E-Book, Deutsch, Band 1, 368 Seiten, Format (B × H): 126 mm x 186 mm, Gewicht: 359 g
Reihe: Simone Jaan
Durrani Der Corvinusbecher
Originalausgabe 2024
ISBN: 978-3-911172-51-6
Verlag: medimont
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Thriller
E-Book, Deutsch, Band 1, 368 Seiten, Format (B × H): 126 mm x 186 mm, Gewicht: 359 g
Reihe: Simone Jaan
ISBN: 978-3-911172-51-6
Verlag: medimont
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Burgruine Emmerberg, gleiche Zeit
Blitze zucken von Wolke zu Wolke. Ohrenbetäubend dröhnt der Donner, nachdem ein Blitz in der Nähe eingeschlagen ist. Der Regen rauscht in Simones Ohren oder ist es das Rauschen ihres Blutes? Verzweifelt sucht die junge Frau den Platz ihrer Kindheit. Beim Eingang zur Ruine befindet sich der Brunnen und dahinter geht es eine leichte Böschung hinab zur »Rauchkuchl«, wie es ihre Eltern immer bezeichnet haben, oder? Egal! Irgendwohin! Die Tropfen prasseln auf sie nieder. Sintflutartig! Sie ist komplett durchnässt und ihre Sicht ist wegen des Wassers, das ihr stetig über das Gesicht rinnt, eingeschränkt. Das ist wie unter der Dusche. Der Geruch von feuchter Erde steigt ihr in die Nase. Simone hastet weiter einen gepflasterten, glitschigen Weg entlang, rutscht am moosigen Untergrund aus, schafft es aber, einen Ast zu ergreifen und so den Sturz abzufangen. Schwer atmend und zitternd steht sie in einem großen Saal und erkennt ihn sofort wieder. Der Ballsaal! So hatten ihre Schwester und sie diesen riesigen Raum genannt. Drei Stockwerke umfasst der Saal, vor jedem Fenster zu beiden Seiten Mauern und steinerne Bänke, die bis zum heutigen Tag für Schwindelfreie zum Verweilen einladen, da man einen wunderbaren Blick auf die Landschaft hat. Ein einziger Schritt nach vorne durch die Fensteröffnung bedeutet den sicheren Tod, da sich die Burg über einen steilen Abgrund erhebt. Simone schaut sich nach einem Unterschlupf um, aber das Einzige, was sie findet, sind hohe Laubbäume. Simone kauert sich darunter, ihre Zähne klappern, ungeheure Kälte überkommt sie. Nein, sie muss ins Trockene. Sie will nicht draußen bleiben. Das Unwetter tobt über ihr und die Gefahr, dass der Blitz ausgerechnet in den Baum einschlägt, unter dem sie Schutz sucht, ist ihr zu hoch. Simone stolpert aus dem Saal, hastet zwischen hohen Mauern entlang weiter. Auf einer Wiese bleibt sie stehen, hört etwas, dreht sich um. Der Turm wird in diesem Augenblick von einem gleißenden Blitz erhellt. Simone ist kurzzeitig geblendet. Plötzlich sieht sie eine Bewegung zwischen den Sträuchern viele Meter vor ihr. Eine Gestalt verschwindet hinter einem Felsen unterhalb des Turms. Da ist jemand! Eine zweite Person erscheint auf der Bildfläche. Dann ein entsetzlicher Knall, ein Schuss? Simone sucht instinktiv Deckung, hechtet richtiggehend unter einen blühenden dichten Busch, die Augen starr auf die Stelle gerichtet, an der sie die Bewegung gesehen hatte. Wo waren sie? Wo? Nervös und bebend hockt sie inmitten von Zweigen. Unvermittelt hallt ein Schrei zwischen den Mauern, übertönt den Regen. »Was haben Sie getan? Ist er tot?«, kreischt eine Frau hysterisch. Abermals ein markerschütternder Schrei. »Lassen Sie mich los!« Eine Person rennt auf den Turm zu. Sie trägt einen neongelben auffälligen Regenmantel. Eine andere Gestalt ist ihr dicht auf den Fersen. Simone hält die Luft an. »Wo ist er? Sag es endlich! Sonst ergeht es dir genauso wie ihm!«, schreit sie, als sie der Person im gelben Mantel habhaft wird. Mit einem Satz packt sie den Regenmantelträger und ringt ihn zur Erde. »Wo ist er? Wo hast du ihn versteckt?«, wiederholt eine wütende tiefe Stimme. Die große Gestalt greift nach einem faustgroßen Stein und hält ihn drohend in die Höhe. »Nein!«, schreit die andere Stimme. »Ich sag es Ihnen!« Simone traut ihren Augen nicht, was geschieht da? Sie kann die weiteren Worte nicht verstehen. Aber das gellende: »Nein, bitte nicht!«, in Todesangst, klingelt in ihren Ohren. Simone wendet sich ab, sie will nichts mehr sehen. Das Handy. Sie muss Hilfe holen, die Polizei verständigen. Hastig greift sie in ihre Hosentasche und holt ihr Mobiltelefon heraus. Glücklicherweise ist es wasserdicht … Ihre Hände sind nass und das Telefon rutscht ihr aus den ungelenken Fingern. Als Simone es aufheben will, bleibt sie mit dem Arm an einem spitzen Zweig hängen und schreit, während dieser sich in ihre Haut bohrt. Sie kann gar nicht anders. Der vermeintliche Täter hält inne und schaut auf. Simone presst sich entsetzt beide Hände auf den Mund. Der großgewachsene Mann steht auf, sieht in ihre Richtung. Simone krabbelt hastig unter dem Busch hervor und rennt zu einem kleinen, gedrungenen, verfallenen Häuschen, stürzt durch die Türöffnung hinein und sucht nach einem Versteck. Im Halbdunkel sieht sie sich um. Eine Kapelle, die aus zwei Räumen besteht? Sie ist in der Falle. Sie wird sterben! Er wird sie töten. Sie hat soeben … Simone muss erbrechen. Würgend kriecht sie hinter den steinernen Altar unter einem Spitzbogenfenster und macht sich so klein wie möglich. Keinen Mucks jetzt. »He!«, ruft die tiefe Stimme. Der Mann steht vor dem Gebäude, in ihrer unmittelbaren Nähe. Simone kann ihn atmen hören. Der Mörder. Ihr Magen rebelliert, ihr ist schwindelig und sie bekommt kaum Luft. Nur kein Geräusch jetzt! »Hallo!«, ruft die Stimme. »Komm da raus!« Das Gewitter ist weitergezogen, der Regen hat aufgehört, die ersten Sonnenstrahlen kommen heraus und beleuchten den Altar. Wie ein göttlicher Fingerzeig, direkt auf ihr Versteck. Will Gott, dass sie stirbt, dass sie von diesem Mann beseitigt wird, weil sie eine Zeugin ist? Simone rückt noch näher an den Altar. Sie drückt sich an den Sockel, damit sie im Schatten bleibt. Die Sonne erfüllt den gesamten Altarraum mit gleißendem Licht. Eigentlich wunderschön. Aber nicht für Simone, die um ihr Leben zittert. »Wo bist du? Komm schon. Lass uns saubermachen und verschwinden!«, brüllt einer der beiden Männer. Saubermachen? Simone zittert wie Espenlaub. »Da war jemand!«, erwidert der Mann mit der tiefen Stimme. »Komm schon. Das war nur eine Katze! Du weißt ja, wie die schreien.« Lange schon ist es draußen ruhig. Simone verharrt in ihrem Versteck, außer sich vor Angst. Irgendwie zweifelt ihr Verstand an dem, was sie soeben gesehen hat. Es erscheint ihr alles unwirklich. Sie fühlt sich wie am Filmset von einem »Tatort«. Ja, genau, wo sind nochmal die Kameras, das Filmteam? Simones Beine schmerzen. Irgendetwas drückt in ihr linkes Knie. Etwas Hartes, Kantiges. Sicher ein Stein. Simone verlagert ihr Gewicht, krabbelt herum, setzt sich auf den kalten Boden und streckt die kribbelnden Beine aus. Dort wo sie eben noch zusammengekauert gekniet hatte, leuchtet etwas in den Sonnenstrahlen. Eine Metallskulptur? Egal. Irgendein Spielzeug. Dafür hat sie jetzt wirklich keinen Kopf. Simone lauscht. Unschuldiger Vogelgesang dringt in ihr Ohr, sonst nichts. Kein Geschrei, keine Stimmen. Sind sie weg? Kann sie wieder aus ihrem Versteck? Simone rückt weiter in die wärmenden Sonnenstrahlen, schaut in den blauen Himmel über sich. So ruhig, so schön. Es ist immer eine Überraschung, wie schnell ein Unwetter vorüberzieht und die Sonne wieder zum Vorschein kommt. Erneut fällt ihr Blick auf die kleine Figur am Boden zwischen zwei Pflastersteinen. Eine Zinnfigur, mutmaßt Simone. Aber die Farbe stimmt nicht. Zinnfiguren sind dunkel, diese glänzt golden. Die junge Frau atmet tief durch, spürt Neugierde in sich aufwallen. Sie streckt die Hand aus und hebt mit tauben Fingern den Gegenstand vorsichtig hoch und betrachtet ihn. Eine Rittergestalt? Gedankenverloren steckt sie die Figur in die Hosentasche und tastet nach ihrem Handy. Verdammt, wo ist es? Unter dem blühenden Strauch. Sie muss es finden. Vorsichtig und lautlos erhebt sie sich. Zunächst schaut sie durch das Fenster. Niemand da. Keine Menschenseele. Sie blinzelt in alle Richtungen und wartet. Ihr gesamter Körper tut ihr weh. Langsam setzt sie sich in Bewegung. Unvermittelt muss sie niesen. Laut. Erschrocken hält sie inne und wartet auf das Geräusch von Schritten oder ein Gebrüll. Als es wieder absolut still bleibt, setzt Simone ihren Weg durch die verfallene Kapelle fort und schleicht sich aus dem frei stehenden Gebäude. Dort unten ist der Tatort. Ja und da ist der Busch. Aber wo ist der Ausgang der Ruine? Simone hetzt zu dem Strauch und kriecht hinein. Kein Handy? Es ist weg, nicht mehr zu finden. Verzweifelt sucht sie eine ganze Reihe von Sträuchern ab, aber ihr Mobiltelefon bleibt verschwunden. Fix und fertig steht sie auf der Lichtung und schaut zum Turm. Wo ist sie hergekommen? Simone ist vollkommen orientierungslos und kann keinen klaren Gedanken fassen. Immer wieder spukt die Szene des vermeintlichen Mordes vor ihrem geistigen Auge. Ist wirklich ein Mord geschehen? Vielleicht irrt sie sich ja, aber in ihrem Innersten weiß Simone, dass zwei Personen heute in der Burg ihr Leben gelassen haben. Wo sind die Leichen? Simone zittert, hat das Gefühl für immer in dieser verfluchten Burgruine bleiben zu müssen, ohne Rückkehr. Obwohl sie nicht wirklich gläubig ist, beginnt sie zu beten. »Bitte, lieber Gott, lass mich einen Weg hinaus finden. Bitte! Ich weiß, dass ich eine Zweiflerin bin, aber bitte hilf mir. Ich...