Eckardt | Kinder und Trauma | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 161 Seiten

Eckardt Kinder und Trauma

Was Kinder brauchen, die einen Unfall, einen Todesfall, eine Katastrophe, Trennung, Missbrauch oder Mobbing erlebt haben
2., durchgesehene Auflage 2013
ISBN: 978-3-647-99562-5
Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Was Kinder brauchen, die einen Unfall, einen Todesfall, eine Katastrophe, Trennung, Missbrauch oder Mobbing erlebt haben

E-Book, Deutsch, 161 Seiten

ISBN: 978-3-647-99562-5
Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Kinder, die ein traumatisches Erlebnis hatten, sind in ihrem Grundvertrauen in sich und in die Welt erschüttert. Ob Kinder einen Unfall erlebt oder einen Elternteil verloren haben, ob sie sexuell missbraucht oder in der Schule gemobbt werden, ob sie mit Gewalt oder einer Naturkatastrophe konfrontiert wurden - sie werden dieses Erlebnis nicht so einfach wegstecken können. Doch Eltern sind oft ratlos, wie sie ihren Kindern helfen können.Dieses Buch klärt Eltern darüber auf, was Trauma bedeutet, mit welchen Symptomen zu rechnen ist und wie man traumatisierte Kinder bei der Heilung unterstützen kann. Nicht jedes Kind reagiert gleich. Manche Kinder entwickeln Ängste, andere reagieren mit Rückzug und Verleugnung, wieder andere werden aggressiv oder verletzen sich selbst. Eltern und Erzieher müssen lernen, die Bedürfnisse der Kinder zu erkennen und auf sie einzugehen. Viele praktische Tipps zeigen, wie eine individuell abgestimmte Begleitung des traumatisierten Kindes aussehen und wie das Selbstvertrauen der Kinder gestärkt werden kann. Einige spezielle Situationen wie Verlust, sexuelle Gewalt, Mobbing, Trennung und Umzug werden gesondert behandelt.

Jo Eckardt absolvierte von 1980 bis1993 ein Germanistikstudium und anschließend das Studium der Sozialarbeit in Köln, an der University of California San Diego und der New York University (Ph.D. und Master of Social Work). Von 1989 bis1994 war sie als Assistant Professor an der New York University tätig, von 1994 bis 2001 als Übersetzerin der UN-Vertretung in New York. 1997 bis 2001 erfolgte eine Ausbildung zur Psychoanalytikerin am Training Institute for Self Psychology in New York, seit 2004 ist Jo Eckardt Buchautorin, Erzieherin und Trauerberaterin.
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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1. Kind und Trauma

Was ist Trauma?

Ein traumatisches Erlebnis wird als Einschnitt erlebt, der das bisherige Leben nachhaltig negativ verändert. Es ist mit den vorherigen Lebenserfahrungen nicht vereinbar und verunsichert die Betroffenen zutiefst. Die zur Verfügung stehenden Bewältigungsmechanismen sind der Aufgabe nicht gewachsen. Es gibt sowohl plötzliche Traumata (Typ I) als auch solche, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken (Typ II).

Trauma-Typ I

Bei kurzen, traumatischen Erlebnissen (Trauma-Typ I) herrscht die momentane Angst vor, das eigene Leben stehe auf dem Spiel. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Kind Zeuge eines Unfalls wird oder den Tod eines Elternteils miterlebt. Die plötzliche Erfahrung, dass sich das wohl meinende Schicksal von einer Sekunde auf die andere gegen einen selbst wenden kann, bedroht das grundlegende Vertrauen des Kindes und somit auch das Leben des Kindes selbst. Je hilfloser und ausgelieferter es sich in diesem Moment fühlt, des-to schwerwiegender können die Folgen sein.

Miriam erlebte als 6-Jährige die »Jahrhundertflut« in der Nähe von Dresden. Sie sah das Haus, in dem sie mit ihren Eltern lebte, langsam in den Fluten versinken. Ihre Eltern schafften es, einige Dinge in Koffer zu packen und mit ihr rechtzeitig das Haus zu verlassen. Sie schliefen dann mehrere Nächte bei Verwandten. Das Haus allerdings war so zerstört, dass es abgerissen werden musste. Miriam hatte große Angst während der Flucht und erlebte die Vernichtung des Hauses, all ihrer persönlichen Dinge und der gewohnten Umgebung als totale Zerstörung ihrer bisherigen Existenz. Sie leidet seither unter Nachtterror und Panikattacken.

Weil der 11-jährige Klaus ein wichtiges Handballspiel hatte, begleitete ihn die ganze Familie zur Sporthalle. Vater saß am Steuer und Mutter und Schwester waren ebenfalls dabei. Unterwegs kam der Wagen auf der nassen Fahrbahn ins Schleudern und prallte gegen eine Ampel. Der Vater erlitt so schwere Verletzungen, dass er später starb. Die Mutter überlebte mit leichten Verletzungen, die beiden Kinder waren relativ unversehrt. Seit dem Tod des Vaters ist Klaus wie verändert. Insgeheim gibt er sich die Schuld am Tod des Vaters, weil die Fahrt ja ihm gegolten hatte.

Trauma-Typ II

Daneben gibt es traumatische Erlebnisse, die über längere Zeiträume andauern oder die sich wiederholen (Trauma-Typ II). Hier verändert sich die Welt nicht von einem Moment zum anderen. Vielleicht fängt es sogar ganz »harmlos« an, doch im Lauf der Zeit verliert man auch in dieser Art des Traumas das Vertrauen in die Welt und in sich selbst. Beispiele sind Mobbing in der Schule, sexueller Missbrauch und unter Umständen auch Trennungen und Umzüge.

Die 14-jährige Carina erzählt ihrer besten Freundin, dass sie seit Jahren von ihrem Klavierlehrer sexuell missbraucht wird. Die Freundin erzählt dies ihren Eltern, die wiederum informieren Carinas Eltern. Die sind völlig schockiert, so etwas hätten sie sich nicht träumen lassen. Sie schicken Carina zu einer Psychologin, die eine schwere posttraumatische Stressbelastung mit Depression, Intrusionen und Vermeidungsverhalten feststellt.

Obwohl die existenzielle Bedrohung für Außenstehende nicht gleich ersichtlich ist, empfinden Kinder bei dieser Art von Trauma oft eine unmittelbare Gefahr für ihr Leben. Sie können sich ein Leben nach der Scheidung oder in der neuen Stadt, fern von ihren Freunden, nicht vorstellen. Mobbing oder Missbrauch können das Selbstwertgefühl so herabsetzen und zerstören, dass die Opfer sich hilflos Kräften ausgeliefert fühlen, die Macht und Kontrolle über das eigene Schicksal haben.

Daneben unterscheidet die Forschung auch, um welche Art von Trauma es sich handelt:

A. Erlebnisse, die von anderen Menschen verursacht werden (man-made)

Darunter fallen vor allem Gewalttaten wie beispielsweise Mord, Raub, Vergewaltigung und Missbrauch, Mobbing, Entführungen, Sadismus. Das Schreckliche an diesen Erlebnissen ist zunächst einmal der Vertrauensverlust in andere Menschen. Wir alle – und ganz besonders Kinder – sind aber so angelegt, dass wir auch unter widrigsten Umständen Anderen nicht zutrauen wollen, dass sie böse sind. Daher neigen Menschen dazu, ihre eigene Verantwortung überzubewerten und sich irgendwie selbst schuldig zu fühlen, wenn andere Menschen ihnen etwas antun. Wie wir noch sehen werden, ist das Schamgefühl, das eine schnelle und gesunde Verarbeitung des Erlebnisses beim Opfer hinterher behindert, bei dieser Art des Traumas besonders hoch. Für Betroffene eines von anderen Menschen verursachten Traumas ist die Gefahr, an einer posttraumatischen Stressbelastung zu erkranken, besonders hoch.

B. Unfälle, Naturkatastrophen und Kriege

Natürlich gehen auch Unfälle und Kriege von Menschen aus, sie unterscheiden sich jedoch von böswilligen Gewalttaten an einzelnen Menschen, indem sie ihre Opfer nicht bewusst aussuchen. (Sobald ein Kriegserlebnis jedoch ein persönliches Erlebnis wird, in dem der Angreifer zur Einzelperson wird, wäre das Trauma ein man-made Trauma der Kategorie A.) Die Natur diskriminiert nochviel weniger. Dennoch ist die Erfahrung, keinerlei Kontrolle über das gewaltige Geschehen der Natur zu haben, zutiefst erschütternd. Wenn mit der Katastrophen- oder Unfallerfahrung auch noch der Verlust der bisherigen Lebensumstände einhergeht – wenn also die Gesundheit zerstört, ein Angehöriger gestorben oder Haus und Wohnung vernichtet sind –, dann ist das Opfer in großer Gefahr, nach dem Erlebnis die Orientierung nicht wiederzufinden.

C. Lebensgefährliche Krankheiten

Die Diagnose einer lebensgefährlichen Krankheit ist eine ebenso große Bedrohung und wird ähnlich empfunden wie eine Naturkatastrophe. Allerdings handelt es sich nicht um ein momentanes, einmaliges Trauma, sondern um eine anhaltende Veränderung der gesamten Lebenssituation. Dazu kommt die Ungewissheit, ob alles gut ausgehen wird. Angst und Hoffnung wechseln einander ab. Ob dieser Umstand die Erfahrung leichter oder doch schwerer macht, hängt von der jeweiligen Situation ab. Auf jeden Fall ist die Diagnose einer solchen Krankheit für die Eltern oft traumatischer als für das Kind selbst!

D. Verlust eines Angehörigen, subjektive Bedrohungen

Erfahrungen, die auf den ersten Blick keine »katastrophalen« Dimensionen haben, können dennoch für das Individuum ein Trauma darstellen. So kann ein erwachsener Mensch zum Beispiel seine Kündigung als Trauma erleben. Von einem Moment auf den anderen ist nichts mehr wie es war. Kinder sind natürlich ihrer Umwelt deutlich mehr ausgeliefert als dies bei Erwachsenen der Fall ist. Sie empfinden drohende Veränderungen ihrer Familiensituation – sei es durch Tod, Scheidung oder Trennung der Eltern oder wegen eines Umzugs – daher oft als Katastrophe.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Gefühl, seines bisherigen Lebens nicht mehr sicher zu sein, charakteristisch für die Traumaerfahrung ist. Ob es sich um ein einmaliges oder um ein wiederholtes Erlebnis handelt: Nichts ist mehr, wie es vorher war. Das Vertrauen in die Welt und in die Rolle, die man in ihr spielt, ist verloren. Jetzt weiß man: Jeden Moment kann alles zu Ende sein. Die eigenen Kräfte reichen nicht aus, um das Böse und Katastrophale zu bannen.

Typische Auswirkungen und Symptome

Nach einem plötzlichen Trauma ist die erste Reaktion zunächst einmal Schock. Wie der Einzelne mit dem Schock umgeht, ist sehr unterschiedlich. Manche Menschen scheinen ganz gefasst, andere schreien und weinen, wieder andere verfallen in eine gelähmte Starre. Während sich Erwachsene oft erstaunlich effektiv erweisen – schließlich müssen bestimmte Dinge getan werden, um Schlimmeres abzuwenden, oder Formalitäten zu erledigen –, reagieren Kinder meist mit Starre, Weinen oder Regression (das heißt, sie fallen um Entwicklungsstufen zurück und verhalten sich wieder wie ein Kleinkind). Manche Kinder wachsen allerdings über sich selbst hinaus und tun in einer Notlage genau das Richtige. Doch auch diese Kinder werden später vom Schock eingeholt.

Der Schock kann einige Stunden, Tage oder auch Wochen andauern. Seien Sie darauf vorbereitet, dass Ihre Kinder während dieser Zeit nervös, fahrig, übersensibel und gereizt sind, leicht in Tränen ausbrechen, unkonzentriert, tollpatschig und vergesslich sind. Sie reden entweder sehr viel über das Erlebnis oder aber gar nicht. Jedes Kind ist anders und hat individuelle Bedürfnisse – alle verdienen Respekt! Bemerkungen wie »Jetzt nimm dich doch zusammen!« oder »Komm endlich aus deiner Ecke raus!« helfen nicht. Einfühlsames Zuhören und »Einfach-da-Sein« der Eltern schon eher. Wir werden später im Einzelnen sehen, was Sie tun können, um Ihrem Kind von Anfang an zu helfen.

Scheuen Sie sich nicht davor, gleich zu Beginn professionelle Hilfe zu holen. Wenn es Ihrem Kind hilft, dann ist es das Richtige!

Auch die Langzeitfolgen hängen von der jeweiligen Situation und von Ihrem Kind ab. Zunächst einmal muss von einer tiefen Verunsicherung ausgegangen werden. Opfer haben gelernt: Man kann sich nicht auf das wohlmeinende Schicksal, auf eine »gute« Welt, auf andere Menschen – und vielleicht noch nicht einmal auf den eigenen Körper – verlassen. Hinzu kommt eventuell auch ein Schuld- oder Schamgefühl, wie wir später noch sehen werden. Bei anhaltendem Trauma, wie etwa bei Missbrauch oder Mobbing, sinkt das Selbstwertgefühl. Mögliche Folgen sind Depressionen, Ängste, Phobien und Neurosen, die später besprochen...


Eckardt, Jo
Studium der Germanistik in Köln, San Diego und New York1987–1991: Assistant Professor an der New York University1989–1992: Studium der Sozialarbeit an der New York UniversityAusbildung zur Psychoanalytikerin am Training Tesaerch Institute of Self Psychology in New York1997: Geburt eines Sohnes2001: Rückkehr nach Deutschland



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