Eibl / Ortner / Schneider Wasser und Raum
1. Auflage 2007
ISBN: 978-3-86234-047-7
Verlag: V&R unipress
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection
Beiträge zu einer Kulturtheorie des Wassers. E-BOOK
E-Book, Deutsch, 366 Seiten, Format (B × H): 165 mm x 240 mm
ISBN: 978-3-86234-047-7
Verlag: V&R unipress
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection
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Weitere Infos & Material
1;Inhalt;7
2;Vorwort;9
3;Teil I Perspektiven der Forschung;11
3.1;Interdisziplinäre Zugänge zum Thema » Wasser und Raum « . Konzept und Aufbau des Buches;13
3.2;Wasser- Konzepte: unser Wissen vom Wasser;23
3.3;Der Wasserraum als Wahrnehmungs-, Vorstellungs- und Handlungsraum. Kognitionswissenschaftliche Perspektiven;33
3.4;Die Perspektive des Wasserraumes als soziales und kulturelles Konstrukt;47
4;Teil II Sprachlich- kognitive Zugänge;61
4.1;Die Konzeptualisierung von Wasser als Raum in der Sprache von Wassersportzeitschriften;63
4.2;Wasser – Kulturem und Universalie. Wasserkonzept( e) und Wassermetaphorik in Original und Übersetzung;105
5;Teil III Historisch- anthropologische Zugänge;143
5.1;Vom Anfang des Kosmos bis zum Menschen. Antike Konzeptionen von Wasserräumen und Wasserformen;145
5.2;Gewässerfunde: Opfer – Katastrophe – Verlust – Abfall;185
5.3;Zwischen Natur und Kultur. Über die Konstruktion von Wasserräumen in gegenwärtigen Tourismuskonzepten;227
6;Teil IV Farbtafeln;257
7;Teil V Narrativ- symbolische Zugänge;275
7.1;Wasser, Raum und Kultur in Julien Gracqs Roman Le Rivage des Syrtes;277
7.2;Die Poebene als konkreter und als metaphorischer » Wasser- Raum « in den Erzählungen Gianni Celatis;295
7.3;Moskau – Hafen von fünf Meeren: Die stalinistische » Wasserkultur « und ihre symbolischen Bedeutungen;321
8;Teil VI Visuell- symbolische Zugänge;343
8.1;Atmosphären, Verräumlichung und Bild. Verdinglichte Ekstasen oder von der Kunst, Wasser zu malen;345
9;Autorinnen und Autoren;363
"Sybille-Karin Moser Atmosphären,Verräumlichung und Bild. Verdinglichte Ekstasen oder von der Kunst, Wasser zu malen (S. 343-344)
1. Wahrnehmungen und Urteile
Anlässlich einer Einzel-Ausstellung von Landschaftsgemälden des kanadischenMalersKen Danby imHerbst 2004 inToronto1 sagte ein etwa fünf Jahre alter Bub vor einemWassergemälde in die Stille des Anschauens hinein zu seinemVater: »Daddy, I can hear the water!« Mit Sicherheit lag manchem von uns bereits mehrere Male ein ähnliches Urteil auf den Lippen, wenn ein Gemälde imstande war, starke Sinneserfahrungen in uns aufzurufen und die Erinnerung an einNaturerlebnis zu wecken. Uns Kunsthistoriker hemmt aber der nörgelndeVerstand. Diemeisten von uns zögern, gleich diesem Jungen unserer anschauenden Urteilskraft für ein affektives Bekenntnis ungezügelten Lauf zu lassen. Die Gründe des Zögerns müssen nicht wissenschaftliche sein; sie liegen zumeist in unserer Befangenheit, verstrickt in Vorstellungen und Vorurteilen.
Modeströmung und Eitelkeit2 haben auch vor der Wissenschaft und vor derKunstgeschichte nicht Halt gemacht.Bis vor der Jahrtausendwende – es zeichnet sich eben in aller Deutlichkeit eine Trendwende ab – war es nicht en vogue, zeitgenössische realistische Landschaftsmalerei als beachtenswert oder gar gut zu finden. Naturalismen können vom gelehrten Kunsthistoriker nur dann Würdigung erfahren, wenn es für sie historische Positionierungen im nach wie vor unhinterfragt gültigen Zeit- Raum-Kontinuum der europäischen Stilgeschichte gibt.Die gemeinhin – nennen wir sie – diagnostisch verfahrende westliche Rezeptionsästhetik sieht imKunstwerk »keine Schöpfung, sondern einDokument«.
IhreArt der scheinbar »unvoreingenommenen« distanzierten Objektanalyse und Interpretation liefert jedoch nur ein schwaches Surrogat für das erhebende und klärende Erlebnis,das sich in der Begegnungmit einemKunstwerk einstellen kann. Dieses Surrogat wird dem,was sich als neue Realität, als Beziehungsgeflecht zwischen Kunstwerk und Betrachter entwickelt, dem Bild, nicht gerecht. Ein Gemälde ist etwas Geheimnisvolles.Auf eine ganz andereWeise, als es die Fotografie vermag,verkündet es:es wurde etwas gesehen.DieAf- firmation des Sichtbaren, des Existierenden, des Körperhaften stellt sich ein und erreicht den Betrachter als Signal.
Die einzige aber notwendige Bedingung für den Gewinn der Erkenntnis dessen, was hier in Gestalt eines Kunstwerks, gleichsam als Schöpfung erscheint, ist des Betrachters Fähigkeit zur unmittelbaren Hingabe. In der Psychoanalyse wird dieses Element des spontanen und interessegeleiteten Eingehens als Übertragung bezeichnet.Wir können es aber ganz einfach Liebe5 nennen, denn nicht von ungefähr bezeichnete man einen Kenner als Kunstliebhaber.
Wir sind beimThema:WelcherArt sind die Bedingungen dafür,dass ein Gemälde, in das wir uns betrachtend versenken, in uns das Sinneserlebnis des Rauschens vonWasser auslöst? Die Bedingungen sind komplex und sie sind nicht nur im Bildbetrachter, sondern ebenso imKünstler und seinen geistigen wie bildkünstlerischen Fähigkeiten zu orten. Ein Gemälde ist beides, Szene und gemalte Oberfläche. Beides geht ein in das ästhetische Problem. Das ästhetische Problem, das Kunsthistoriker wie Literaturwissenschaftler gleichermaßen beschäftigt, wurzelt tief und es hat eine Geschichte."