Eiden / Ghanbari / Weber | Totenkulte | Buch | 978-3-593-38096-4 | sack.de

Buch, Deutsch, 376 Seiten, Format (B × H): 141 mm x 214 mm, Gewicht: 465 g

Eiden / Ghanbari / Weber

Totenkulte

Kulturelle und literarische Grenzgänge zwischen Leben und Tod
1. Auflage 2006
ISBN: 978-3-593-38096-4
Verlag: Campus

Kulturelle und literarische Grenzgänge zwischen Leben und Tod

Buch, Deutsch, 376 Seiten, Format (B × H): 141 mm x 214 mm, Gewicht: 465 g

ISBN: 978-3-593-38096-4
Verlag: Campus


Die Art, wie die Lebenden mit den Toten umgehen, und der Raum, den sie ihnen zugestehen, sagen viel über das Selbstverständnis einer Gesellschaft. Dieser Band schildert die Bedeutung von Totenritualen in verschiedenen Kulturen seit dem Mittelalter bis heute: Grabmalkulte und Jenseitsvorstellungen, der Umgang mit körperlichen Überresten, die Literatur als Form des Totengedenkens, Filme über Zombies und Wiedergänger sowie die Konservierung des Todes in der umstrittenen Körperweltenausstellung. Mit Beiträgen von Burkhard Gladigow, Klaus- Peter Köpping, Albrecht Koschorke, Susanne Küchler, Johanna Offe u. a.
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Inhalt

Einleitung 9

Grabmale
Vor dem Bild: Der Grenzverkehr zwischen Leben und Tod am
Ursprung der abendländischen Mimesis
Albrecht Koschorke 17

Neuer Sinn aus alten Knochen: Zur Konstruktion
kollektiver Erinnerungen durch Gräberkulte
Olaf B. Rader 23

Das Grabmal als Zukunftsinvestition
Philipp Zitzlsperger 37

"sie kusten sich wol tusent stunt" - Schrift, Bild und Animation
des toten Körpers in Grabmalbeschreibungen des hohen Mittelalters
Haiko Wandhoff 53

Erzählte Tode
Ansteckung zum Tode: Diskontinuierliche Kommunikation
zwischen Leben und Tod in Jörg Wickrams Gabriotto
Susanne Reichlin 81

Zwischen Totenkult und Textkult: Der Mensch, der Tod und das Gedicht
Annette Werberger 103

Die Lethargie des Textes und der Kommentar als Wiederbelebung
in Nikolaj Gogols Bühnenwerken
Nikita Sedov 123

"I began with the desire to speak with the dead": Stephen Greenblatts
Unterhaltung mit den Toten
Tobias Weber 133

Tote Körper
Leichen und Geister: Fotografie und Tod im 19. Jahrhundert
Christiane Arndt 147

Der Tod als Spiegel des Lebens: Zur epistemologischen
Verwertung toter Körper in der Ausstellung Körperwelten
Eva Blome/Johanna A. Offe 171

Totenrituale und ihre Objekte
Susanne Küchler 193

Lebende Tote
Keihadru al amuat.: Heiligenkulte und die Vergegenwärtigung der Toten
in Marokko
Martin Zillinger 217

Lebende Tote? Repräsentationen des Todes und der Vitalismus
des Protests im AIDS-Diskurs der 1980er und 90er Jahre
Brigitte Weingart 245

ZOMBIES - Zu Motivik und Ikonografie der Lebenden Toten
in Haiti, Hollywood und Nigeria
Tobias Wendl 275

Vergegenwärtigte Ahnen: Zur symbolischen Ordnung
der Masken auf Bali
Volker Gottowik 291

Erbschaften
Totenglocken: Was von Hegel bleibt
Nacim Ghanbari 313

Bündnis mit dem Jenseits: Emmanuel Lévinas
als Philosoph des Testaments
Konstanze Baron 333

Der Tod des Vergil: Beerbung und Beerdigung einer Tradition
Patrick Eiden 349

Autoren 375


Einleitung

Wie die Lebenden mit den Toten umgehen, gibt wichtige Hinweise auf die Ordnung einer Gemeinschaft. Auch wenn Verwandte, Freunde, öffentliche Personen oder Fremde sterben, bleiben sie doch im sozialen Leben präsent. Die Lebenden schaffen kultische und rituelle Formen der Begegnung mit den Toten: Man erzählt von verstorbenen Menschen in Legenden, Geschichten und Alltagsgesprächen, gibt ihnen einen Platz im Kalender, glaubt sie durch Magie beschwören und bannen zu können, bewahrt ihr Andenken in Bildern und Filmen, besucht ihre Gräber oder gedenkt ihrer an besonderen Gedächtnisorten, ersetzt sie durch Masken oder Totemzeichen. Manche Tote werden in besonderer Weise erinnert: Man widmet ihnen Nachrufe oder Biografien, feiert ihre Geburts- und Todestage, verehrt sie als Heilige oder kanonisiert sie als Klassiker. Andere werden dagegen rasch vergessen oder bewusst aus dem Gedächtnis getilgt. Von der Verbindung zwischen den Lebenden und den Toten hängt vieles ab: die Selbstdeutungen von Individuen und Gemeinschaften, ihr Verständnis von Tradition, Erbe und historischer Verantwortung, die sozialen Beziehungen der Lebenden untereinander, die Kontinuität ihrer Normen, Institutionen und Symbole.
Die im vorliegenden Band versammelten Beiträge nehmen Umschlagplätze in Augenschein, an denen der Austausch zwischen den Abwesenden und den Anwesenden stattfindet. Diese Kontaktnahmen treiben vielfältige Figurationen des Dritten hervor: dritte Räume zwischen Diesseits und Jenseits; Medien, welche die Kluft zwischen dem Reich der Lebenden und dem der Toten markieren und zugleich überbrücken; Zwischenwesen, die sich der eindeutigen Zuordnung zu einer der beiden Welten entziehen; schließlich Zeiten des Übergangs von der einen Ordnung in die andere.
Wenn, wie Thomas Macho schreibt, das "provozierende Rätsel des Todes […] nicht allein darin [besteht], daß der Tote ›fortgeht‹, sondern darin, daß er ›bleibt‹", dann nimmt der Band Totenkulte sich bewusst der Vielzahl von Ritualen und Repräsentationsformen an, mit denen dieses Rätsel in verschiedenen kulturellen Kontexten und zu verschiedenen Zeiten bearbeitet wurde und immer noch bearbeitet wird. Dabei steht nicht "der Tod" als großes Abstraktum im Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern die konkreten kulturellen Praktiken, die jenes Abstraktum handhabbar machen sollen.
Die "Grenzgänge", die im vorliegenden Band untersucht werden, lassen in ihrer rituellen Verfasstheit eine jeweils verschiedene "Materialität" des Todes und der Toten hervortreten, der die besondere rituelle Sorge gilt. Der tote Körper - das, was unübersehbar bleibt - wird zum Ausgangspunkt von Transformationsprozessen, welche ihren Ursprung nie ganz vergessen machen können: sei es im Grabmal oder der Fotografie, als Plastinat oder Videozombie, als Statue oder Schrift. Die Insistenz des Materiellen, die sich in den untersuchten Totenkulten bemerkbar macht, erfordert eine Ausdifferenzierung der methodischen Zugänge, welche auch die wissenschaftliche Beschäftigung selbst zu einem Grenzgang werden lässt - nicht zuletzt zwischen den Disziplinen.
Der vorliegende Band nähert sich dem rituellen Umgang der Lebenden und Toten in einem weiten disziplinären Spektrum. Gemeinsam ist den Beiträgen, dass sie nicht von einem Allgemeinen ausgehen, das sich nur je verschieden zeigt, sondern dass sie an den irreduziblen Besonderheiten ansetzen. Neben Geschichte und Philosophie, Kunstgeschichte, Literatur- und Medienwissenschaft kommt hier der Ethnologie eine besondere Bedeutung zu. Die in der Ethnologie gepflegte und methodologisch betonte Aufmerksamkeit für die kleine Abweichung sowie die ethnologischen Techniken zur Aufzeichnung und Beschreibung minimer Differenzen stecken den Rahmen ab auch für die Untersuchung solcher Totenkulte, die gewöhnlich nicht in den Zuständigkeitsbereich der Ethnologie fallen.

Die erste Sektion des Bandes handelt von "Grabmälern". Albrecht Koschorke schreibt in "Vor dem Bild: Der Grenzverkehr zwischen Leben und Tod" vom Kult um die altgriechischen colossoi als der Vorgeschichte einer ersetzenden Monumentalisierung des abwesenden Leichnams. Im Gegensatz zur abendländischen Vorstellung der Monumentalisierung eines Abwesenden, die immer schon eine (wenn auch minimale) Ähnlichkeit zwischen dem Repräsentierten und dem Repräsentierenden voraussetzt, zeugen die colossoi von einem Denken, das die durch Ähnlichkeit bestimmte Bild-Abbild-Relation noch nicht kennt. Olaf B. Rader bietet in "Neuer Sinn aus alten Knochen: Zur Konstruktion kollektiver Erinnerungen durch Gräberkulte" einen kurzen historischen Abriss der Bestattungsrituale und zeigt, welche Rolle Gräber und ihre Verwaltung bei der Autoritäts- und Legitimitätsstärkung spielten. Eine ähnliche Funktion von Gräbern bestimmt Philipp Zitzlsperger in "Das Grabmal als Zukunftsinvestition" für die Papst- und Kardinalsgräber im Rom der Frühen Neuzeit. Auch hier dient das Grabmal, dessen Errichtung mitunter erst nachträglich von den Familien des Verstorbenen in Auftrag gegeben wurde, zur Etablierung von Traditionslinien und damit der Bestärkung eines machtpolitischen Anspruchs. Das Grabmal ist daher, so Zitzlsperger, nicht lediglich Teil einer Erinnerungskultur, sondern immer auch eine "Zukunftsinvestition" der Mächtigen. Haiko Wandhoffs Beitrag über "Schrift, Bild und Animation des toten Körpers in Grabmalbeschreibungen des hohen Mittelalters" fokussiert die literarische Beschreibung von Grabmälern in Epen und Romanen des 12. und 13. Jahrhunderts. Wandhoff deutet die Ekphrasen als Orte, an denen die aristokratisch-klerikale Kultur des Mittelalters ihre Jenseitsvorstellungen in der Auseinandersetzung mit früheren, heidnischen Formen der Todesbewältigung in Szene setzt.
Die Beiträge der Sektion "Erzählte Tode" handeln vom komplexen Verhältnis von Tod und Erzählung und den spezifischen (medialen) Zwängen, welche die literarischen Gattungen Roman, Gedicht und Drama auf das Erzählen vom Tode ausüben. Darüber hinaus untersuchen sie, wie gerade auch die Literaturwissenschaft als Totenkult verstanden werden muss: Ist diese doch vom widersprüchlichen Begehren angetrieben, einerseits den überlieferten Text vergangen sein zu lassen, anderseits aber die Stimme des abwesenden Autors im literaturwissenschaftlichen Gespräch präsent zu machen. Susanne Reichlin untersucht in "Ansteckung zum Tode: Diskontinuierliche Kommunikation zwischen Leben und Tod in Jörg Wickrams Gabriotto", wie sich die literarische Gestaltung des Liebestod-Motivs an der Schwelle vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit entscheidend verändert. Im Zentrum steht nicht mehr die Vereinigung der Liebenden im Tode, sondern die Kommunikation an der Schwelle von Leben und Tod. Während die Kommunikation der Lebenden darauf zielt, Liebe als etwas Zeitloses darzustellen, ist die Kommunikation im Zeichen des Todes von Unterbrechungen und Abwendungen geprägt, die Reichlin nicht zuletzt als mediale Reflexion dieser Texte liest. Ausgehend von Roland Barthes' Diktum, dass der Tod "irgendwo" in der Gesellschaft zu finden sein müsse, verortet Annette Werberger in "Zwischen Totenkult und Textkult: Der Mensch, der Tod und das Gedicht" den Tod im modernen Gedicht. In der Analyse von Gedichten und sprachmystisch arbeitenden Texten entdeckt sie sowohl eine sprachliche Idealisierung des Todes wie auch die wiederkehrende Einsicht in Mängel und Limitationen sprachlichen Gedenkens. Nikita Sedov bestimmt in "Die Lethargie des Textes und der Kommentar als Wiederbelebung in Nikolaj Gogols Bühnenwerken" die "Ununterscheidbarkeit von Totem und Lebendigem" als zentrales Merkmal der gogolschen Ästhetik. Eine wichtige Funktion kommt dabei den von Gogol selbst geschriebenen Kommentaren zu, die das Vermächtnis des Autors vor der "Lethargie" bewahren sollen, zugleich aber von der Unmöglichkeit der Selbsterläuterung zeugen. Gogols Verfahren der Kommentierung, so Sedov, schließt überdies an die antike Tradition an, auf der Bühne Tote sprechen zu lassen. Theatertechnisch werden die Toten nicht durch Verlebendigung zum Sprechen gebracht, sondern indem ihnen - den Stummen auf der Bühne - Kommentatoren zur Seite gestellt werden. Tobias Weber rekonstruiert in "›I began with the desire to speak with the dead.‹ Stephen Greenblatts Unterhaltung mit den Toten" die zentrale Bedeutung der Figur eines Gesprächs mit den Toten für das literaturwissenschaftliche Projekt des New Historicism. Er liest das wiederholte Auftauchen dieser Figur bei Greenblatt einerseits als Problematisierung einer allgemein-literaturwissenschaftlichen Konstellation und andererseits als symptomatischen Ausdruck des widersprüchlichen Erbes aus Anthropologie und Poststrukturalismus, welches der New Historicism antritt. Das Gespräch mit den Toten ist folglich nicht lediglich ein thematisches Interesse Greenblatts, sondern bildet den theoretisch-methodologischen Knotenpunkt seiner Lektüren.
"Tote Körper" - Wenn ein Mensch stirbt, hinterlässt er einen toten Körper. Am toten Körper werden bestimmte Riten vollzogen, die der Reinigung, Heiligung oder Verewigung dienen und Techniken der Verdinglichung und Verlebendigung erfordern. Zugleich können unbelebte Objekte (Reliquien, Bilder, Artefakte) den Status lebender Subjekte erhalten, Verstorbene verkörpern oder Verbindung zu ihnen herstellen - wie zum Beispiel die Leichenfotografien, welche Christiane Arndts Beitrag "Leichen und Geister - Fotografie und Tod im 19. Jahrhundert" zum Gegenstand hat. Die Fotografie, so Arndt, wird im 19. Jahrhundert aufgrund ihrer medialen Eigenschaften zum prädestinierten Ort einer kulturellen Auseinandersetzung mit dem Tod. Der Tod fungiert dabei nicht nur als Inhalt der dargestellten Fotografien, sondern gilt als Signatur eines Mediums, dessen Selbstreflexivität sich stets in der Auseinandersetzung mit Vergänglichkeit artikuliert hat. Eva Blome und Johanna A.Offe prüfen in "Der Tod als Spiegel des Lebens: Zur epistemologischen Verwertung toter Körper in der Ausstellung Körperwelten" den Anspruch des Anatomen Gunther von Hagens, mittels des anatomisch-musealen Blicks auf den toten Körper Wissen über das Leben zu vermitteln. Sie zeigen dabei, wie die Betonung allgemein-menschlicher Aspekte, welche das Plastinat als Form der Wissensvermittlung auszeichnet, nur um den Preis der Tilgung individuellen Lebens und Leidens zu haben ist. Susanne Küchler argumentiert in ihrem Beitrag "Totenrituale und ihre Objekte" dafür, den Stellenwert von Objekten in Totenritualen neu zu bestimmen. Als "geistige Dinge" stehen diese Objekte nicht so sehr für den individuellen Toten und dem Anspruch, diesen für die Ewigkeit zu konservieren. Vielmehr soll es das Objekt im Totenritual ermöglichen, den individuellen Toten zu vergessen und ihn in die plurale Gemeinschaft der Toten einzureihen. Fokussiert wird also weniger das ritualisierte Erinnern, sondern das "ritualisierte Vergessen".
Die Sektion "Lebende Tote" eröffnet Martin Zillinger. In seinem Beitrag "Heiligenkulte und die Vergegenwärtigung der Toten in Marokko". untersucht Zillinger die Funktion marokkanischer Dämonen- und Heiligenkulte. Die Heiligen garantieren durch ihren besonderen Stellenwert als Tote die Strukturierung der sozialen Ordnung. Sie erscheinen in Zeiten der Krise, in Übergangs- und Grenzzuständen, der Trance oder des Traums. Die Dämonen sind dabei keine störenden Figuren des Dritten, sondern im Gegenteil Figuren, die gestörte soziale Bindungen befrieden. In "Lebende Tote?" problematisiert Brigitte Weingart die Stigmatisierung von AIDS-Kranken als "lebende Toten" im politisch-kulturellen Diskurs der achtziger und neunziger Jahre und zeigt anhand des AIDS-Aktivismus die subversive Aneignung dieser Stigmatisierung. Tobias Wendl argumentiert in "ZOMBIES", dass auch die Dichotomie von Leben und Tod, wie alle kulturellen Klassifikationssysteme, ihre eigenen Übergangsbereiche und Anomalien erzeugt. Der Beitrag rückt die Figuration der Zombies als ein derartiges Übergangsphänomen mit "Horrifikanzpotential" in den Mittelpunkt und erzählt eine Geschichte dieser Figur: vom Haiti des 19. Jahrhunderts über Hollywood bis hin zum gegenwärtigen Videoboom im westafrikanischen Nollywood. Volker Gottowik berichtet in "Vergegenwärtigte Ahnen: Zur symbolischen Ordnung der Masken auf Bali" von den balinesischen Sakralfiguren Barong-Landung, die das Urelternpaar der Balinesen verkörpern. Gottowik beschreibt, wie das Maskenwesen und die darum kreisenden Rituale das Erzählen einer gemeinsamen Genealogie für die verschiedenen Ethnien und Religionen auf Bali ermöglichen. Als kulturspezifisches Symbolsystem überbrücken die Barong-Landung die gespaltene Herkunft der Balinesen und tragen so zur Aushandlung und normativen Verankerung sozialer Beziehungen auf Bali bei.
In der Sektion "Erbschaften" werden solche Hinterlassenschaften von Toten untersucht, welche nicht als sterbliche Überreste der Toten zurückbleiben, sondern von den Toten selbst den (Über-)Lebenden als Erbe und Auftrag mitgegeben werden. Die Verfügungen der Toten nehmen die Lebenden in die Pflicht - und stellen diese vor das Problem, dieser Pflicht nachzukommen. Konstanze Baron vertritt in ihrem Beitrag "Bündnis mit dem Jenseits: Emmanuel Lévinas als Philosoph des Testaments" die These, dass das lévinassche Konzept der Alterität und die damit verbundene Heteronomie nur unter Rekurs auf den Tod zu verstehen ist. Die unbedingte Autorität des Anderen speist sich aus seiner Entzogenheit und Unantastbarkeit; diese Attribute aber entrücken ihn zugleich der Sphäre der Lebenden und bringen jene Lebenden in die Position der Erben. Was der Andere (hint)erlässt, ist der Imperativ "Du sollst nicht töten". Dieser Erlass aber stiftet ein Bündnis, das bei Lévinas dem alt-testamentarischen Bund Gottes mit den Menschen nachgebildet ist. Nacim Ghanbari und Patrick Eiden widmen sich Erbschaften, die den Lebenden als Werke großer Dichter und Denker hinterlassen sind. Ghanbari untersucht in "Totenglocken" ausgehend von Derridas Glas und dessen Frage "was heute, für uns, hier, jetzt, von einem Hegel bleibt", die textuellen Praktiken, mit denen der Schüler sich zum Erbverwalter des Meisters macht: Zitierverfahren, Paraphrasen, Einführungen, schließlich Nachrufe, die sich als Vorwort verkleiden. Eiden zeichnet in seinem Beitrag "Der Tod des Vergil: Beerbung und Beerdigung einer Tradition" die philologischen Verfahrenweisen nach, vermittels derer der römische Dichter Vergil im 20. Jahrhundert zu einem auch politisch verbindlichen Klassiker stilisiert wurde. Die politische Autorität des vergilschen Werks speist sich für die verschiedenen philologischen Schulen durch die ihm unterstellte Macht, den Tod zu bewältigen. Hermann Brochs Roman Der Tod des Vergil interveniert hier, indem Broch einen Vergil zeigt, der an der Bewältigung des Todes scheitert und so auch die politisch-legitimatorische Macht seines Werkes bestreitet.
Die Beiträge des vorliegenden Bandes entstanden mehrheitlich für die vom DFG-Graduiertenkolleg "Die Figur des Dritten" im Januar 2005 an der Universität Konstanz abgehaltene Tagung "Totenkulte". Die Herausgeber bedanken sich bei der Universitätsgesellschaft Konstanz für die finanzielle Unterstützung. Ingo Marx und seinem Bestattungswagen-Literaturarchiv (www.bestattungswagen-literaturarchiv.de) danken wir für die Cover-Abbildung. Ebenso danken wir Ulrich Bröckling für organisatorische Unterstützung und, inbesondere, Eddy Decembrino, Sara Seppelfeld und Simone Warta für redaktionelle Hilfe bei der Fertigstellung des Manuskripts.

Die Herausgeber


Die Herausgeber sind Stipendiaten im Graduiertenkolleg 'Die Figur des Dritten ' der Universität Konstanz.



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