E-Book, Deutsch, 208 Seiten
Einwohlt Die Jungs und ich
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-401-80047-9
Verlag: Arena
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 208 Seiten
ISBN: 978-3-401-80047-9
Verlag: Arena
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
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ZWEITES KAPITEL,
IN DEM SINA ÜBER DIE ERSTEN MÄNNER IN IHREM LEBEN NACHDENKT Mein Papa und ich Etwas Schreckliches ist passiert: Leon ist auf dem Nachhauseweg von einem Auto angefahren worden. Jetzt liegt er mit etlichen Knochenbrüchen und -prellungen im Krankenhaus, es besteht Verdacht auf einen Schädelbasisbruch. Meine Eltern sind natürlich außer sich vor Sorge, Mama weicht nicht von Leons Seite und Papa redet mit einem Arzt nach dem anderen. Und auch ich mache mir große Gedanken um den Stinker. Großer Schwesterschwur:Wenn Leon wieder gesund hier ist, werde ich ihm nie mehr wieder das Nutellabrötchen klauen! Yannis, von dem ich mich sofort nach der Unglücksnachricht trösten lassen wollte, hat nur abgewunken.„Mach dir keine Gedanken, der überlebt das schon.“ Typisch Junge, oder? Immer einen auf coolen Kerl machen und bloß nicht zugeben, dass sie auch einen Kloß im Hals haben, wenn sie an den kleinen verletzten Kerl denken. Aber wehe, sie haben selbst mal einen Kratzer … „Leon hat eh immer a Massl“, meint Ösi. „Mach dir keine Sorgen.“ „Na, hoffentlich ist er bis zu eurem Italienurlaub wieder fit“, meint auch Irene lapidar. „Wie ich Leon kenne, steckt er das gut weg und schikaniert morgen wieder deine Mutter.“ „Hoffentlich“, antworte ich und trinke dankbar die selbst gemachte Zitronenlimo, die sie mir soeben hingestellt hat. Weil Mama über Nacht im Krankenhaus bleibt, hat Irene kurzerhand die Haushaltsführung übernommen, dabei bin ich längst kein Baby mehr und kann selbst Spaghetti kochen! Aber ich genieße es dann doch, mit ihr gemeinsam Erdbeertörtchen zu backen und von ihr eine Eins-a-Fußreflexzonenmassage zu bekommen. Als Papa am Abend mit müden Augen nach Hause kommt, setzt er jedoch Irene mit klaren Worten vor die Tür. „Das ist ja sehr nett von dir, liebe Schwägerin, aber Sina und ich kommen schon alleine zurecht. Außerdem kann Sina bei der Gelegenheit schon mal lernen, was es heißt, eine Familie zu versorgen.“ Woraufhin nicht nur Irene mit den Augen rollt. „Leon geht es den Umständen entsprechend gut, sein Zustand ist stabil“, berichtet Papa dann. „Er ist mit einer schweren Gehirnerschütterung und einem gebrochenen Arm davongekommen. Wenn alles gut läuft, ist er zum Wochenende wieder zu Hause – und deine Mutter auch.“ Er zwinkert mir zu. „Und bis dahin machen wir beide es uns eben hier gemütlich, wirst schon sehen.“ Mit diesen Worten schnappt er sich eine Pulle Bier und ist für den restlichen Abend nicht mehr ansprechbar, obwohl ich noch tausend Leon-Fragen hätte und Oma Doris vor Sorge drei Mal hintereinander anruft. Als ich am nächsten Morgen gegen die Mittagszeit – FERIEN!!! KEIN MAMA-STAUBSAUGER!!! – runter in die Küche schlappe, um in aller Seelenruhe mein Ferienfrühstück zu schlemmen, trifft mich beinahe der Schlag: Auf dem Tisch liegt neben dem krümeligen Frühstücksgeschirr ein Zettel, auf dem Papa akkurat eine To-do-Liste für mich hinterlassen hat. „Ich habe Ferien, spinnt der?“, platzt es aus mir heraus. Wie kommt mein ansonsten emanzipierter Vater auf so eine spinnerte Steinzeit-Idee? Okay, natürlich, die Fenster-Aktion hat Mama wegen Leons Unfall abbrechen müssen, jetzt sind die Gardinen abgehängt und die Fensterbretter leer geräumt. Und klar, Leons Zimmer aufräumen, damit der kleine Kamikazepilot sich bei seiner Heimkehr wohlfühlt, kann ich auch machen. Aber gleich eine solche Liste??? Und überhaupt: Kann der vielleicht sein Frühstücksgeschirr bitte selbst in die Spülmaschine räumen? Und den Biomüll hätte er doch gleich mit rausnehmen können … Ich gieße mir auf den Schock hin erst mal ein Glas Orangensaft ein. Vor lauter Empörung würde ich am liebsten meine Mutter anrufen, aber die darf ja im Krankenhaus ihr Handy nicht anhaben. Also rufe ich Milli an, die sich noch total verschlafen meine Desperate-Housewife-Story anhören muss. „Vielleicht dachte er, du machst das deiner Mutter zuliebe, schließlich bleibt ja jetzt einiges liegen“, meint sie und gähnt ausgiebig in den Hörer. „Als ob das jetzt so wichtig ist“, schnaube ich.„Was sind saubere Fenster gegen Leons fröhliches Lachen, hä?“ Plötzlich verspüre ich schreckliche Sehnsucht nach meinem kleinen Bruder, auch wenn er mir ansonsten das Leben schwer macht. „Mamas Idee war das bestimmt nicht, die hat garantiert andere Sorgen als eine saubere Wohnung!“ „Das ist halt typisch Mann“, sagt Milli cool und ich höre, wie sie ins Klo pinkelt. „Die müssen sich mit sachlich-pragmatischen Dingen von ihren Emotionen ablenken, weil sie Angst haben, dass es sie sonst aufsaugt.“ Im Hintergrund rauscht jetzt die Klospülung. „Ach ja?!“, mache ich schlau.„Warst du in Therapie oder woher hast du diese tollen Erkenntnisse?“ „Stell dir vor: ja“, antwortet meine Freundin schlicht. „Und zwar gemeinsam mit meiner Mutter, weil wir beide nicht damit klarkommen, dass Paps so viel arbeitet und immer nur seine Firma im Kopf hat. Und bevor die sich scheiden lassen …“ Plötzlich klingt ihre Stimme gar nicht mehr verschlafen. „Sina, das ist alles so kompliziert … glaube mir, sei froh, dass dein Vater sich für all diese Dinge interessiert. Meiner tut es nämlich überhaupt nicht, dem ist es glatt egal …“ Täusche ich mich oder weint meine Freundin? Bevor ich etwas sagen oder weiter nachfragen kann, hat Milli bereits aufgelegt. Soll ich noch mal anrufen? Vielleicht später … Dass Milli Stress mit ihrem Vater hat, hätte ich ja nie gedacht, sie hat nie viel von ihm erzählt. Nachdenklich kaue ich an meinem Nutellabrötchen. Na prima, und mein Papa ist arbeiten wie immer, Mama hält im Krankenhaus Leons Patschehändchen und ich soll hier das Hausmädchen geben? Wäre doch bloß Irene dageblieben! Gründlich, wie das nun mal meine Art ist, studiere ich die Liste dann genauer und überlege, was wirklich wichtig ist. Ein Blick in den Kühlschrank sagt mir, dass das Einkaufen erledigt ist. Und im Wäschekeller finde ich auf der Leine noch drei saubere Hemden, die – Glück gehabt! – bügelfrei sind … aber der Rest … also gut, wenn es denn sein muss. Dann tue ich es eben Mama zuliebe! Seufzend binde ich mir ein Tuch in die Haare und klemme mein Handy ans Ohr, auf diese Weise kann ich wenigstens beim Fensterputzen telefonieren. Während ich dann der Reihe nach mit Juri, Kleo, Jolina und Billa die neuesten News austausche, schrubbe ich erst die Fenster, dann Leons Zimmer auf Hochglanz, entstaube seine Lego-City und räume die Teile sogar in den Schrank, um sämtliche Kekskrümel, verklebte Gummibärchen und Sockenflusen besser wegwischen zu können. Schließlich beziehe ich noch sein Bett mit frisch duftender Wilde-Kerle-Bettwäsche und lege ihm einen sauberen Schlafanzug unters Kopfkissen. Von wegen Desperate Housewife! Am Nachmittag, als ich gerade alle Blumen gegossen und an den Margeriten sogar die verwelkten Blüten abgeschnitten habe, kommt Mama völlig fertig aus dem Krankenhaus, um sich kurz zu duschen und umzuziehen. Stirnrunzelnd bemerkt sie meine hausfraulichen Aktivitäten, verkneift sich aber glücklicherweise jedweden Kommentar. Das will ich ihr ja auch mal geraten haben, die Sache mit den Fenstern hat mich immerhin zwei Stunden meines Lebens gekostet – und streifenfrei sind die immer noch nicht! Doch desperate?! „Leon geht es immer besser“, verkündet sie strahlend, nachdem sie gut duftend und im sommerlichen Leinenanzug aus dem Bad kommt. Dankbar greift sie nach dem Latte macchiato, den ich ihr draußen auf der Terrasse neben den Liegestuhl serviert habe. „Wenn alles gut geht, darf er übermorgen wieder nach Hause – und ich auch!“ Sie nimmt einen tiefen Schluck und grinst mich an. „Gott sei Dank.“ Eine warme Welle durchflutet mich. Seit Mama Leon hat, ist unser Verhältnis nicht das beste und vor allem in der letzten Zeit liegen wir uns ständig wegen jedem Scheiß in den Haaren. Aber sie merkt genau, was ich tue, und vor allem: Dass ich etwas tue. Für sie. „Mmh, der ist aber lecker!“, meint sie und leckt sich den Milchschaum von den Lippen. „Wusste gar nicht, dass du so gut Kaffee kochen kannst, du trinkst doch wohl selbst nicht …“ „Nee, nee, das hat mir Irene gestern verraten!“, beeile ich mich zu sagen. In Wahrheit war meine Tante völlig entsetzt über Mamas teure Kaffeepad-Maschine, aus der fertiger „Latte“ rauskommt. Noch schlimmer fand sie allerdings, dass unter dieses Gerät keine normale Tasse passt … also hat sie aus den Tiefen unseres Küchenschranks eine Uralt-Cafetera herausgefischt, frischen Espresso-Kaffee hineingelöffelt, einen Topf Milch aufgesetzt und voilà, den wohl leckersten Milchkaffee aller Zeiten zubereitet, wie Mama jetzt bestätigt. „Kommst du klar?“, fragt sie dann mit einem prüfenden...