Die Mühle am Floss | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 736 Seiten

Reihe: Reclam Taschenbuch

Die Mühle am Floss

E-Book, Deutsch, 736 Seiten

Reihe: Reclam Taschenbuch

ISBN: 978-3-15-962004-6
Verlag: Reclam Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Das Leben ist nicht leicht für die ungestüme Maggie Tulliver, die ihren Bruder Tom verehrt und verzweifelt versucht, die Anerkennung ihrer Eltern zu gewinnen. Dennoch ist es eine unbeschwerte Kindheit, die sie in der idyllischen Umgebung der Dorlcoter Mühle verlebt - bis der Vater die Mühle verliert und Tom die Schulden der Familie begleichen muss. Zunehmend gerät Maggie zwischen die Fronten der vier Männer in ihrem Leben: des Vaters, ihres Bruders, eines Verehrers und ihres Jugendfreunds, der zufällig der Sohn des Erzfeindes ihres Vaters und Bruders ist. Die ergreifende Geschichte eines ungleichen Geschwisterpaars, die nach vielen Wirrungen in einer alles verschlingenden Flutkatastrophe endet, gilt als Eliots autobiographischster Roman. - Mit einer kompakten Biographie der Autorin.
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Kapitel 2 Mr Tulliver von der Dorlcoter Mühle erklärt, was er Toms wegen beschlossen hat
»Was ich will, weißt du«, sagte Mr Tulliver, »was ich will, ist, Tom ’ne gute Ausbildung zu geben, eine, wo er sein Brot mit verdienen kann. Das war’s, was ich im Kopf hatte, als ich ihn zu Mariä Verkündigung von der Lehranstalt abgemeldet hab. Ich will ihn jetzt zu Mittsommer auf ’ne richtig gute Schule schicken. Die zwei Jahr’ auf der Lehranstalt hätten ja wohl gereicht, wenn ich aus ihm ’nen Müller oder Bauern machen wollte, denn er hat jetzt schon mehr Schule gehabt als ich in meinem ganzen Leben. Die Gelehrsamkeit, für die mein Vater bezahlt hat, war Prügel auf der einen Seite und das Alphabet auf der andern. Aber Tom soll so was wie ’n Gelehrter sein, damit er mit den Tricks mitkommt, die diese Kerle gebrauchen, die gut reden und verschnörkelt schreiben können. Er könnt’ mir dann bei den Prozessen und Schlichtungen und all dem helfen. Ich will kein’ richtigen Advokaten aus dem Jungen machen – es tät’ mir leid, wenn er ein Schurke würde – aber so ’nen Ingenieur oder Verwalter oder ’nen Auktionator und Schätzer, wie Riley, oder ein’ von diesen schlauen Geschäftsleuten, die nur Gewinn haben und nie Ausgaben, außer für ’ne schwere Uhrkette und ’nen hohen Bürostuhl. Das ist fast alles dasselbe, und die kommen auch mit dem Gesetz ins Reine, glaub ich, denn Riley sieht dem Advokaten Wakem so scharf ins Gesicht wie eine Katze der andern. Er hat keine Angst vor ihm.« Mr Tulliver sprach zu seiner Gattin, einer hübschen blonden Frau mit einem fächerförmigen Häubchen. (Es ist jetzt schon furchtbar lange her, dass fächerförmige Häubchen getragen wurden – demnach müssten sie bald wieder in Mode kommen. Damals, als Mrs Tulliver fast vierzig war, waren sie neu in St. Ogg’s, und man fand sie entzückend.) »Ja, Mr Tulliver, du weißt es am besten; ich hab nichts dagegen. Aber sollt’ ich nicht lieber ein paar Hühner schlachten und die Tanten und Onkel nächste Woche zum Essen einladen, so dass du hören kannst, was Schwester Glegg und Schwester Pullet dazu zu sagen haben? Ein paar Hühner müssen sowieso bald geschlachtet werden!« »Du kannst jedes Huhn auf dem Hof schlachten, wenn du willst, Bessy, aber ich werde weder Tante noch Onkel fragen, was ich mit meinem eigenen Jungen machen soll«, sagte Mr Tulliver herausfordernd. »Meiner Seel!«, sagte Mrs Tulliver, erschreckt über diese angriffslustige Redeweise. »Wie kannst du so sprechen, Mr Tulliver? Aber so verächtlich sprichst du ja immer von meiner Familie, und Schwester Glegg sagt, ich sei schuld, obwohl ich doch so unschuldig bin wie ein ungeborenes Kind. Ich hab doch noch nie gesagt, es sei nicht gut für meine Kinder, dass sie Onkel und Tanten haben, die über genug zum Leben verfügen. Doch wenn Tom auf eine neue Schule gehen soll, dann hätt’ ich’s gern, wenn er wohin ginge, wo ich für ihn waschen und flicken kann; sonst bekommt er besser Kattun als Leinen, weil ja eins so vergilbt ist wie das andre, bevor es ein halbdutzendmal gewaschen ist. Und dann könnt’ ich dem Jungen, wenn der Koffer hin- und hergeht, einen Kuchen schicken oder Schweinspastete oder einen Apfel, denn er kann wohl was extra gebrauchen, der Gute, egal, ob sie das Essen knapp bemessen oder nicht. Meine Kinder können so viel essen wie andere auch, Gott sei’s gedankt.« »Schon gut, wir werden ihn nicht außer Reichweite des Botenwagen schicken, wenn sich was Passendes findet«, sagte Mr Tulliver. »Aber du darfst uns wegen der Wäsche keine Steine in ’n Weg legen, wenn wir keine Schule in der Nähe bekommen können. Das will mir nicht recht gefallen, Bessy, dass du immer, wenn du ’nen Knüppel im Weg liegen siehst, meinst, du könntst nicht drübersteigen. Du würdst mich wohl noch dran hindern, einen guten Fuhrmann einzustellen, nur weil er ’n Muttermal im Gesicht hätt’.« »Meiner Seel!«, sagte Mrs Tulliver in milder Überraschung. »Wann hab ich je was gegen einen Mann gesagt, nur weil er ein Muttermal im Gesicht hatte? Ich mag doch Muttermale sogar gern, weil mein Bruder, der nun schon unter der Erde ist, ein Muttermal auf der Stirn hatte. Aber ich kann mich nicht erinnern, dass du je einen Fuhrmann mit einem Muttermal hättst einstellen wollen, Mr Tulliver. Da war John Gibbs, und der hatte ebenso wenig ein Muttermal, wie du eins hast, und ich war doch ganz dafür, dass du ihn einstellst, und so hast du’s getan, und wenn er nicht an Lungenentzündung gestorben wär’, als wir Dr. Turnbull noch für die Behandlung bezahlt haben, dann würd’ er sehr wahrscheinlich heut noch den Wagen fahren. Vielleicht hatte er ein Muttermal irgendwo, wo man es nicht sehen kann, aber wie sollt’ ich das wohl wissen, Mr Tulliver?« »Nein, nein, Bessy, es ging mir ja gar nicht um das Muttermal; ich wollt’ damit was anderes sagen, aber gleichviel – Reden ist ein verwirrendes Geschäft. Ich denk drüber nach, wie man am besten die richtige Schule für Tom findet, denn ich könnt’ wieder Pech haben, wie mit der Lehranstalt. Ich will nie wieder was mit ’ner Lehranstalt zu tun haben; auf welche Schule ich Tom auch schicke, es wird keine Lehranstalt sein, es soll eine sein, wo die Jungen ihre Zeit anders zubringen als mit Schuheputzen für die Familie und Kartoffellesen. Es ist ’ne ganz ungewöhnlich schwierige Sache, rauszufinden, was für ’ne Schule man am besten nimmt.« Mr Tulliver schwieg eine Minute oder zwei und schob die Hände tief in beide Hosentaschen, als ob er hoffte, dort einen Vorschlag zu finden. Offensichtlich wurde er nicht enttäuscht, denn schon sagte er: »Ich weiß, was ich tun werd – ich werd’s mit Riley besprechen. Er kommt morgen wegen dem Wehr, um zu schlichten.« »Nun, Mr Tulliver, ich hab die Laken für das beste Bett rausgelegt, und Kezia hat sie ans Feuer gehängt. Es sind nicht die besten Laken, aber sie sind gut genug, dass jemand drin schlafen kann, wer’s auch sei; denn was die besten Leinenlaken angeht, so würd’ ich’s bereuen, dass ich sie gekauft hab, wenn wir nicht drin aufgebahrt werden würden. Und wenn du morgen sterben solltest, Mr Tulliver, sie sind wunderbar geplättet und bereit und riechen nach Lavendel, so dass es ’ne Freude wär’, sie auszubreiten; und sie liegen links in der großen eichenen Wäschetruhe ganz hinten, und ich würd’s nie jemandem außer mir anvertrauen, sie rauszunehmen.« Als Mrs Tulliver den letzten Satz aussprach, zog sie einen Bund glänzender Schlüssel aus der Tasche, hielt einen davon hoch und rieb zufrieden lächelnd mit Daumen und Finger daran entlang, während sie ins helle Feuer sah. Wäre Mr Tulliver hinsichtlich seiner ehelichen Verbindung ein empfindlicher Mann gewesen, so hätte er vermuten können, dass sie den Schlüssel nur herauszog, um ihrer Vorstellungskraft nachzuhelfen, mit der sie bereits den Zeitpunkt sah, da er in einem Zustand sein würde, der das Hervorholen der besten Leinenlaken rechtfertigte. Glücklicherweise war er das nicht, er war nur empfindlich, wenn es um sein Recht auf die Wasserkraft ging. Überdies hatte er die Angewohnheit aller Ehemänner, nicht genau hinzuhören, und seit seiner Erwähnung von Mr Riley war er ganz offensichtlich mit dem prüfenden Befühlen seiner Wollstrümpfe beschäftigt gewesen. »Ich glaub, ich hab’s getroffen, Bessy«, war seine erste Bemerkung nach kurzem Schweigen. »Riley ist doch wohl ’n Mann, der ’ne Schule wissen sollte; er ist selbst zur Schule gegangen und kommt viel rum zum Schätzen und Schlichten und all dem. Und wir werden morgen Abend Zeit haben, drüber zu reden, wenn das Geschäftliche erledigt ist. Ich möchte, dass Tom so ’n Mann wird, wie Riley einer ist, weißt du – der so gut reden kann, als ob’s alles für ihn aufgeschrieben wär’, und der ’ne Menge Wörter kennt, die nicht viel bedeuten, so dass man sie bei Gericht nicht zu fassen kriegt, und der dazu ’ne solide Kenntnis vom Geschäft hat.« »Na ja«, sagte Mrs Tulliver, »wenn’s drum geht, schön zu reden und alles zu wissen und mit gebeugtem Rücken zu gehen und das Haar zurückzukämmen, so hätt’ ich ja nichts dagegen, wenn der Junge so erzogen würde. Aber diese schönredenden Männer aus den großen Städten tragen meistens ’ne falsche Hemdbrust, und sie tragen ’ne Krause, bis sie ganz unordentlich ist, und verbergen sie dann unter ’nem Latz; ich weiß, dass Riley das tut. Und dann, wenn Tom nach Mudport gehen und da wohnen soll, wie Riley, dann wird er ein Haus haben mit ’ner Küche, in der man sich vor lauter Enge kaum umdrehen kann, und er wird niemals frische Eier zum Frühstück bekommen und drei Treppen hoch schlafen, wenn nicht vier, was weiß ich, und er wird verbrannt sein, bevor er runterkommen kann.« »Nein, nein«, sagte Mr Tulliver. »Ich denke nicht daran, dass er nach Mudport gehen soll. Ich möcht’, dass er sich ein Büro in St. Ogg’s einrichtet, bei uns in der Nähe, und zu Hause wohnt. – Aber«, fuhr Mr Tulliver nach einer Pause fort, »wovor ich etwas Angst hab, ist, dass Tom nicht die rechte Sorte Verstand hat für ’nen gewitzten Mann. Ich mein, er ist ein bisschen langsam. Er schlägt nach deiner Familie, Bessy.« »Ja, das tut er«, sagte Mrs Tulliver und nahm die letzte Behauptung als ein für sich sprechendes Urteil auf. »Es ist wunderbar, dass er so gern ordentlich viel Salz in der Brühe mag. Genauso war’s bei meinem Bruder, und davor bei meinem Vater.« »Trotzdem scheint es doch ein wenig...


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