Departement Bildung / Bildung | Gesundheitsförderung für Lehrpersonen und Schulleitungen (E-Book) | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 152 Seiten

Reihe: Preselect

Departement Bildung / Bildung Gesundheitsförderung für Lehrpersonen und Schulleitungen (E-Book)

Ein Praxishandbuch für eine gute Schulentwicklung
2. Auflage, Überarbeitete Ausgabe 2015
ISBN: 978-3-0355-0449-1
Verlag: hep verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

Ein Praxishandbuch für eine gute Schulentwicklung

E-Book, Deutsch, 152 Seiten

Reihe: Preselect

ISBN: 978-3-0355-0449-1
Verlag: hep verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Wer im Lehr- und Schulleitungsberuf gesund bleiben möchte, trägt nicht alleine die Verantwortung dafür, sondern ist darauf angewiesen, dass auch institutionelle Rahmenbedingungen gesundheitsfördernd gestaltet werden. Dieses Handbuch legt einen gesundheitsfördernden und ressourcen-orientierten Blick auf die schulische Gesundheitsförderung für Lehrpersonen und Schulleitungen. Dabei zeigt es den Zusammenhang zwischen Gesundheitsförderung und Schulentwicklung auf. Die vorliegenden Beiträge stammen von verschiedenen Expertinnen und Experten im Bereich 'Schule und Gesundheit' des deutschsprachigen Raums.
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Mit »Leitbild« bezeichnen wir Vorstellungen – eben Bilder – davon, wie wir in unseren verschiedenen beruflichen und privaten Rollen »richtig« handeln, um in Einklang mit uns selbst zu sein, von anderen akzeptiert zu werden oder bestimmte Ziele zu erreichen. Es ist Victor Frankl zuzustimmen, wenn er sagt: »Im Gegensatz zum Tier sagt dem Menschen kein Instinkt, was er muss, und im Gegensatz zum Menschen in früheren Zeiten sagt ihm keine Tradition mehr, was er soll – und nun scheint er nicht mehr recht zu wissen, was er eigentlich will« (Frankl 2013, S. 24). Deswegen bleibt uns nicht erspart, für unsere verschiedenen Aufgaben und Rollen selbst Leitbilder zu entwickeln oder im Lauf unserer Sozialisation übernommene Leitbilder kritisch zu prüfen. Davon handelt dieses Kapitel; es möchte Sie animieren, sich mit Ihren Leitbildern auseinanderzusetzen. 2.1 Leitbilder als Orientierungshilfe
Leitbilder haben auf unseren beruflichen und privaten Alltag sowie auf unsere mittel- und langfristige Lebensperspektive prägenden Einfluss. Sie motivieren uns – bewusst oder unbewusst – zu bestimmtem Verhalten, Fühlen und Denken und halten uns von anderen Verhaltensweisen und Gedanken ab. Sie geben uns Orientierung, welche Ziele wir für uns selbst erstrebenswert finden und anstreben wollen. Sie steuern unsere Interaktionen, d. h., was wir bei anderen bewirken wollen und was sich andere uns gegenüber erlauben dürfen. Sie geben dem Einzelnen gleichsam wie Normen Entscheidungshilfe und Vergewisserung über das für ihn richtige Denken und Handeln. Wir rechtfertigen damit unser Tun und Lassen vor uns selbst und gegenüber anderen, und wir fühlen uns im Reinen, wenn wir uns leitbildgemäß verhalten. Dabei schreiben wir unseren Leitbildern unterschiedliche Grade von Verbindlichkeit zu. Es gibt solche, die unbedingt beachtet werden müssen, für die wir auch notfalls kämpfen, andere sollten nach Möglichkeit befolgt werden und wieder andere entsprechen eher dem Motto »nice to have«. 2.2 Leitbilder entscheiden über die Akzeptanz von Veränderungen
Leitbilder entscheiden auch mit, ob und wie wir uns auf Veränderungen einlassen. Ein Vorsatz, ein Bedarf oder ein Bedürfnis nach Veränderung werden mit größerer Wahrscheinlichkeit realisiert, wenn sie mit den Forderungen aus unseren Leitbildern zusammenpassen (Sieland & Heyse, 2010). So ist zu erwarten, dass z. B. Vereinbarungen in einem Kollegium, so weit wie möglich offene Unterrichtsformen zu praktizieren, vermutlich von den einzelnen Lehrpersonen zuverlässiger eingehalten werden, wenn sie selbst der Überzeugung sind, dass Schülerinnen und Schüler auch lernen, wenn sie Spielräume in Bezug auf Inhalte, Wege und Zeiten erhalten. 2.3 Leitbilder sind rollenspezifisch
In den verschiedenen Rollen im privaten und beruflichen Feld gelten unterschiedliche Leitbilder, z. B. als (Ehe-)Partner oder Partnerin, Mutter/Vater, Sohn/ Tochter, Bruder/Schwester bzw. als Lehrperson, Kollegin und Kollege, Klassen-/ Fachlehrerin oder -lehrer, Führungsperson, Autofahrerin, Restaurantbesucher usw. Bernhard Sieland spricht von »Rollenhaushalt« (Sieland & Heyse, 2010). Diese Leitbilder müssen keineswegs konsistent sein; sie können in den verschiedenen Rollen und Lebensräumen sogar diametral auseinanderfallen. Die liebevolle Mutter kann sich als Lehrerin ihren Schülerinnen und Schülern gegenüber durchaus abweisend und erniedrigend verhalten. Rollenspezifische Leitbilder können einander sogar widersprechen und uns in innere und äußere Konflikte bringen. Das Bemühen z. B., die beruflichen Anforderungen möglichst perfekt zu erfüllen, kann kollidieren mit dem gleichzeitig bestehenden Leitbild vom fürsorglichen Familienvater oder dem engagierten Verbandsfunktionär. 2.4 Leitbilder entwickeln sich
Leitbilder entwickeln sich in der Regel ohne die bewusste Entscheidung einer Person, so zu sein oder zu werden wie eine andere Person. Zunächst sind sie überwiegend an den Menschen des engeren und weiteren Umfelds ausgerichtet. Die Interaktion mit den ersten Bezugspersonen lässt uns lernen, welches Verhalten, Denken, Sprechen in Familie, Schule und Freundeskreis akzeptiert wird und welches nicht, welche Lebensmaximen gelten. Werden diese Erfahrungen verinnerlicht, zur eigenen Handlungsorientierung übernommen, bekommen sie – oder aber ihr Gegenteil – Leitbildcharakter. Die Pubertät ist die Zeit, in der diese frühen Leitbilder infrage gestellt, durch andere ersetzt werden – manchmal nur vorübergehend, bis man merkt, dass sie doch nicht so schlecht waren. Mit zunehmender Erweiterung des persönlichen Horizonts steht prinzipiell eine sehr facettenreiche Palette an Mustern zur Verfügung: religiöse, ethisch-moralische, philosophische, politische, wirtschaftliche, pädagogische Konzepte, Ideen, Theorien, Ziele, Orientierungen – oder auch »öffentliche« Personen aus Literatur, Sport, Musik, Fernsehen usw. Sich daraus einen roten Faden für den Lebensplan zu knüpfen (Keupp, 2013), ist eine Herausforderung. Frühere Generationen – vor nicht allzu langer Zeit – konnten da auf bewährte Lebensmuster zurückgreifen (siehe Zitat V. Frankl, S. 29), die quasi als »Schnittmuster« für die Lebensführung (Keupp et al., 2006) dienten. Die Individualisierung einerseits und die globalen Angebote von Lebensentwürfen andererseits machen es zu einer geradezu »unternehmerischen Leistung« (Bröckling, 2007), seinen Lebensweg zu gestalten. Allerdings halten unsere Leitbilder nicht »ewig«; sie verändern sich – z. B. in den Lebensphasen, mit unserer persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung und als Reaktion auf die Entwicklungen der Rollenpartner (Willi, 2007). Auch gesellschaftliche, ökonomische, ökologische und politische Veränderungen beeinflussen unsere Leitbilder. Zudem besteht zwischen Rolle und Leitbild ein wechselseitiges Verhältnis: Rollenänderungen, z. B. durch den Wechsel vom Single zum Ehepartner oder durch eine Beförderung vom Lehrer zum Schulleiter, verlangen auch Anpassungen bzw. Neudefinition der Leitbilder. Andererseits kann die Neujustierung eines Leitbilds zur Veränderung bisherigen Rollenverhaltens oder zur Übernahme neuer Rollen führen, z. B. wenn ein erfolgreicher Investmentbanker aussteigt, weil ihm seine finanziellen Aktionen fragwürdig werden. Irritierend finden wir es allerdings, wenn Menschen ihre Leitbilder ständig wechseln oder inkonsistent damit umgehen; dies beeinträchtigt die Verlässlichkeit und das Vertrauen. 2.5 Kooperative Klärung von Leitbildern
Seinen eigenen Leitbildern kann man in Ansätzen durch Nachdenken auf die Spur kommen. Es gibt dazu aber auch diagnostische Instrumente zur Selbsterkundung, z. B. informelle, teilweise auch objektivierte und standardisierte Fragebogen – sofern man sich selbst gegenüber ehrlich ist. Hilfreicher noch scheint die Auseinandersetzung mit anderen Personen, »kritischen Freunden«, die als Spiegel dienen können, ungewohnte Perspektiven aufzeigen, auf blinde Flecken aufmerksam machen, Selbstverständlichkeiten infrage stellen (siehe Kapitel 3 »Spiegelkabinett – Wer bin ich, wer kann ich sein und woher weiß ich das?« und Kapitel 4 »Teamarbeit zwischen Belastung und Bereicherung«). Das Lernarrangement KESS z. B., die »Kooperative Entwicklungsarbeit zur Stärkung der Selbststeuerung« von Bernhard Sieland (Sieland & Heyse, 2010) bietet Anleitungen dafür, wie man in solchen »Entwicklungsteams« Klarheit über sich selbst und seine Ziele erhalten und sich gemeinsam auf neue Wege und Ziele einlassen kann. 2.6 Leitbild und Gesundheit
Die Auseinandersetzung mit seinen eigenen Leitbildern ist auch unter dem Gesichtspunkt der Gesunderhaltung angezeigt. Psychische Gesundheit kann als lebenslange Aufgabe verstanden werden (Heyse, 2011), immer wieder ein Gleichgewicht herzustellen zwischen ¦seinen beruflichen und privaten Aufgaben, externen Erwartungen, Anforderungen und Belastungen, also dem SOLLEN, ¦seinen Zielen, Ansprüchen, subjektiven Theorien, Qualitätsmaßstäben, Erwartungen, also seinem WOLLEN und ¦seinem KÖNNEN, d. h. seinen kognitiven, emotionalen, sozialen und personalen Ressourcen, Fähigkeiten und Kenntnissen. Unter dem Gesundheitsaspekt nimmt das WOLLEN eine besondere Stellung ein. Leitbilder manifestieren sich in unseren Zielen, Ansprüchen, subjektiven Theorien, Qualitätsmaßstäben, Wertvorstellungen. Unser WOLLEN (bzw. Nicht WOLLEN) definiert im Verhältnis zum KÖNNEN und SOLLEN, was wir als Herausforderung, Bewährung, Erfolg, Beglückung und Zufriedenheit erleben oder als Scheitern, Hindernis, Versagen, Fehler, Beeinträchtigung und Überforderung betrachten. Dabei kann ein leichtes Übergewicht des WOLLENs Ansporn für die eigene Weiterentwicklung sein, damit man nicht selbstgenügsam und das Leben langweilig wird. Wer sich jedoch immer wieder mit selbst gesetzten oder fremd bestimmten Zielen, die er durch eigenes Handeln auch nicht annähernd erreichen kann, überfordert, riskiert permanente Versagenserlebnisse mit der Folge der Resignation und der Gefahr von Depressionen. In diesem Zusammenhang empfiehlt sich die kritische Auseinandersetzung mit den eigenen sogenannten inneren Antreibern. Darunter versteht man als Leitbilder wirksame Lebensmaximen, die wir im Lauf unserer Sozialisation erwerben, etwa: »Du bist nur was, wenn du was leistest«, »Mach es allen recht« oder »Du musst immer Sieger sein, lass dir nichts gefallen«. Andernfalls sind diese Imperative ein sicherer Weg, aus einem Leitbild ein Leidbild...



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