Deffner / Pauly / Pregel | Griechische Einladung in die Politik | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 200 Seiten

Deffner / Pauly / Pregel Griechische Einladung in die Politik

Erzählungen, Geheimnisse und Rezepte
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-95771-026-0
Verlag: Größenwahn Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Erzählungen, Geheimnisse und Rezepte

E-Book, Deutsch, 200 Seiten

ISBN: 978-3-95771-026-0
Verlag: Größenwahn Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



In Griechenland ist die Politik in aller Munde. Jeder, der einmal im Kafeníon seinen Frappé getrunken hat, kennt dieses Phänomen von den Nachbartischen. Es wird temperamentvoll diskutiert, mit Händen und Füßen gestikuliert und jedes Handeln von Regierung sowie Abgeordneten lautstark kommentiert. Nicht selten werden markante Figuren der griechischen Geschichte in Erinnerung gebracht und mit den heutigen Politikern verglichen. Streitereien unter den versammelten Gästen sind vorprogrammiert: Ideologien, die wirtschaftliche Situation, nationale Angelegenheiten und mediterranes Klima sorgen dafür, dass es heiß und hoch hergeht. Der Wirt stellt Ouzo, Wasser und Mesédes auf den Tisch, und unsere Autoren reichen Geschichten, Erzählungen und Gedichte dazu. Von Alexander dem Großen, dem Beginn der Demokratie in Athen über Melina Mercouris´ Idee der Kulturhauptstädte Europas bis hin zur Finanzkrise - die Themen sind vielfältig, genau wie die köstlichen Gerichte, die dazwischen serviert werden. In diesem Sinne: Jámas und kali órexi.

Autoren: Werner Weimar-Mazur, Antonia Pauly, Ute Altanis-Protzer, Fotini Tsalikoglou, Paul Gourgai, Petra Ewering, Andrea Dimitriadis, Thomas Pregel, Niki Eideneier, Judith Schiebel, Th. Chrysanthopoulos , Günter Lauke, Edit Engelmann, Annerose Scheidig, Heinz Zander, Melina Mercouri, L. Chrysanthopoulos, Vougar Aslanov, Elena Chouzouri, Wolfgang Schulze, Maria Galitsas, Steffen Marciniak, Andreas Deffner, William Mallinson, Kristina Edel, Martin Knapp, Marion Schneider, Sevastos P. Sampsounis

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Weitere Infos & Material


Vorwort
HELLAS 1980
DIE KYNIKER
DIE STUNDE DES STERNS
25. MÄRZ 1821
DAS HAUS IM SÜDEN
DAS BLUTBAD DES ARES
SPÄTER BESUCH
BLITZE ÜBER DEM BERG ATHOS
ZWEI LÄNDER ALS HEIMAT UND DOCH FREMD?
POLIZEIBESUCH
DIE KÖNIGIN
WINTERMEYER UND DIE WAFFEN
WO IST DAS GELD GEBLIEBEN?
SOZIALER ABSTIEG
VOM GRIECHEN, DER NICHT SPAREN WOLLTE
FREIHEIT UND DEMOKRATIE HABEN IHREN PREIS
WIE DIE KARTOFFEL NACH HELLAS KAM
ALEXANDER MIT DEM HÖRNCHEN
DIE REPATRIIERTE VERWANDTE
GUTES WIE ANDRES
ZU LANDE, ZU WASSER UND IN DER LUFT
DAS ENDE DER TYRANNIS
OTTOS ANKUNFT
WARTEN BIS MAN WEIS WIRD
ZWISCHEN HELLENISTEN UND KEMALISTEN
SEEIGEL
SOKRATES UND MARKELA
MÖGE DAS VOLK DIE MACHT HABEN
IN GRIECHENLAND WEINEN DIE MENSCHEN NIE
Biograpfisches


DIE KYNIKER
Antonia Pauly Komm, setz dich!« Der alte Vassilis deutet auf die Holzbank, die fast die ganze Länge der einen Wand in seiner Küche einnimmt. »Möchtest du ein Glas Wein?« »Ja, gerne«, stimmt Eleni zu. »Und ein Glas Wasser, bitte. Es ist schon ganz schön warm für Mai.« Vassilis stellt ein größeres Glas und eine Plastikflasche Wasser vor sie hin und ergreift dann zwei kleinere Gläser, die er aus einem Weinfass, das in einer Ecke des Raumes steht und nie zu versiegen scheint, füllt. Eleni nimmt am oberen Ende der Bank Platz, der Sitzgelegenheit, die, seit sie bei dem alten Schreiner zur Miete wohnt, zu einer Art Stammplatz für sie geworden ist. Vassilis setzt sich wie üblich auf einen einfachen Stuhl mit geflochtener Sitzfläche am Kopfende des Tisches. Er stellt die gefüllten Weingläser ab, steht dann aber gleich noch einmal auf und verteilt Oliven, Sardellen und ein Stück Feta auf kleine Tellerchen. Eleni Mylona lehnt sich zurück und krault mit der linken Hand den struppigen, grauen Nacken von Vassilis’ Hund, der, wann immer sie auftaucht, sogleich ihre Nähe sucht. »Wie alt ist Herakles eigentlich?«, fragt sie ihren Vermieter. »Wenn seine natürliche Fellfarbe nicht sowieso grau wäre, dann würde er mittlerweile sicherlich ergrauen.« Vassilis lächelt milde. »Er ist jetzt fast zehn Jahre bei mir und war etwa ein halbes Jahr alt, als er hier auftauchte.« »Das ist für einen so großen Hund schon ein stolzes Alter, oder?« Der dicke Kopf des Tieres schmiegt sich an Elenis Bein. »Kann man wohl sagen«, bestätigt Vassilis und wirft Herakles einen zärtlichen Blick aus seinen klaren, blauen Augen zu. Sie wirken in dem ganzjährig gebräunten und wettergegerbten Gesicht des Alten auffällig hell. Auch sein schlohweißes Haar mit den lang getragenen Koteletten bildet einen aparten Kontrast zu seiner dunklen Hautfarbe. Das Verhältnis, das der alte Mann zu seinem Hund hat, war Eleni von Anfang an aufgefallen und hat ihn ihr noch sympathischer gemacht. Tierliebe wird in Griechenland nicht gerade großgeschrieben und Menschen, die einen Hund nicht nur an der Kette halten und mit dürftigen Essensresten versorgen, bilden die Ausnahme. Eleni, die zwischen Griechenland und Deutschland aufgewachsen ist, hat sich mit der Art der griechischen Tierhaltung schon immer schwer getan und ist froh, in Vassilis eine der seltenen Ausnahmen von der Regel zu sehen. »Als ich gestern mit Alekos telefoniert habe, hat er mir etwas Schreckliches über Hunde in amerikanischen Tierheimen erzählt, was ihm zu Ohren gekommen ist«, berichtet Eleni. »Ja, richtig, dein Sohn ist ja zurzeit in New York! Wie geht es ihm?«, erkundigt sich der Alte. »Gut geht es ihm. Er macht wohl in jeder Hinsicht recht intensive Erfahrungen.« Eleni krault Herakles’ dichtes Nackenfell, wobei dieser genießerisch die Augen schließt. »Was ich sagen wollte: Alekos hat gehört, dass in den Staaten alle Hunde – unabhängig von Alter, Rasse und Gesundheitszustand – nach exakt einer Woche Aufenthalt in einem Tierheim eingeschläfert werden.« Vassilis lässt ein missbilligendes »Ts« vernehmen, während er die Teller mit den Appetithäppchen am oberen Ende des Tisches platziert, noch ein paar Scheiben dunkles Brot dazulegt und seine hagere, sehnige Gestalt dann auf den Stuhl sinken lässt. Die Gespräche bei einem Glas Wein sind den beiden schon lange zu einem Ritual geworden. Kommissarin Eleni Mylona ist nach wie vor überglücklich, dass sie damals, als sie vor knapp zweieinhalb Jahren die Stelle auf Zakynthos angenommen hatte, ausgerechnet die Wohnung im Dachgeschoss des Schreinerhauses fand, welche der alte Mann ursprünglich für seine Tochter hergerichtet hatte, die jedoch seit vielen Jahren im Ausland lebt und nur selten von sich hören lässt. Von ihrer Bleibe aus ist Eleni in nur wenigen Autominuten in der Stadt, hat aber dennoch die Ruhe, nach der es ihr verlangte, als sie den Dienst bei der Kölner Polizei quittiert hatte. Außerdem bietet ihre Wohnung einen phänomenalen Ausblick aufs Meer. Die Annehmlichkeiten der Wohnsituation gesellen sich zu der sympathischen Person des Vermieters. An Vassilis schätzt Eleni nicht nur die liebenswerte Gesellschaft, sondern sie profitiert bei den Plaudereien mit ihm auch immer wieder von seinen unglaublichen Kenntnissen der antiken Mythologie. »Ich überlege gerade«, meint Eleni kauend, während sie sich eine Olive in den Mund steckt und mit der anderen Hand weiter Herakles’ breiten Kopf tätschelt, »wie die mythologische Gestalt heißt, die in einen Hund verwandelt wird. Ich glaube …«, sie spuckt den Olivenkern in ihre Hand und legt ihn auf dem dafür vorgesehenen Tellerchen ab, »es war eine Frau aus der Ilias«. Vassilis nickt und will schon mit einer Erklärung ansetzen, doch Eleni hebt die Hand und bittet: »Warte! Mir fällt der Name gleich ein.« Ihr Wissen auf diesem Gebiet ist zwar im Vergleich zu dem des Alten eher als rudimentär zu bezeichnen und stammt überwiegend noch aus Schulzeiten, aber sie ist jedes Mal stolz, wenn sie etwas beitragen kann. »Ich hab’s!«, ruft sie begeistert aus. »Hekate!« Eleni klatscht in die Hände. »Stimmt’s?« »Fast«, bescheinigt Vassilis ihr nickend. »Wieso nur fast?« Enttäuschung breitet sich auf den Gesichtszügen der Kommissarin aus. »Du verwechselst Hekate mit Hekabe. Das passiert allerdings vielen«, beruhigt er sie. »Das klingt aber auch verdammt ähnlich! Und welche hat nun etwas mit einem Hund zu tun?«, hakt Eleni nochmals nach. »Beide«, schmunzelt Vassilis. »Die Gestalt aus der Ilias, die du meinst, heißt Hekabe, mit ›b‹. Sie war die Gattin des Königs Priamos von Troja und somit die Mutter von Hektor, Paris, Polydoros, Kassandra und noch einigen mehr. Ihr war ein wahrlich grausames Schicksal beschieden.« Der Alte hält inne und kaut gemächlich eine Sardelle, die er mit einem Schluck Wein hinunterspült. »Hekabe musste bei der Zerstörung Trojas den Tod ihres Gemahls und all ihrer Kinder mit ansehen. Selbst wurde sie als Sklavin dem Odysseus zugesprochen.« »Und dann wurde sie in einen Hund verwandelt«, versucht Eleni die Geschichte zu Ende zu bringen. »Nicht so schnell. Da gibt es, wie so oft, unterschiedliche Überlieferungen. Manche setzen Hekabes Verwandlung in eine Hündin gleich nach dem Tod des Priamos an. Grund für ihre Metamorphose sind in dieser Version ihre andauernden Schmähungen gegen die Griechen. Hast du hierzu irgendeine Assoziation?« Vassilis schaut Eleni über die Tischkante hinweg fragend an. »Zu Hund und Schmähungen, meine ich«, konkretisiert der Alte, der wieder einmal mehr einem Philosophen als einem Handwerker gleicht. Die Kommissarin muss nur kurz nachdenken. »Die Kyniker? Möchtest du das hören?« »Ausgezeichnet«, lobt Vassilis und holt dann aus: »Die Kyniker, deren Name sich vom altgriechischen Wort für ›Hund‹ ableitet, eine philosophische Richtung, die gedanklich an Sokrates anknüpfte, hatte eine Haupttugend: die Bedürfnislosigkeit.« »Wie die Hunde eben«, wirft Eleni ein. »Bedürfnislos wie Hunde, ja. Den Kynikern ging es mit der Bedürfnislosigkeit vor allem um die Sicherung ihrer Unabhängigkeit. Sie lehnten Staat und Familie ebenso ab wie Güter, Wissenschaft und Kultur. Dass sie mit dieser extremen Lebenseinstellung massiv aneckten, versteht sich von selbst. So kam es zu der negativen Ausprägung der Begriffe ›Zynismus‹ und ›zynisch‹. Aber zurück zu Hekabe.« Der Alte greift nach seiner Pfeife, die auf einem Wandbord liegt, und hält ein Streichholz an den noch im Kopf befindlichen Tabak. Bedächtig schmaucht er die Pfeife an und fährt in seiner ruhigen Art fort: »Hekabe stürzt sich in der berichteten Version nach ihrer Verwandlung ins Meer. In anderen Schriftquellen übt sie noch Rache, bevor sie die Gestalt einer Hündin annimmt. Sie blendet Polymestor, den Mörder ihres jüngsten Sohnes Polydoros. Bei Euripides beispielsweise ist Hekabe diese rachsüchtige Furie. Aber auch in seiner Tragödie wird Hekabe zuletzt in eine Hündin verwandelt.« Dicke Qualmwolken steigen aus Vassilis’ Pfeife, als er einige genüssliche Züge nimmt. »Das ist also Hekabe mit ›b‹«, stellt Eleni befriedigt fest. »Und wer ist nun Hekate, mit ›t‹, wie ich die Figur, die ich meinte, fälschlich genannt habe?« »Hekate«, gibt Vassilis bereitwillig Auskunft, »war eine Titanentochter, entstammt...



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