Eisinger | Die Stadt der Architekten | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 131, 184 Seiten

Reihe: Bauwelt Fundamente

Eisinger Die Stadt der Architekten

Anatomie einer Selbstdemontage
1. Auflage 2005
ISBN: 978-3-7643-7675-8
Verlag: Springer
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

Anatomie einer Selbstdemontage

E-Book, Deutsch, Band 131, 184 Seiten

Reihe: Bauwelt Fundamente

ISBN: 978-3-7643-7675-8
Verlag: Springer
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Während die meisten Architekten die dramatische Transformation von Stadt und urbanem Leben weithin unkommentiert lassen, werden ihre international agierenden Stars in der grellen Konjunktur medial aufbereiteter architektonischer Events als geniale Schöpfer gehandelt. Vor diesem Hintergrund widmet sich Die Stadt der Architekten der Beziehung von Architekt und Stadt in den Theorie- und Fachdebatten der zurückliegenden Jahrzehnte. Mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen, denen sich der Berufsstand eigentlich stellen müsste, plädiert der Essay für eine radikal neue Lesart dieses Verhältnisses.
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1;Vorbemerkungen;7
2;1 Städtebau als gesellschaftliche Praxis: Eine Auslegeordnung;9
2.1;Selbstverständnisse und Weltbezüge;11
2.2;Was tun Architekten?;14
2.3;Stadtbilder;16
3;2 Baustellen eines Weltlabors;21
3.1;Kaleidoskope der modernen Stadt;23
3.2;Fallstudie 1: CIAM – die funktionalistische Stadt, revisited;32
3.3;Fallstudie 2: New Towns;40
3.4;Selbstbilder;58
4;3 Die Neue Stadt: Arbeiten am Faksimile der Industriegesellschaft;62
4.1;Objekte und Subjekte;66
4.2;Fallstudie 3: Im Labor der Neuen Stadt;72
4.3;Fallstudie 4: Brasilia – Grautöne in der weißen Stadt;81
4.4;Eintrübungen;94
5;4 Wendungen und Verzweigungen: Die Stadt der Architekten nach der Moderne;100
5.1;Fallstudie 5: Auf modernen Pfaden aus der Moderne – Alison und Peter Smithson und das Team 10;102
5.2;Urbanität – ein neuer Orientierungspunkt;118
5.3;Neue Formungen von Raum und Zeit: Kevin Lynch und Aldo Rossi;120
5.4;Der kurze Auftritt der Postmoderne;124
5.5;Die späte Entdeckung der Agglomeration;131
6;5 Unschärfen und Umbrüche in der gegenwärtigen Stadt der Architekten;139
6.1;Forschung;141
6.2;Noch einmal: Städtebau;145
6.3;Zur Anatomie des Syndroms;156
6.4;Ausblicke auf eine andere Stadt der Architekten;160
7;Anmerkungen;163
8;Literatur;171
9;Bildnachweise;180


5 Unschärfen und Umbrüche in der gegenwärtigen Stadt der Architekten
(S. 139-140)

Kein Zweifel, für den Städtebau haben sich die Zeiten seit den Ikonen des modernen Städtebaus wie Le Corbusiers „ville radieuse" gründlich geändert. Dazu genügt ein Blick auf den Stapel aktueller Publikationen zum Thema.Wo vor sieben, acht Jahrzehnten Veröffentlichungen die klare Ordnung der Zeichenbrettwelten und deren Ordnungsanspruch in Umlauf setzten, beschäftigen sich städtebauliche Publikationen heute weniger mit dem Entwerfen und Konzipieren als mit diagnostischen Studien. So künden etwa bereits auf dem Buchrücken von Mutations – einem von Rem Koolhaas orchestrierten Reader zu einer von ihm konzipierten Ausstellung – großformatige schwarze Lettern vor gleißend gelbem Hintergrund: WORLD=CITY.

Die Botschaft ist unmißverständlich: Der Bestimmungsversuch der aktuellen „condition urbaine" zwischen Forschung, kritischer Reflexion und Kunstprojekt sieht ‚Welt‘ und ‚Stadt‘ als mathematisch strikte Äquivalente. Streicht man mit den Fingerkuppen über den weichen Plastikumschlag, dann scheint es fast, als hätte man bereits durch die Wahl des Materials diese Formel wetterfest machen und gegen alle Unbill imprägnieren wollen.

Die Welt ist die Stadt, und die Stadt ist die Welt. Hinter der wuchtigen Formel könnte nur allzu leicht ein weiterer, geradezu revolutionärer Inhalt dieser Nachricht aus Harvard übersehen werden: ‚Land‘, der traditionelle Gegenpol der ‚Stadt‘, ohne den diese seit jeher nicht zu denken war, ist heute zur Bestimmung der Welt offenbar nicht mehr von Bedeutung. Blättert man durch die Fotografien von Mutations, so kommt es einem aber so vor, als ob der Triumph der Stadt als Pyrrhussieg betrachtet werden müßte. Nicht nur ist der ländliche Raum in den letzten Jahrzehnten verschwunden, auch die Stadt der urbanistischen Manifeste und planerischen Lehrbücher scheint hier nicht mehr auf. Statt dessen dominieren Einfamilienhausteppiche, gigantische Verkehrsflächen, entleerte Innenstädte und Inszenierungen städtischer Klischees.

Wie stark dieseWirklichkeiten Gewohntes herausfordern, zeigt sich schon daran, daß die Liste derWortschöpfungen, die zur Bezeichnung der aktuellen Stadtentwicklungen mobilisiert werden, nach wie vor fleißig Zuwachs erhält. Die Formel von der „posturbanen Stadt" (Philip Oswalt, Klaus Overmeyer,Walter Prigge), Begriffe wie „Hybridlandschaften" (Kai Vöckler) und der Ausdruck „Aftersprawl" (Xaveer de Geyter) sind nur einige der Einträge, die in jüngster Zeit dazugekommen sind. Die Häufigkeit der Wortschöpfungen verweist darauf, wie lose und unbestimmt die Verbindung zwischen den Räumen unseres Alltags und den dafür verfügbaren sprachlichen Angeboten geworden ist.

Die Sprache verfehlt mehr und mehr die Räume, die sie zu benennen sucht. Nach wie vor stellt sie zwar handliche Begriffe wie Stadt und Urbanität bereit; taugliche, trennscharfe Analyseinstrumente bilden diese aber ebensowenig wie die Flut neuerWortschöpfungen. Gemeinsam zeugen sie von einer erstaunlichen Dehnbarkeit der Begriffe, die die unterschiedlichsten gesellschaftlich-räumlichen Konstellationen mit den immer gleichen Gütesiegeln versehen. Damit werfen die Befunde allerdings weitaus mehr Fragen auf, als sie beantworten: Das anhaltende Reden von der flächendeckenden Stadtwirklichkeit, das verschiedene räumliche Realitäten nicht mehr ausreichend unterscheidet, läuft nämlich Gefahr, vorschnell das Neue zum Alten zu machen.

Die Bedeutungswolken schweben mehr und mehr unbeteiligt über den Phänomenen, die sie zu benennen vorgeben. So verfehlt der Diskurs, was er behandeln will. Die aktuellen Diagnosen und ihre semantischen Unschärfen belegen frappierende Unterschiede zwischen heutigen urbanistischer Stadtbegriffen und den Stadtkonzepten der zwanziger und dreißiger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts. Nun ist es freilich nicht so, daß man sich dieser Diskrepanz bislang nicht gestellt hätte. Viele Ursachenforschungen teilen aber eine Gemeinsamkeit: Es werden Gegenwartsbilder einer sich rasant verändernden Gesellschaft gemalt, deren Kompositionen jeweils ohne Architekten auskommen.



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