Edgeworth | Belinda | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 680 Seiten

Reihe: Reclam Taschenbuch

Edgeworth Belinda

E-Book, Deutsch, 680 Seiten

Reihe: Reclam Taschenbuch

ISBN: 978-3-15-962283-5
Verlag: Reclam Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Das mitreißende Psychogramm einer jungen Frau Die junge Landadlige Belinda Portman soll im Jahre 1800 in die feine Gesellschaft Londons eingefu?hrt werden, um eine gute Partie zu machen. Doch bald merkt sie, dass ihre Gastgeberin Lady Delacour, eine vergnügungssüchtige und kapriziöse Dame, keine geeignete Mentorin ist. Sie muss also lernen, sich im turbulenten Gesellschaftsleben selbst zurechtzufinden. Dabei verliebt sie sich in Clarence Hervey, einen Freund Lady Delacours, der jedoch anderweitig versprochen ist ... Mit Belinda, dem mitreißenden Psychogramm einer jungen Frau, sorgte Maria Edgeworth für einen Skandal, denn sie war ihrer Zeit voraus und brach mit so mancher Konvention: Eine Weiße heiratet einen Schwarzen und zwei Frauen duellieren sich in Männerkleidung ... In Gerlinde Völkers virtuoser Neuübersetzung lässt sich der literarisch-satirische Gesellschaftsroman ganz unzensiert entdecken. - Mit einer kompakten Biographie der Autorin. »Ich weiß nun mit Sicherheit, dass mir keine Romane gefallen außer Miss Edgeworths und meinen eigenen.« Jane Austen

Maria Edgeworth (1767-1849), anglo-irische Schriftstellerin, war eine der erfolgreichsten Autorinnen ihrer Zeit. Neben der Verwaltung ihres Landsitzes und verschiedenen Sozialprojekten verfasste sie mehrere Romane, Kinderbücher und Abhandlungen zu Erziehungsfragen. Gerlinde Völker ist freie Übersetzerin und hat zuletzt Henry Fielding, Edgar Allan Poe und Edith Wharton ins Deutsche übertragen.
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Kapitel II
Masken
»Wo waren wir doch gleich, als das alles begann?«, rief Lady Delacour und zwang sich, wieder fröhlich zu erscheinen. »Ach ja, Maskerade war das Motto des Tages – Tragödie oder Komödie? Was entspricht Ihrer Begabung am ehesten, meine Liebe?« »Was Ihrem Geschmack am wenigsten entspricht, Milady.« »Nun, meine Zofe Marriott sagt, ich sollte Tragödie sein, und lässt sich dabei wohl von dem Gedanken leiten, dass Menschen immer am meisten Erfolg haben, wenn sie den Charakter annehmen, der dem ihren am wenigsten entspricht – Clarence Herveys Leitprinzip – vielleicht meinen Sie, er hätte überhaupt keine Prinzipien, aber da liegen Sie falsch, ich versichere Ihnen, er hat sehr gesunde Prinzipen – was Geschmack angeht.« »Das beweist er überaus überzeugend«, sagte Belinda mit einem gezwungenen Lächeln, »da er doch Ihre Ladyschaft so sehr bewundert.« »Und da er Miss Portman noch mehr bewundert. Aber während wir hier einander Reden halten, steht die arme Marriott da in großer Qual wie der Schauspieler Garrick zwischen Tragödie und Komödie.« Lady Delacour öffnete die Tür zu ihrem Ankleidezimmer und zeigte auf Marriott, die dastand und auf dem einen Arm das Kleid für die komische Muse und auf dem anderen das für die tragische Muse hielt. »Ich fürchte, ich habe nicht die rechte Begeisterung und den rechten Elan, um die komische Muse zu geben«, sagte Miss Portman. Marriott, die eine Persönlichkeit von ungewöhnlicher Wichtigkeit darstellte und letztendlich als oberste Instanz über die Toilette ihrer Herrin entschied, wirkte äußerst verärgert darüber, dass man sie so lange hatte warten lassen, und noch mehr missbilligte sie wohl, dass ihre höchstrichterliche Entscheidung in Frage gestellt werden könnte. »Ihre Ladyschaft ist einen halben Kopf größer als Miss Portman«, sagte Marriott, »und sollte mit dieser langen Schleppe wirklich Tragödie sein; außerdem habe ich schon alles Weitere für das Kostüm Ihrer Ladyschaft geregelt. Tragödie ist immer groß und, ohne jemanden kränken zu wollen, ist Ihre Ladyschaft größer als Miss Portman, einen halben Kopf größer.« »Statt Kopf sagen wir besser Zoll«, sagte Lady Delacour, »wenn ich bitten dürfte.« »Wenn erst einmal alles zurechtgelegt ist, kann man es wirklich nicht ertragen, wieder alles durcheinanderzubringen – aber Ihre Ladyschaft muss natürlich ihren eigenen Willen durchsetzen, das versteht sich, wie immer – ich sage dazu jetzt nichts mehr«, rief sie und warf die Kleider hin. »Nun bleiben Sie doch, Marriott«, sagte Lady Delacour und stellte sich zwischen die verärgerte Kammerzofe und die Tür. »Warum müssen Sie sich, die Sie doch der beste Mensch der Welt sind, in diese Wutanfälle hineinsteigern wegen nichts und wieder nichts – haben Sie Geduld mit uns und wir werden Sie schon zufriedenstellen.« »Das klingt schon besser«, sagte Marriott. »Miss Portman«, fuhr ihre Ladyschaft fort, »behaupten Sie bitte nicht, Sie hätten nicht genug Elan – Sie sind doch voller Leben und Elan! – Nun, was sagen Sie, Belinda – Oh, ja, Sie müssen die komische Muse sein und ich, scheint es, muss die tragische verkörpern, weil Marriott es sich nun einmal in den Kopf gesetzt hat, dass ich ›majestätisch vorbeirauschen‹ soll. Und da Marriott in allem und jedem ihren Kopf durchsetzen muss – sie herrscht über mich mit eiserner Hand, meine Liebe – so muss ich denn Tragödie sein – Marriott kennt ihre Macht.« Es lag ein Ausdruck extremen Verdrusses in Lady Delacours Miene, als sie die letzten Worte sprach, die wohl mehr zu bedeuten hatten, als zunächst erkennbar war. Schon bei vielen Gelegenheiten hatte Miss Portman bemerkt, dass Marriott eine despotische Macht über ihre Herrin ausübte; und sie hatte gesehen, dass eine Dame, die nicht ein Jota ihrer Macht an ihren Gatten abtreten wollte, sich jeder kapriziösen Forderung dieser ganz unverschämten Bediensteten unterwarf. Belinda hatte geglaubt, dass diese Unterwerfung nichts weiter war als Gehabe, da sie schon andere feine Damen gesehen hatte, die scheinbar von ihrer Lieblingszofe herumkommandiert wurden, aber schon bald gelangte sie zu der Überzeugung, dass Marriott gar kein Günstling von Lady Delacour war, dass das vorherrschende Gefühl ihrer Ladyschaft nicht stolze Ehrerbietung war, sondern Furcht. Es war offensichtlich, dass eine Frau, die so extrem viel Wert auf ihren eigenen Willen legte, sich niemals hätte einschränken lassen, wenn es da nicht einen sehr gewichtigen Grund gegeben hätte. Es schien, als ob Marriott im Besitz eines Geheimnisses sei, das für alle Zeiten verborgen bleiben musste. Dieser Gedanke war Miss Portman schon mehr als einmal gekommen, aber nie so nachdrücklich wie bei dem gegenwärtigen Anlass. Die Toilette der Lady war immer ein wenig geheimnisumwoben gewesen. Zu bestimmten Stunden wurden Türen verriegelt, und niemand außer Marriott durfte sich Zugang zu ihr verschaffen. Miss Portman hatte zunächst gedacht, dass Lady Delacour die Aufdeckung kosmetischer Geheimnisse fürchtete, aber das Rouge ihrer Ladyschaft war so leuchtend aufgetragen und ihr Puder so offensichtlich, dass Belinda überzeugt war, dass ein anderer Grund für die Geheimnisse ihrer Toilette vorlag. Es gab ein kleines Kabinett jenseits des Schlafzimmers, das Lady Delacour ihr Boudoir nannte und zu dem ein Eingang über eine Hintertreppe existierte, doch niemand durfte dieses Zimmerchen betreten als Marriott. In einer Nacht, nachdem die Lady mit großem Elan auf einem Ball getanzt hatte, fiel sie in ihrem eigenen Haus plötzlich in Ohnmacht, und Miss Portman half ihr in ihr Schlafzimmer, aber Miss Marriott bat sie, die Lady allein mit ihr zu lassen, und wollte es ganz und gar nicht erlauben, dass Belinda ihr in das Boudoir folgte. – An all diese Dinge erinnerte sich Belinda in Sekundenschnelle, als sie dastand und über Marriott und die Kleider nachdachte. Die Eile, sich für den Maskenball fertigzumachen, vertrieb jedoch diese Gedanken, und als sie endlich angezogen war, dachte sie vor allem darüber nach, was Clarence Hervey von ihrer Erscheinung halten würde. Sie fragte sich unruhig, ob er sie als komische Muse wohl erkennen würde. Lady Delacour war unzufrieden mit ihrem tragischen Gewand und ihre Laune wurde noch schlechter, als sie Belinda sah. »Ich finde wirklich, dass Marriott eine regelrechte Vogelscheuche aus mir gemacht hat«, sagte ihre Ladyschaft, als sie in die Kutsche stieg, »und ich weiß genau, dass mein Kleid Ihnen eine Million Mal besser stehen würde als das Ihre.« Miss Portman äußerte ihr Bedauern darüber, dass es jetzt zu spät wäre, das zu ändern. »Ganz und gar nicht zu spät, meine Liebe«, sagte Lady Delacour. »Es ist nie zu spät für Frauen, ihre Meinung, ihre Kleidung oder ihre Liebhaber zu ändern. Nein, ernsthaft, Sie wissen, dass wir meine Freundin Lady Singleton besuchen werden – sie richtet heute Abend einen Vorempfang für die Masken aus – ich kenne sie sehr gut, ich werde dafür sorgen, dass wir in ihr Zimmer gehen können, wo uns niemand stört, und da tauschen wir dann unsere Kleider und Marriott erfährt nichts von der ganzen Sache. Marriott ist eine treue Seele und hängt sehr an mir, hängt aber auch an ihrer Macht – aber wer täte das nicht? – Wir haben alle unsere Fehler – man sollte sich wegen einer solchen Kleinigkeit nicht mit einer guten Seele wie Marriott anlegen.« Plötzlich meinte sie in einem ganz anderen Ton: »Kein Mensch wird bei dem Maskenball herausfinden, wer wir sind, denn niemand außer Mrs Freke weiß, dass wir zwei Musen darstellen werden. Clarence Hervey hat geschworen, er würde mich in jeder Verkleidung erkennen – was ich sehr bezweifle –, es wird mir einen besonderen Spaß bereiten, ihm ein Rätsel aufzugeben. Harriet Freke hat ihm unter dem Siegel der Verschwiegenheit gesagt, ich wolle als Witwe Brady aus dem Theaterstück The Irish Widow in Männerkleidung gehen, was in Wahrheit Harriets eigener Charakter ist. Da werden wir den lieben Hervey schön an der Nase herumführen.« Sobald sie bei dem Haus von Lady Singleton angelangt waren, gingen Lady Delacour und Miss Portman nach oben, um ihre Kleider zu tauschen. Die arme Belinda war recht enttäuscht, dass sie jetzt, da sie sich in der richtigen Stimmung für die komische Muse fühlte, den Charakter, der ihr doch entsprach, wieder aufgeben musste, aber der höflichen Bestimmtheit von Lady Delacours Eitelkeit hatte sie nichts entgegenzusetzen. Ihre Ladyschaft lief schnell wie der Blitz in eine kleine Kammer, die zum Schlafgemach gehörte, und sagte zu Lady Singletons Zofe, die mit der Frage »Kann ich irgendetwas für Sie tun, Ihre Ladyschaft?« versuchte, ihr zu folgen. »Nein, nein, nein – nichts, nichts – danke, danke, ich brauche keine Hilfe – ich lasse mich nie von jemandem unterstützen außer von Marriott.« Und damit schloss sie sich in der Kammer ein. Ein paar Minuten später öffnete sie die Tür zur Hälfte, warf die Robe der tragischen Muse heraus und rief: »Hier, Miss Portman, geben Sie mir Ihre – schnell – und dann wollen wir doch sehen, ob die Komödie oder die Tragödie eher fertig ist.« »Himmel, Herrgott und Sakrament«, sagte Lady Singletons Zofe, als Lady Delacour vollständig angezogen endlich...


Maria Edgeworth (1767–1849), anglo-irische Schriftstellerin, war eine der erfolgreichsten Autorinnen ihrer Zeit. Neben der Verwaltung ihres Landsitzes und verschiedenen Sozialprojekten verfasste sie mehrere Romane, Kinderbücher und Abhandlungen zu Erziehungsfragen.
Gerlinde Völker ist freie Übersetzerin und hat zuletzt Henry Fielding, Edgar Allan Poe und Edith Wharton ins Deutsche übertragen.


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