Eick Exposee, Treatment und Konzept
2. aktualisierte Auflage 2013
ISBN: 978-3-7445-0513-0
Verlag: Herbert von Halem Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 75, 158 Seiten
Reihe: Praxis Film
ISBN: 978-3-7445-0513-0
Verlag: Herbert von Halem Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Vor dem Drehbuch kommt das Treatment, kommt das Exposee, kommt vielleicht auch die Outline oder das Serienkonzept. Nicht das fertige Drehbuch, sondern diese kurzen Texte sind die zentralen 'Verkaufsargumente' für jede Film- und Fernsehproduktion. Anhand ihrer werden Stoffpotenzial und -qualität eingeschätzt. Sie sind die Basis für jede Produktions- und Förderentscheidung. Dennis Eick erklärt in seiner aktualisierten Neuauflage die Anforderungen dieser Textformen: Wie verfasse ich ein aussagekräftiges und lebendiges Exposee? Wie soll mein Treatment aufgebaut sein? Was muss ein Serienkonzept beinhalten? Gibt es formale Einschränkungen? Wie kann ich durch meinen Stil den Leser begeistern? Wie entwickle ich auf diesen wenigen Seiten runde Figuren? Wie einen spannenden Plot? Welche Informationen sind überflüssig, welche notwendig? Anschaulich zeigt er Filmstudierenden, Autoren, Producern und Dramaturgen wie sich Struktur, Stil oder Figurenführung in den Texten unterscheiden, wie man seinen Stoff konsequent entwickelt und wie man mit der richtigen Präsentation überzeugen kann. Als Praxisbeispiele dienen Exposees und Treatments von z.B. 'Lola rennt' oder das Serienkonzept zu der ZDF-Serie 'Die letzte Spur'.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Geisteswissenschaften Theater- und Filmwissenschaft | Andere Darstellende Künste Filmwissenschaft, Fernsehen, Radio Fernsehdrehbücher
- Geisteswissenschaften Theater- und Filmwissenschaft | Andere Darstellende Künste Filmwissenschaft, Fernsehen, Radio Filmdrehbücher
- Geisteswissenschaften Theater- und Filmwissenschaft | Andere Darstellende Künste Filmwissenschaft, Fernsehen, Radio Fernsehproduktion
Weitere Infos & Material
[16][17]3. Der Markt vs. Der Stoff an sich
Bevor Sie Ihren Stoff in die Form eines Exposees oder Treatments bringen, sollten Sie über den Stoff an sich nachdenken. So selbstverständlich dies klingt, so selten wird es anscheinend gemacht. Wie sonst sind die unzähligen kursierenden Stoffe zu erklären, die keinerlei Erfolgsaussichten haben? Im Zentrum eines erfolgreichen Films steht immer eine gute Geschichte. Selbst wenn Sie ein formal und strukturell perfektes Exposee schreiben (sofern das überhaupt geht), ist damit noch längst nicht gesagt, dass Sie dieses tatsächlich verkaufen können. Denn für Ihre Geschichte muss ein Markt da sein, eine potenzielle Zuschauerschaft, die sich für das Thema (vgl. dazu auch Kapitel 6.6) interessiert. Es ist unmöglich, hier auf die Wünsche oder Vorstellungen der Fernsehsender einzugehen – diese sind sehr unterschiedlich und variieren darüber hinaus ständig, so dass sie eigentlich gar nicht in Buchform gebracht werden können. Eine wöchentliche Kolumne würde sich da besser eignen. Stattdessen wollen wir über ein paar Grundfesten sprechen und uns weitere Marktbedingungen ansehen, die ebenfalls kaum variieren. Aber zunächst fragen Sie sich doch einmal: Was erwartet das Publikum? Und vor allem: Wer ist Ihr Publikum? Für wen schreiben Sie? Sie sollten Ihre Zielgruppe immer im Blick haben. An ihr muss sich der Stoff in all seinen Aspekten orientieren. Besonders die privaten Fernsehsender haben, was ihre Zielgruppendefinitionen angeht, sehr klare Profile – im Gegensatz zu den öffentlich-rechtlichen Sendern, die ja per Rundfunkstaatsvertrag ein Programm für die gesamte Bevölkerung liefern müssen. Insofern haben hier eher einzelne Programmfenster bestimmte Zielgruppen im Visier. Aber sicherlich hat auch ARTE ein besonders klares Profil. Dieser Sender versucht, vornehmlich kulturinteressierte und damit gebildete Zuschauer anzusprechen. Die amerikanischen Blockbuster-Kinofilme werden zum großen Teil für 14-28-jährige und primär männliche Zuschauer konzipiert.1 Das ist das Publikum, das in den USA mit Abstand am häufigsten ins Kino geht und auch bereit ist, entsprechend viel Geld auszugeben – Popcorn und Softdrinks werden immer stärker in die Kalkulationen mit einbezogen. Nicht nur deshalb kann man den Inhalt der meisten Hollywood-Blockbuster in zwei Sätzen zusammenfassen (das versucht übrigens auch die Logline in einem Lektorat) – die so genannte High Concept Idea hat Steven Spielberg 1975 mit dem Weißen Hai eingeführt. Um den Inhalt zu verstehen, genügen wenige Stichwörter, die auch ein Grundschulkind nachvollziehen kann. [18]Die Independent-Schiene fokussiert ein ganz anderes Publikum. In Deutschland sind die Kinobesucher im Alter von 20 bis 39 die größte Gruppe, Männer und Frauen sind dabei annähernd gleich verteilt. Wenn Sie für das Kino schreiben, sind es schließlich die Blockbuster, mit denen sich Ihr Kinostoff messen lassen muss. Nicht im direkten Vergleich, doch die US-Ware nimmt eben einen enorm großen Anteil ein (fast jede vierte Kinokarte wurde 2011 für einen Top-Ten-Film gelöst. Der Anteil des deutschen Films machte im selben Jahr 21,8 Prozent aus – und das obwohl unter den Top 20 mit Kokowääh, What a Man, Wicki auf großer Fahrt und Almanya – Willkommen in Deutschland vier deutsche Filme waren. Bei diesen niedrigen Zahlen wundert es nicht, dass der Weg eines Stoffes auf die Leinwand nicht unproblematisch ist. Wenn Sie also einen kommerziellen Kinofilm schreiben wollen, fragen Sie sich bitte Folgendes: Erstens: Warum sollte jemand durchschnittlich über sieben Euro bezahlen, um sich Ihre Geschichte anzusehen? Ist die Geschichte so besonders? (Und seien Sie ehrlich!) Was ist es, das diese Geschichte so besonders macht? Geschichten über Dreiecksbeziehungen gibt es in unzähligen Variationen – was ist es, das Ihre Geschichte davon abhebt? Ist es vielleicht der Blickwinkel, aus dem heraus Sie den Plot erzählen? Versuchen Sie, etwas Originelles zu finden. Sei es der Stoff selbst, oder sei es die Sichtweise. Auch ein bekanntes Thema können Sie neu besetzen und variieren. Sie müssen nicht den originellsten Stoff aller Zeiten erfinden – so etwas geht immer schief, weil Sie das Publikum damit überfordern. Ihre Zuschauer brauchen oftmals die Gewissheit, sich bestimmten Konventionen ausliefern zu können und reagieren irritiert, wenn ein Stoff nicht ihren Erwartungen entspricht. Das Genre schafft also Einschränkungen, gleichfalls aber auch Möglichkeiten. Gerade die vermeintlich festgesteckten Grenzen eines Genres können die Kreativität des Autors anfachen. Sie können die Klischees durchbrechen, können damit spielen, aber nur, wenn Sie die Norm entsprechend beherrschen. Bevor man revoltiert, muss man wissen, gegen was man protestiert. Alles andere wirkt amateurhaft oder zumindest artifiziell. Fragen Sie sich zweitens: Ist Film das richtige Medium? Ist dieser Stoff tatsächlich dafür geeignet, auf der überdimensionalen Leinwand abgespielt zu werden? Ist die Geschichte »groß« genug? Sind die zu erwartenden Bilder ausdrucksstark genug? Oder ist vielmehr die kleine Mattscheibe des Fernsehens geeigneter für Ihre Idee? Bietet Ihr Stoff womöglich sogar die Basis für eine Serie? Beachten Sie aber auch, dass Sie vielleicht sogar ein nicht-audiovisuelles Medium wählen müssten. Viele Geschichten sind in Buchform viel besser aufgehoben und entfalten nur hier ihre volle Wirkung. [19]Fragen Sie sich drittens: Entspricht der Film dem Zeitgeist? Ist es eine Geschichte, die jetzt erzählt werden muss? Oder genauer: Ist es eine Geschichte, die in ein oder zwei Jahren den Nerv der Zuschauer trifft? Denn so lange wird es mindestens dauern, bis Ihr Stoff verfilmt wurde. Sie müssen also versuchen, die Zuschauerhaltung in der Zukunft zu antizipieren – und genau dasselbe werden auch Lektor und Produzent versuchen. Welche Aussage treffen Sie mit der Geschichte, was wollen Sie überhaupt sagen? Nicht nur inhaltlich, sondern auch dramaturgisch müssen Sie später ebenso darauf achten, wie die Aussage getroffen wird. Wird Sie im Protagonisten widergespiegelt und macht dieser eine Entwicklung durch? Reflektieren Sie auch Ihr Thema (vgl. dazu Kapitel 6.6)! Es scheint seltsamerweise so zu sein, dass sich Autoren anfangs weniger Gedanken über das Thema machen – die Lektoren dagegen aber mehr. Da Sie diesen keine Angriffsfläche liefern wollen, sollten Sie Ihren Stoff daraufhin abklopfen. Und erst dann interessiert viertens: Ist es ein überzeugendes, handwerklich gutes Exposee / Treatment? Wenn Sie nun den Stoff im Exposee oder Treatment entwickeln, behalten Sie die Konsequenzen Ihres Tuns für die Marktchancen Ihres Stoffes immer im Blick. Diese spiegeln sich z.B. in dem tragenden Konflikt wider. Wenn Sie äußere Konflikte (z.B. »Ein in Seenot geratenes Containerschiff droht zu sinken« oder »Gangster nehmen einen ganzen Schnellzug als Geisel«) wählen, so sollten Sie sich darauf einrichten, dass Sie eher ein breites Mainstreampublikum ansprechen, dass aber Ihr Film entsprechend teuer zu finanzieren ist und damit Ihre Erfolgsaussichten, den Film bei einem Produzenten oder Sender unterzubringen, geringer sind. Denn äußere Konflikte (vgl. Kapitel 5.4), nämlich der Kampf des Menschen gegen die Natur oder gegen die Technik, sind meist extrem kostenintensiv in der Produktion. Es kostet nun einmal eine Menge Geld, einen Vulkanausbruch, einen großen Hai oder eine Raumstation zu visualisieren. Denken Sie immer an die Produktionskosten. Mit einem Exposee geben Sie bereits einen sehr groben Weg für den späteren Film vor. Wenn Sie dagegen einen inneren Konflikt in das Zentrum Ihres Stoffes stellen, sollten Sie darauf gefasst sein, dass Sie tendenziell eher ein Arthouse-Publikum erreichen – auch wenn Filme wie Sex, Lügen und Video sehr erfolgreich waren. Der breite Mainstream lässt sich jedoch eher mit den klassischen Antagonistenkonflikten erreichen, die eine klare Einteilung wie Gut gegen Böse widerspiegeln – auch eine Tatsache, die Sie bei der Schaffung Ihres Antagonisten beachten sollten. Aber halten Sie die Zuschauer nie für dumm. Sie sind intelligenter, als Sie denken. (Gleiches gilt natürlich für den Leser Ihrer Stoffe.) Beobachten Sie die Konkurrenz! Welche anderen Filme haben gegenwärtig Erfolg? Wie grenzt sich Ihr Stoff dagegen ab? [20]Wenn Sie für das Fernsehen schreiben – überprüfen Sie, welche Stoffe bei welchen Sendern laufen! Was sind Erfolge, was sind Flops? Nach einem katastrophal gefloppten, aber extrem teuren Eventmovie, der vielleicht im Mittelalter spielt, wird der Sender wahrscheinlich zunächst die Finger von historischen Stoffen lassen wollen – auch wenn Ihre Idee noch so gut und überzeugend sein mag. Welche Themen sind gerade aktuell? Was beschäftigt die Menschen? Auch wenn Sie zentrale Gefühle wie Liebe oder Eifersucht erzählen wollen, die sicherlich fast alle Menschen nachvollziehen können – Sie müssen diese Themen in verständliche Handlungen und Settings einbauen und diese müssen sozusagen den Zeitgeist treffen. Schwieriger noch: Sie müssen den Zeitgeist antizipieren. Sie müssen sozusagen vorhersehen, was in ein bis zwei Jahren interessant sein wird. Wichtig: Was ist der USP Ihres Stoffes? Unter dem Unique Selling Point versteht man das, was Ihre Idee von allen anderen unterscheidet und was sie so besonders...