Dirninger / Hellmuth / Hiebl | Aus dem Salzkammergut | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 232 Seiten, Format (B × H): 170 mm x 240 mm

Dirninger / Hellmuth / Hiebl Aus dem Salzkammergut

Ein Lesebuch. Mit Darstellungen aus der Bildenden Kunst
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7025-8114-5
Verlag: Verlag Anton Pustet Salzburg
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

Ein Lesebuch. Mit Darstellungen aus der Bildenden Kunst

E-Book, Deutsch, 232 Seiten, Format (B × H): 170 mm x 240 mm

ISBN: 978-3-7025-8114-5
Verlag: Verlag Anton Pustet Salzburg
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Visionäre, Impulsgeberinnen, Neinsager, Künstlerinnen …

Das Salzkammergut, wie es viele kennen, ist ein „Produkt“ von Einheimischen und „Zuagroasten“. Eine Landschaft, in welcher eine Ansammlung von Bildern, Mythen und Klischees regelrecht die Sicht auf die „reale“ Region und ihre Menschen verstellt: auf Menschen, die vorangehen und mit einer Fülle an Ideen im Gepäck Grenzen überschreiten.

In spannenden Beiträgen holen namhafte Autor*innen bekannte und weniger bekannte Persönlichkeiten aus Österreichs „zehntem Bundesland“ vor den Vorhang und spüren ihren Wegen und Irrwegen nach.

- Essays über bekannte und weniger bekannte Persönlichkeiten aus dem Salzkammergut

- Aktualisierte und erweiterte Neuausgabe des Bestsellers Visionäre bewegen die Welt

- Mit neuen Beiträgen von Elisabeth Gardavsky, Nina Höllinger, Sabine Scholl, Brita Steinwendtner und Anton Thuswaldner

- Mit Darstellungen aus der Bildenden Kunst

Bei den Herausgebern (Christian Dirninger, Thomas Hellmuth, Ewald Hiebl, Günther Marchner und Martin Scheutzhandelt) es sich um Historiker, Autoren und Journalisten, die mit der Gegend des Salzkammerguts in (teils) biografischer wie publizistischer Weise verbunden sind. Ihr seit vielen Jahren bestehender loser Austausch mündet gelegentlich in gemeinsamen Publikationen und anderen kulturellen wie wissenschaftlichen Kooperationen.

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Weitere Infos & Material


Kultivierte Wildnis
Das bürgerliche Salzkammergut Thomas Hellmuth »Der Gebirge reine Luft, / Dieses Waldes Fichtenduft / Und der Soolebäder Schärfen / Gut für stadtverdorbn’ne Nerven. / Singet Vöglein in dem Busch, / Springt Eichhörnchen, husch, husch, husch, / Ohne Kummer, ohne Sorgen, – / Musst von ihnen Frohsinn borgen.« (Fremden-Zeitung, 16. April 1892) Von Naturforschern im ausgehenden 18. Jahrhundert entdeckt, schließlich durch romantische Reisende verklärt: Das Salzkammergut erlebte im bürgerlichen Zeitalter, im 19. Jahrhundert, einen bemerkenswerten Aufschwung durch die Sommerfrische. Die »Tourismusindustrie« begann zu »produzieren«, die Fassaden wurden poliert und die Natur verklärt. Der Glanz des Salzkammerguts strahlte weit in die Monarchie aus, in die hektischen und lauten Zentren der Moderne. Die Zivilisationsflucht boomte, freilich vor allem bei denen, die es sich leisten konnten: beim Bürgertum, das sich zumindest für die Sommermonate nach Ursprünglichkeit sehnte. Diese Ursprünglichkeit war aber eine künstliche. Die »Wildnis« wurde gezähmt, kultiviert und manchmal zu einem Park umgestaltet. Das Kaffeehaus eroberte die Provinz, komfortable Hotels und Villen wurden errichtet. Auf Esplanaden und Promenaden gelangten auch jene, die einer Bergtour körperlich nicht gewachsen waren, in den Genuss einer einerseits vertrauten, andererseits aber doch so seltsamen, aufregenden und unbekannten Gegend. Verschönerungsvereine sollten, wie die für Tourist:innen herausgegebene Fremden-Zeitung 1891 meinte, »das, was Mutter Natur verabsäumte, durch seine Wirksamkeit ersetzen«. Die mit der Moderne verbundene Hybris wird in der vermeintlichen Kontrolle – oder besser: der anmaßenden Perfektionierung – der Natur sichtbar. Eine Überschwemmung, wie sie etwa Bad Ischl im Jahr 1899 erleben musste, versetzte daher die Sommergäste durchaus in Panik: Brücken stürzten ein, die Sommervillen wurden evakuiert, Zugverbindungen waren unterbrochen und Telegramme konnten nicht mehr versendet werden. Schnell war die Katastrophe aber vergessen, die Sehnsucht nach Ursprünglichkeit war größer. Sie brachte alljährlich im Sommer die Zivilisationsflüchtlinge in das Salzkammergut: Unternehmer, Beamte sowie Künstler:innen und Schriftsteller:innen. Dazu zählten unter anderem die Schriftsteller Hermann Bahr, Richard Beer-Hofmann, Hugo von Hofmannsthal, Arthur Schnitzler und Jakob Wassermann. Ebenso reisten Schriftstellerinnen, etwa Hilde Spiel, in die verklärte Region. In Ischl traf sich die Hautevolee der Operettenkomponisten und -librettisten. Immer wieder zog es Sigmund Freud ins steirische Salzkammergut, wo er in den Wäldern auf Pilzsuche ging. Und auch die Pädagogin Eugenie Schwarzwald fand im Salzkammergut gleichsam einen Stützpunkt für ihre »Erziehung zum Glück«. Sie eröffnete das Sommerheim »Seeblick« am Grundlsee, das sich zu einem Treffpunkt arrivierter Künstler:innen und Intellektueller entwickelte, etwa für die Schriftsteller Egon Friedell und Arno Holz sowie den Komponisten Egon Wellesz, dem es schwer fiel, »die einzigartige Schönheit der Ausseer Landschaft zu beschreiben, die harmonische Gliederung des Gebirges, die Anmut der Hügel und Wiesen, den Anblick des Dachsteins an klaren Herbsttagen«. Raoul Auernheimer verglich in seiner Autobiografie Das Wirtshaus zur verlorenen Zeit den Altausseer See mit einem großen Tintenfass, in das die Dichter ihre Federkiele tauchten. Und auch in Ischl herrschte, wie Karl Farkas im Lied Ost und West meint, »Dichten und Trachten / und Schalten und Walten! / Es quillt jeder Einfall / Aus goldener Schale, / Quillt Aktschluss und Abschluss / Und Grand-Finale.« In der »Österreichischen Schweiz«, wie ein Reiseführer aus dem 19. Jahrhundert das Salzkammergut bezeichnete, konnten die Widersprüche der bürgerlichen Gesellschaft, die sozialen Probleme der Industrialisierung und die Klassengesellschaft, in weite Ferne gerückt werden. Im Salzkammergut schien die Welt konfliktfrei und die Vision einer Gesellschaft von gleichen Bürgern, später auch Bürgerinnen, verwirklicht. »Die Leute, denen wir begegnen, kennen uns und sind alle in einer gewissen Weise hier zu Hause«, schreibt etwa Hugo von Hofmannsthal in einem Brief an den Berliner Theaterdirektor Otto Brahm, »einmal ist es der Reichskanzler Hohenlohe und einmal eine alte, ganz runzlige Bauernfrau mit einem Eimer Milch.« Für den Geologen und Anthropologen Ferdinand von Andrian-Werburg gab es in Aussee »keine Standesunterschiede und Altersgrenzen […]. Der Verkehr vollzieht sich ohne Zwang, jedoch mit natürlichem Anstande.« Im Salzkammergut, so entsteht der Eindruck, war man zuallererst Mensch und erst in zweiter Linie einem Stand oder einer Klasse zugehörig. Nur hier schienen Romanzen wie jene von Erzherzog Johann und der einfachen Postmeisterstochter Anna Plochl möglich, die sich am Toplitzsee, in der unberührten Natur, nähergekommen waren und schließlich eine unstandesgemäße Bindung eingingen. Selbst den Kaiser, Franz Joseph I., dem angeblich »nichts erspart« blieb, zog es im Sommer in das Salzkammergut. 1854 hatte er Bad Ischl als Sommerresidenz erwählt und machte damit den Badeort endgültig zu einem Tourismusmagnet. Der verklärte Blick der Zivilisationsflüchtlinge beschränkte sich nicht allein auf die Landschaft, sondern richtete sich auch auf die Einheimischen im Salzkammergut. Anfang des 19. Jahrhunderts waren dem Reiseschriftsteller und Naturforscher Franz Satori zwar noch »Mitteldinger zwischen einem Orang-Outang und einem Menschen« begegnet. Bald galten die Einheimischen aber als Idealtypus des Naturmenschen, als »edle Wilde«. Bereits 1832 beobachtete etwa Johann Steiner »die von Gesundheit strotzenden Alpendirnen«. Das einfache Wesen der Einheimischen schien sich – so glaubten die Zivilisationsflüchtlinge – wiederum im Brauchtum zu spiegeln. Daher sammelte der »Zweiheimische« Konrad Mautner, ein Wiener Industriellensohn, der den Ausseer Dialekt beinahe akzentfrei erlernt haben soll, wie ein Besessener die Ausseer Lieder und Weisen, die Kinder- und Tanzreime, die Jodler und Trachten. Er selbst glich sich in seiner Lebensweise und Kleidung völlig den Einheimischen an, war – wie er selbst schreibt – als »Kamerad unter dem Bauernvolk gern gelitten«. Erzherzog Johann, der sich nach seinen politischen Niederlagen immer wieder nach der »Ursprünglichkeit« der Provinz sehnte, führte in der Steiermark den »grauen Rock« ein, »um ein Beyspiel der Einfachheit und Sitte zu geben«. Und selbst der Kaiser legte im Salzkammergut seine Uniform ab und kleidete sich mit einer Ischler Lederhose, einem graubraunen Lodenjanker und grünen Wadenstutzen. Als Schuhwerk bevorzugte er die legendären Goiserer, genagelte Bergschuhe. In dieser (Ver-)Kleidung ging er auf die Pirsch und wollte sich wohl der Natur und auch den Einheimischen näher fühlen. Tausende Stück Wild soll er erlegt haben – gar möchte man ihm eine gewisse Manie diagnostizieren. Tatsächlich wurde die Tracht, ähnlich wie die Landschaft, aber an die Vorstellungen der Sommerfrischler:innen angepasst. Bis in das 18. Jahrhundert hinein gestaltete sie sich im Salzkammergut noch als recht vielfältig und bunt. Erst um 1800 setzten sich bei den Männern die grau-grünen Stoffe durch, die heute für typisch gelten. Röcke und Hosen entsprachen, wird vom Material abgesehen, der bürgerlichen Männermode. Die Kniebundhose aus Leinen oder Loden erinnerte zu sehr an den Adel und blieb nur in abgewandelter Form, als Lederhose, erhalten. Auch bei den Trachten für die Damen fanden sich die gängigen Modetrends, indem sie mit Seiden, Spitzen und Silberschmuck aufgeputzt wurden. Ohne Dirndl oder Trachtenanzug war ein:e Sommerfrischler:in nur noch ein:e halbe:r Sommerfrischler:in. »Die Modengecken haben sich nun in Lodengecken verwandelt«, schreibt daher der Schriftsteller Oscar Blumenthal. »Kratzen sie an diesen Naturmenschen, und sie werden das Alpengigerl finden.« Blumenthal, der wegen der Schärfe seiner Kritik auch »blutiger Oscar« genannt wurde, hatte 1897 gemeinsam mit Gustav Kadelburg den Schwank Im Weißen Rößl verfasst. Ralph Benatzky sollte diesen später zum gleichnamigen Singspiel umarbeiten. Nicht zuletzt der Erfolg des Stückes verhalf Blumenthal zu einem Leben als Privatier in Bad Ischl. Dennoch kratzt Blumenthal, selbst ein Zivilisationsflüchtling, in seinen 1910 verfassten Ischler Frühlingsgesprächen an der glänzenden Fassade der Provinz. Und dahinter findet sich eine gespaltene Gesellschaft, eine Welt, wie sie auch außerhalb des ländlichen »Paradieses« existierte. Nicht alle ließen sich also von der vermeintlichen Ursprünglichkeit und Harmonie blenden. Manche Sommergäste blieben...



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