E-Book, Deutsch, 289 Seiten, eBook
Ehrenspeck / Kajetzke / de Haan Bildung: Angebot oder Zumutung?
2008
ISBN: 978-3-531-90826-7
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
E-Book, Deutsch, 289 Seiten, eBook
ISBN: 978-3-531-90826-7
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Auf den Begriff der Bildung ist Dieter Lenzen in seinen wissenschaftlichen Arbeiten immer wieder zurückgekommen. Wenn Bildung die Aneignung von Welt bedeutet, dann schienen lange Zeit insbesondere die hohen Freiheitsgrade dieser Aneignung entscheidend: 'Erziehung ist eine Zumutung, Bildung ein Angebot'. Der gemeinsame Bezugspunkt der Beiträge in diesem Sammelband ist der Begriff der Bildung. In den unterschiedlichen - historischen, systematischen und funktionalen - Analyseperspektiven entfalten die Autoren den Begriff in diversen thematischen Kontexten im Spannungsverhältnis von Angebot und Zumutung.
Dr. Yvonne Ehrenspeck ist Professorin für Allgemeine Pädagogik an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.
Dr. Gerhard de Haan ist Professor für Allgemeine Erziehungswissenschaft und erziehungswissenschaftliche Zukunftsforschung an der FU Berlin.
Dr. Felicitas Thiel ist Professorin für Schulpädagogik an der FU Berlin.
Zielgruppe
Professional/practitioner
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;Inhalt;6
2;Vorwort: Wer bestimmt, was Mensch wissen muss?;10
3;1 Wissen und Diskurs in Theorie und Methode;20
4;2 Wissen und Diskurs als Konzepte der Soziologie;28
4.1;2.1 Wissen als Gegenstand der Soziologie;28
4.2;2.2 Diskurs als Konzept der Soziologie;30
5;3 Wissen bei Foucault;34
5.1;3.1 Wissen und Macht;35
5.2;3.2 Wissen und Subjekt;38
5.3;3.3 Wissen im Dispositiv;42
5.4;3.4 Wissen im Diskurs;45
6;4 Wissen bei Bourdieu;54
6.1;4.1 Wissen und Macht;55
6.2;4.2 Wissen als Ressource: kulturelles Kapital;59
6.3;4.3 Wissen als Kognition: symbolisches Kapital;60
6.4;4.4 Wissen im Diskurs;65
7;5 Wissen und Diskurs bei Foucault und Bourdieu: Ein Vergleich;76
7.1;5.1 Wissen bei Foucault und Bourdieu;77
7.2;5.2 Diskurs bei Foucault und Bourdieu;84
7.3;5.3 Wissen in der PISA-Studie: Zahlen und Hintergrund;87
7.4;5.4 Bourdieu: Die PISA-Studie als Häresie;91
7.5;5.5 Foucault: Die PISA-Studie als Disziplinierung;94
8;6 Methodologie: Von der Diskurstheorie zur Diskursanalyse;100
8.1;6.1 Die Methode: Grounded Theory;102
8.2;6.2 Kritik und diskursanalytische Erweiterung;107
9;7 Wissen im PISA-Diskurs: Zwei Analysen;116
9.1;7.1 Der Diskursstrang;118
9.2;7.2 Die Diskursfragmente;119
9.3;7.3 Die Diskursordnung;123
9.4;7.4 Analyse I: Wissen und Bildung im PISA-Diskurs;135
9.5;7.5 Analyse II: Das Wissen über das Schüler-Subjekt;144
10;8 Die Skepsis gegenüber gesellschaftlichen Deutungen;156
10.1;8.1 Ein Resümee;156
10.2;8.2 Ausblick;160
11;Literaturverzeichnis;164
12;Verzeichnis der Zeitungsartikel;178
12.1;Artikel PISA 2001;178
12.2;Artikel 2004;183
13;Personenregister;188
14;Sachregister;190
Bildungstheorie Und Bildungsphilosophie.- Instantane Bildung.- Ungewisse Zukunft, Kompetenzerwerb und Bildung.- Über die bildende Wirkung der psychoanalytischen Kur.- „Bildung“ zwischen Individuation und Vernetzung.- Die Idee der Humanisierung des Menschen im Medium ästhetischer Bildung bei Friedrich SCHILLER und Johann Friedrich HERBART.- „Jene absurde Oberleitung der geheimnisvollen Männer“.- Allgemeine Erziehungswissenschaft Und Erziehungswissenschaftliche Wissenschaftsforschung.- Der Bildungsraum als Kommunikations- und Navigationsraum.- Zur Lemma- und Inhaltsanalyse pädagogischer Nachschlagewerke.- Reflexive Erziehungswissenschaft und die Vermeidung der Grausamkeit.- Medien — Zumutung oder Angebot?.- Bildungsforschung Und Bildungsorganisation.- Coaching — ein Bildungsrisiko?.- Die Organisation der Bildung — eine Zumutung für die Profession?.- Barrieren der Bildungsgerechtigkeit.- Die Herstellung von Ordnung als Zumutung oder als Auftrag?.- Interaktion/Organisation — Formalität/ Informalität.
4.2 Wissen als Ressource: kulturelles Kapital (S. 53)
Kulturelles Kapital tritt in drei möglichen Formen auf: als kulturelle Güter, d.h. in objektiver Form, z.B. als Bücher oder Gemälde, in institutionalisierter Weise als gesellschaftlich anerkannte Bildungstitel und schließlich in inkorporierter Form durch angeeignete ,,Bildung (Bourdieu 2001b: l13f.).
Bourdieu verwendet den Begriff des kulturellen Kapitals, um zu zeigen, dass das Wissen eines Akteurs das Resultat gesellschaftlicher Arbeit ist, die das Umfeld und der Akteur selbst in seine Bildungsentwicklung investiert haben. Die Aneignung kulturellen Kapitals durch Inkorporierung ist ein Prozess, der Kultur in den Körper einschreibt.
Diese Art des Wissenserwerbs als verinnerlichte kulturelle Fähigkeiten und Fertigkeiten bezeichnet Bourdieu als ,,Bildung (ebd.: 116). ,,Wissen stellt in diesem Fall eine Ressource des Akteurs dar, auf die zurückgegriffen werden kann, ist aber auch mehr als das: Es ist in Form des Habitus erlerntes und praktiziertes Wissen, d.h. Teil der Identität eines Akteurs. Diese Ressource ist sozial ungleich verteilt:
,,In Wirklichkeit jedoch vermittelt jede Familie ihren Kindern auf eher indirekten als direkten Wegen ein bestimmtes kulturelles Kapital, ein System impliziter und tief verinnerlichter Werte, das u.a auch die Einstellungen zum kulturellen Kapital und zur schulischen institution entscheidend beeinflusst. (ebd. 26, Hervorhebungen im Original, L.K.)
Das ,,kulturelle Erbe (ebd.) wird durch ,,soziale Vererbung weitergegeben, d.h. die Kapitalstruktur der Familie in ökonomischer, sozialer und kultureller Hinsicht spielt eine erhebliche Rolle in Bezug auf die Inkorporierung des kulturellen Kapitals durch einen Akteur (ebd.: 114). Bildung zu inkorporieren heißt nicht nur schulisches oder akademisches Wissen zu erlangen, sondern auch Wissen über Verhaltensweisen, soziale Kompetenz und auch Wissen in der Form eines als wahrhaftig empfundenen Genusses eines sonst unverständlichen Kunstwerkes oder Musikstückes.
Kulturelles Kapital in objektivierter Form kann folglich nur mit einem ,,gebildeten Habitus erfasst werden, erfordert also vorangegangene inkorporierte Bildungsarbeit.
So kann festgestellt werden, dass Bildung elementarer Teil des Habitus ist. Da dieser die Machtverhältnisse zwischen Feld und Akteur repräsentiert, ist im Habitus nach den Möglichkeiten und Grenzen dessen zu suchen, was ein Akteur wissen kann. Das Feld setzt die institutionellen Voraussetzungen für die Verteilung des kulturellen Kapitals (Bourdieu 1987: 237).
Akteure, deren unmittelbares Umfeld mehr ökonomisches und kulturelles Kapital aufweist, haben, wie Bourdieu auch empirisch nachweist, bessere Chancen der Interessensdurchsetzung in der Schule und im späteren Berufsleben (Bourdieu 2001 b: 25ff., Bourdieu/Passeron 1971).
4.3 Wissen als Kognition: symbolisches Kapital
Unter symbolischem Kapital versteht Bourdieu das Kapital an Renommee und Prestige, das mit den jeweils anderen Kapitalsorten verbunden ist. Es handelt sich um die soziale Legitimation, welche der Handlung oder dem Besitz eines Akteurs von anderen Akteuren oder Gruppen im jeweiligen Feld entgegengebracht wird. Das symbolische Kapital beruht dabei auf der Akkumulation der anderen Kapitalsorten, ökonomisch, sozial und kulturell, und ist eine Wahrnehmungsinstanz:
Das symbolische Kapital (...) ist nicht eine besondere Art Kapital, sondern das, was aus jeder Art von Kapital wird, das als Kapital, das heißt als (aktuelle oder potentielle) Kraft, Macht oder Fähigkeit zur Ausbeutung verkannt, also als legitim anerkannt wird. (Bourdieu 2001 a: 311)