E-Book, Deutsch, 468 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
Dietl / Hennecke Ausbildung 4.0
2. Auflage 2021
ISBN: 978-3-648-14758-0
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Digitale Transformation in der Berufsausbildung gestalten und nutzen
E-Book, Deutsch, 468 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
ISBN: 978-3-648-14758-0
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Stefan Dietl Stefan Dietl ist Leiter des Bereichs Ausbildung national/international bei Festo. Er ist jahrelanger Dozent der Haufe Akademie, fachlicher Leiter des schriftlichen Lehrgangs 'Ausbildungsmanagement' bei Haufe und Fachautor. Marcus Hennecke Marcus Hennecke ist Berufs- und Betriebspädagoge mit Schwerpunkt auf Personalwesen und Diagnostik. Derzeit ist er zuständig für das Changemanagement eines Konzerns.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
Weitere Infos & Material
Inhaltsverzeichnis
Vorwort zur zweiten aktualisierten und erweiterten Auflage
Vorwort zur Erstauflage
Ausbildung 4.0 - wie sich die Digitalisierung auf die berufliche
Bildung auswirken kann und welche Ansätze es gibt
1 Digitale Transformation in der beruflichen Bildung -
Versuch eines Ansatzes für den Ausbildungsalltag
Stefan F. Dietl
2 Gehirn 1.0 vs. Welt 4.0: Müssen wir Ausbildung neu (er-)finden?
Gregor Kern
3 Die Zielgruppe zu Wort kommen lassen - das Projekt 'Digital Youngsters'
Hubert Romer
4 Azubis als Digiscouts. Ein Projekt des RKW Kompetenzzentrums
Oksana Braude
Vor Ausbildungsbeginn
5 Ansprache von Auszubildenden durch Social Media
Melanie Marquardt
6 Azubi-Recruiting der Zukunft - in welche Richtung entwickeln
sich Recruitingprozesse und Online-Assessments durch den Einfluss
der Digitalisierung?
Felicia Ullrich
7 Der Einsatz von Social-Media-Kanälen in der Ausbildung bei OTTO
Nicole Heinrich
8 Digitale Kompetenz - ein neuer Aspekt in der Berufseignungsdiagnostik?
Gerhard Bruns und Marie Cathrin Bruns
Während der Ausbildung
9 Erfolgsfaktoren einer remoten Ausbildung 4.0 -
Impulse im Zuge der Coronapandemie
Marcus Hennecke
10 Digitale Transformation - Implementierung und Einbindung einer Online-Lernplattform
Martin Thum und Vanessa Schmidt
11 'db next gen' - eine Online-Lern-, Informations- und Kommunikationsumgebung
Katja Hain und Evi Zielinski
12 Das digitale Zeitalter hat für Auszubildende bei Volkswagen schon längst begonnen - der VWN Campus Digitalisierung
Volker Löbe
13 Förderung des selbstgesteuerten Lernens durch den Einsatz von Lernvideos am Beispiel des dualen Studiums
Florian Schimanke, Bettina Sophie Huck und André von Zobeltitz
14 Einsatz von Virtual Reality in der Aus- und Fortbildung
Andreas Franke und Kersten Enke
15 elwidio (e-learning with innovative digital interactive offer):
Inklusive berufliche Bildung 4.0 unter Nutzung digitaler Medien
Stefan Wagner-Vandamme
16 Gesunde Arbeit für und mit Auszubildenden im #NewNormal
Bastian Schmidtbleicher und Marina Kühnpast
17 Das individuelle Lehr- und Lernerlebnis
Dirk Pensky
18 Microlearning: Wissen effektiv verinnerlichen, Mitarbeiter motivieren
und dabei Kosten sparen
Norma Demuro
19 Die JFK - eine kaufmännische Schule auf dem Weg zur digitalisierten Schule
Katharina Melke-Lingnau
20 Der Einsatz von Podcasts in der Ausbildung am Beispiel von Fachinformatikern bei der ALTE OLDENBURGER
Krankenversicherung AG
Stefan Macke
Zum Ausbildungsende hin
21 Selbstverantwortung und Selbstmarketing in der Übernahmephase -
das Beratungs- und Begleitprogramm im Deutsche Bank Konzern
Ralf Brümmer
Digitalisierung und Qualifizierungsangebote für Ausbilder,
Ausbildungsbeauftragte und Auszubildende
22 Die digitale Berufsschule 2030
Sophia Mull und Stephan Hansen
23 Digitale Qualifizierung von Ausbildungsbeauftragten
Evi Zielinski und Svenja Krämer
24 Betriebliche Weiterbildung in Zeiten der Coronapandemie -
Wie Sie Ihre Mitarbeiter sicher und nachhaltig schulen können
Vanessa Keucher und Johannes Schulte
25 Die großen drei im Bereich Online-Trainings und Remote- Arbeit:
Welche Videokonferenzplattformen sind ideal dafür?
Michael Zonsius
Stichwortverzeichnis
Die Autorinnen und Autoren
1 Digitale Transformation in der beruflichen Bildung – Versuch eines Ansatzes für den Ausbildungsalltag
Stefan F. Dietl
»Die Geschwindigkeit wird nie mehr so langsam sein wie heute.«
1.1 Ein paar Gedanken vorab
Es ist der 24. Juni 2029. Ariane hat gerade ihre Ausbildung zur VR/AR-Designerin (früher: Fachinformatikerin) beendet und beschreibt ihren Lebens- und Arbeitsalltag:
»Der Tag muss gut beginnen. Mir ist wichtig, dass ich nicht in einer Tiefschlafphase geweckt werde, da sonst der Tag schon ungünstig anfängt. Daher weckt mich mein Smartphone mit einer entsprechenden App, die meinen Schlaf analysiert. Daten kommen von meinem Schlafanzug, in dem unterschiedliche Sensoren enthalten sind. Nach einem biometrischen Gesichtscheck schlägt mir mein Smartphone ein passendes Frühstück für heute vor, dass natürlich meine heutigen Aufgaben – nach einem Abgleich mit meinem online geführten Kalender – berücksichtigt. Ich arbeite zur Hälfte für meinen Hauptarbeitgeber, daneben jeweils noch ein paar Stunden für einen anderen Arbeitgeber und für meine Selbstständigkeit im sozialen Bereich. Mehrere Teilzeitjobs machen das Leben einfach spannender, als einen einzigen Job zu haben und fünf Tage die Woche bis zu acht Stunden nur an einem Thema zu arbeiten – womöglich noch ohne zeitliche und örtliche Flexibilität.
Wenn ich an meine Ausbildung zurückdenke, dann habe ich vieles positiv in Erinnerung: angefangen mit einer virtuellen Betriebserkundung, die uns schon in der siebten Klasse angeboten wurde. Die Praktika haben remote stattgefunden – uns wurden Equipment und Aufgaben zugestellt und wir haben uns teilweise virtuell mit den dortigen Auszubildenden ausgetauscht und auch die Ausbilder konnten wir kennenlernen. Das Auswahlverfahren war eine gute Mischung zwischen online und face-to-face. An den ersten Ausbildungstagen haben wir unsere Chefs kennengelernt – teilweise über Videos, die wir über Airdrop erhalten haben, oder auch über Teams-Konferenzen, wenn sie z. B. gerade im Ausland unterwegs waren.
Besonders mein Ausbilder hat sich enorm für uns eingesetzt. Er hat mit uns persönlich, aber auch virtuell kommuniziert, weswegen wir nach einem Berufsschultag nicht mehr ins Büro gingen, sondern jeder wählen konnte, von wo aus er an der virtuellen Konferenz teilnehmen wollte oder wann er mit dem Ausbilder das nächste Gespräch führen wollte. Er erzählte uns, dass damals im Jahr 2020 ein besonderes Jahr für die Schulen war, weil sie wegen der Covid-19-Pandemie binnen kurzer Zeit auf Remote Schooling umstellen mussten. Ich weiß gar nicht, was damals das Problem war? Online gehen, eine entsprechende Online-Teaching-Software starten und im Hintergrund einige kollaborative Programme nutzen – war das damals so schwer?
Interessant, denn damals entstanden auch neue Themen wie Data Science, Infotronik, ElektronIT (eine Mischung von Elektronik und IT) – wenn das damals eine Revolution war? Heute jedenfalls sind diese Themen mehr als normal …
Mir fielen in der Berufsschule und in der praktischen Ausbildung einige Themen schwer. Da fand ich es gut, dass wir ein Konzept hatten, das auf jeden Auszubildenden individuell einging, und wir keinen Kollektivunterricht bekamen. Damals nannte man die in der Ausbildung verwendete Software ›Lernmanagementsystem‹ – heute würde ich das eher als ›individualisiertes Lernerlebnis‹ bezeichnen. In der Ausbildung haben wir viele, damals neue Medien eingesetzt. AR und VR und natürlich die neuesten Notebooks mit biometrischer Entschlüsselung und Zugriff auf alle Laufwerke im Unternehmen. Die ausbildungseigene Cloud hat es uns auch leicht gemacht, mal am Wochenende oder abends Zusatzinformationen für eine Klassenarbeit zu bekommen.
Unsere KI-Software hat uns während der Ausbildung ganz gut kennengelernt und uns nach der Ausbildung bei der Übernahme ins Unternehmen geholfen, denn sie wusste, was wir gerne machen und was nicht. Die Ergebnisse wurden auch in den Abteilungen genutzt, in denen es offene Stellen gab – und dann hat uns das KI-System sehr gute Empfehlungen geben können. Natürlich haben wir dann noch ein Gespräch geführt, denn einen Algorithmus für ›Sympathie‹ gab es damals in der KI noch nicht. Ich würde die Ausbildung jederzeit wieder in diesem Unternehmen machen – daher stehe ich auch bei den regelmäßigen Chat-Konferenzen über Apps als Referenzgeberin zur Verfügung.«
So könnte ein Erfahrungsbericht über die Ausbildung 4.0 lauten.
Als Ausbilder ist man es schon längst gewohnt, dass sich viele Themen durch unterschiedliche Einflüsse im Laufe der Zeit vielschichtig ändern: Prüfungen werden angepasst, Ausbildungsinhalte entwickeln sich weiter, die Jugendlichen ändern sich oder es gibt eine neue Version im Großrechnersystem.
Doch seit der Computerisierung und der Mobiltelefonie nimmt die Komplexität noch schneller zu. Mitte der 1990er-Jahre gab es die ersten Mobiltelefone – damals noch mit Tasten – und 2007 war das erste Smartphone auf dem Markt – mit tastaturlosem Bildschirm und Hardware, die über Software upgedatet werden kann. Auch der Zugang zu digitaler Kommunikation und die Technologienutzung haben sich durch das Pandemiejahr 2020 beschleunigt.
Und was hat das nun mit der Ausbildung zu tun? Die klassische Zielgruppe der Ausbildung – überwiegend Schulabsolventen – nutzen die neu verfügbaren Medien und Smart Devices und erleben die Digitalisierung als einen Teil ihres Lebens.
Das Alter der Zielgruppe bleibt dabei relativ konstant: Ein Absolvent mit zwölf Schuljahren, der mit sechs eingeschult wird, wird auch in einigen Jahren bei Ausbildungsbeginn noch immer 18 Jahre alt sein. Aber die Ausbilderinnen und Ausbilder entfernen sich während ihrer Karriere mit zunehmendem Alter immer weiter von den Auszubildenden.
Dies ist Grund genug, um zu reflektieren, wie zur sinnhaften Integration der Digitalisierung nicht nur zur Zielgruppe der Digital Natives aufgeschlossen werden kann, sondern auch wie man dem Fortschritt einen kleinen Schritt voraus sein und die digitale Transformation auf geeignete Art und Weise auf den Ausbildungsalltag übertragen kann.
Digitale Transformation ist mehr als die Nutzung von Instant-Messengern. Die digitale Transformation kann sich auf alle Prozesse in der Ausbildung ausweiten – und sogar darüber hinaus. Damit ist gemeint, dass sie sich schon vor der Ausbildung und auch nach der Ausbildung auswirken wird – und sich dadurch unter systematischer (also struktureller) und systemischer (also abgestimmt auf das eigene Unternehmen) Betrachtung viel ändern kann. Bei näherer Prüfung wird deutlich, dass sich enorm viele Chancen ergeben können.
Digitalisierung ermöglicht neue mathematische Auswertungen. Wenn Algorithmen durch IT-Systeme analysiert werden und »Richtiges« von »Falschem« unterschieden werden kann, dann wird deutlich, dass auch die künstliche Intelligenz (KI) nicht nur in Geschäftsprozesse Einzug hält, sondern auch mehr und mehr in Bildungsthemen zu finden ist: Technische Beratung, ob verbal oder schriftlich, sowie Prüfungsgesprächssimulationen könnten künftig bereits zwischen Prüfling und dem Computer online erfolgen. Durch KI ist zu erwarten, dass die Software künftig auch die Semantik von Sätzen erkennt – also Inhalte und nicht nur die einzelnen Wörter sequenziell zusammensetzt.
Grundsätzlich ist aber festzuhalten, dass nicht alles technisch Machbare immer sinnvoll ist – und vielleicht auch das eine oder andere Mal den finanziellen Rahmen sprengt. Man denke nur an einen papierlosen Bewerbungsprozess: vom »gamifizierten Akquirieren« bis hin zu Bewerbervideos – und das alles über das Smartphone. Allein ein sinnvolles und attraktives Spiel mit entsprechendem Bezug zum eigenen Unternehmen verlangt einen hohen fünfstelligen Betrag. Damit wird klar: Nicht alle können sich das leisten – und sind dennoch von denselben Einflussfaktoren betroffen. Daher lautet die Devise: Machen, was geht und sinnvoll und vertretbar ist.
Wie kann die digitale Transformation nun systematisch und systemisch sowie prozessual in der Berufsausbildung abgebildet werden?
Hierzu lohnt ein Blick auf das, was derzeit mehr und mehr Unternehmen tun: Sie schauen nach der »Digital Customer’s Journey« – also danach, wie sich der Kunde in Richtung digitale Transformation entwickelt und wie er sich verhält. Dann wird versucht, die eigenen Geschäftsprozesse über die Geschäftsprozesse des Kunden »zu legen«, um nicht nur über einen Vertriebsmitarbeiter mit diesem Kunden vernetzt zu sein, sondern in vielen Bereichen und mit mehreren Tools. Hier wird schon eine erste Implikation deutlich, die künftig verstärkt in die Ausbildung einfließen sollte: Vertrauen und...