absicht, alle Mitarbeiter ständig zu befördern. Wenn Beförderung allerdings als Heilsversprechen gilt und entsprechend positiv besetzt ist, kann Nicht-Beförderung nur negativ sein. Folglich schafft man eine Voraussetzung für das Glücklichsein, die per Definition nicht erfüllt werden kann. Nun sind Unternehmen nicht dazu verpflichtet, Mitarbeiter glücklich zu machen. Es stellt sich allerdings die Frage, ob in einem so gearteten System das optimale Potenzial der Mitarbeiter ausgeschöpft werden kann. Um den Erfolg eines Unternehmens zu garantieren, reicht es schließlich nicht aus, im „War for Talent“ die besten Talente zu rekrutieren. Ebenso entscheidend ist es, diese anschließend zu Höchstleistungen zu motivieren. Stehen Mitarbeitern die notwendigen Werkzeuge zur Verfügung, um ihr Bestes zu leisten? Wollen sie ihre Bestleistung überhaupt abrufen? Und wie gelingt es, die Motivation der Mitarbeiter nachhaltig aufrecht zu erhalten? Mit diesen Fragen beschäftigen sich Wissenschaft und Praxis schon seit vielen Jahren. In den 1960er-Jahren schlug Douglas McGregor, Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT), zwei unterschiedliche Theorien und entsprechende Managementstile zur Motivation vor – die berühmten Theorien X und Y. Theorie X unterstellt, dass der Mensch grundsätzlich unwillig ist. Entsprechend ist in diesem Fall ein autoritäres Management nötig, welches der Tendenz der Mitarbeiter, Arbeit zu vermeiden, entgegenwirken muss – beispielsweise durch eine genaue Vorgabe der Arbeitsabläufe oder strenger Kontrolle.1 Eine Tendenz, Arbeit zu vermeiden, hat sicherlich schon jeder noch so gewissenhafte Arbeitnehmer mehr als einmal verspürt. Manchmal ist es einfach attraktiver, die Zeit in der Raucherecke, der Kaffeeküche oder in sozialen Medien zu verbringen, als seine Aufmerksamkeit dem Tagesgeschäft zu widmen. Ob dieses Verhalten jedoch von einem grundsätzlichen Unwillen zeugt, der durch Macht und Kontrolle bekämpft werden muss, ist zumindest in Jobs mit einem Minimum an Attraktivität fraglich. Deshalb stimmt sicherlich die Mehrheit der heutigen Manager zu, dass McGregors Theorie Y näher an der Realität moderner Wissensarbeiter liegt. Denn diese sieht den Menschen als von innen motiviert, seine Ich-Bedürfnisse zu erfüllen und nach Selbstverwirklichung zu streben. Und es wird in der Folge ein partizipativer Managementstil vorgeschlagen, der durch Freiheiten Raum für Verantwortung, Eigeninitiative und Kreativität schafft. 25Heute, mehr als 50 Jahre später, weiß man, dass die Frage, ob Menschen grundsätzlich motiviert sind (Theorie Y) oder nicht (Theorie X), zu kurz greift. Denn Menschen sind immer motiviert, auch wenn sie rauchen, Kaffee trinken oder im Internet surfen. Sie sind dann nur eben nicht motiviert, die ihnen zugedachten Aufgaben zu erledigen. Die viel entscheidendere Frage ist demnach, warum Menschen motiviert sind. Was ist es genau, dass sie antreibt, ein bestimmtes Verhalten an den Tag zu legen? In der aktuellen Wirtschaftsliteratur, aber auch in der Praxis, begegnet einem in diesem Zusammenhang häufig die Unterscheidung zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation. Ist man intrinsisch motiviert, tut man etwas um der Sache willen, bei extrinsischer Motivation verfolgt man hingegen eine Aktivität, um ein der Sache fremdes Ergebnis zu erzielen. Spiele ich beispielsweise Gitarre, weil mir das Spielen Freude bereitet, bin ich intrinsisch motiviert. Spiele ich hingegen, um Geld...