E-Book, Deutsch, 432 Seiten
Elfberg Die Frau des Polizisten
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-8412-0645-9
Verlag: Aufbau Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: PC/MAC/eReader/Tablet/DL/kein Kopierschutz
Thriller
E-Book, Deutsch, 432 Seiten
ISBN: 978-3-8412-0645-9
Verlag: Aufbau Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: PC/MAC/eReader/Tablet/DL/kein Kopierschutz
Der Feind in deiner Nähe Das Polizistenpaar Erika und Göran führt eine Bilderbuchehe, wenn es da nicht die Kehrseite gäbe, die Erika lange, viel zu lange geheim hält. Göran neigt zu Gewaltausbrüchen, schlägt und vergewaltigt sie, hält sie wie in einem Gefängnis und überwacht jeden ihrer Schritte. Am Abend vor Neujahr eskaliert die Situation. Erika flieht nach Göteborg zu ihrer Freundin Anna und dank der Vermittlung ihrer Chefin kann sie im dortigen Landeskriminalamt eine Stelle als Vertretung annehmen. Fängt jetzt ein neues Leben an? Sie übernimmt mit ihrem Kollegen Per, für den sie ein zartes Interesse entwickelt, den Fall um die vermisst gemeldete Architektin Barbro, die offenbar in korrupte Machenschaften verstrickt war. Doch schon bald taucht Göran wieder auf, der sie vor den Kollegen diffamiert und ihr das Leben zur Hölle macht. Erika erkennt, dass sie seinen Fängen nur entkommt, wenn sie ihm eine Falle stellt. 'Nackte Angst und Panik sind geradezu greifbar.' Gefle Dagblad
Ingrid Elfberg ist im Norden Schwedens aufgewachsen und lebt heute mit ihrer Familie in Göteborg. 2004 gewann sie für ihre Erzählung 'Stormen' einen schwedischen Literaturpreis. Bei atb liegt 'Das Lied des Schweigens' vor. Im Frühjahr 2014 erscheint ihr neuer Thriller 'Die Frau des Polizisten'. Mehr zur Autorin unter www.ingridelfberg.se
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Kapitel 7
»Dort drüben liegt das Askimsbadet.« Per zeigte nach rechts, während er mit einer schnellen Bewegung das Lenkrad nach links einschlug, um auf die Straße abzubiegen, die vom Meer wegführte. Halbherzig lauschte sie Pers Beschreibung des Sandstrandes, den er mit Mallorca verglich. Besonders viel erinnerte hier nicht ans Mittelmeer, dachte Erika grimmig und betrachtete die zunehmend größeren Villen, die dicht neben der schmalen, sich steil aufwärtswindenden Straße erbaut worden waren. Die Suche nach Vermissten erforderte häufig ein Großaufgebot an Einsatzkräften. Über siebentausend Personen wurden jedes Jahr in Schweden als vermisst gemeldet. Die Mehrheit von ihnen fand man lebend. Die Menschen, die das Glück nicht auf ihrer Seite hatten, fanden den Tod entweder auf dem Heimweg von der Kneipe, fielen vom Boot und verhedderten sich im Fischernetz des Nachbarn oder verirrten sich aus dem Seniorenstift mit Pyjama und Pantoffeln bekleidet im nächsten Wald. Und dann waren da noch diejenigen, die man niemals fand. Die vom Wald oder von Felsspalten verschluckt worden waren, sich in reißende Ströme schwarzen Wassers geworfen hatten, die sie nicht mehr losließen, oder in Schiffsschrauben gerieten und zu Biomasse geworden waren, wie Anna es so gepflegt ausgedrückt hätte. »Dieses Gebiet nennt sich Trollåsen, Trollberg also, weiß der Geier warum. Hier wohnt man, wenn man Kohle hat«, sagte Per mit einem kleinen Lächeln. Er überprüfte die Adresse und fuhr zu einem Flachbau, der beinahe auf der Spitze des Bergrückens lag. Als Erika das Haus sah – eine flache ausladende Gebäudehülle aus Ziegelsteinen, die von einem weißgetünchten Schornstein überragt wurde, sowie eine nach Westen zeigende Terrasse –, fiel ihr plötzlich die Titelmelodie der Familie Feuerstein ein. Automatisch hielten sie nach dem Meer Ausschau, sahen aber nur eine Handvoll Häuser, die sich an den Hang schmiegte. Die Wolken hingen tief, wie eine farblose Masse, die auf einer feuchten Decke nasskalten Nebels zu schwimmen schien. »Das nenne ich mal eine Aussicht«, konstatierte Per ohne einen Hauch von Neid in der Stimme. Er stieg die kleine Treppe hinauf und klingelte. Jan Olof Olofsson öffnete die Tür. Erika musterte ihn, während Per sie kurz einander vorstellte. Er war weit größer als der Durchschnitt und besaß eine seltsam farblose Ausstrahlung. Sein Adamsapfel stach hervor, und der Körper unter der teuren, gutgeschnittenen Kleidung machte einen ausgemergelten Eindruck. Er bat sie höflich hinein. Erika gefiel das Haus auf den ersten Blick, auch wenn die Möbel nicht nach ihrem Geschmack waren – zu viel Leder und dunkles Holz. Aber das hereinfallende Licht und die offene Raumlösung erinnerten sie an die eleganten Häuser aus den Fernsehserien der 60er Jahre mit den heute so modernen Kücheninsellösungen, einem gemauerten Kamin und breiten, großzügig geschnittenen Fenstern. Eine große langhaarige weiße Katze schlich heran, den flauschigen Schwanz zur Decke gestreckt. Per beugte sich sofort hinunter und fing an, mit dem Tier zu schmusen, das um seine Beine herumstrich. Erika bekam eine Gänsehaut. Ihre Kindheit war voll von allen möglichen Haustieren gewesen, die ihre Schwester nach langem Bitten und Betteln bekommen oder ganz einfach mit nach Hause gebracht hatte. Allerdings nie Katzen oder Hunde. Erika hatte immer noch Respekt vor Tieren, die sich durch einen direkten Blick angegriffen fühlten. Jan Olof nahm eine zerknitterte Zigarettenschachtel aus der Hosentasche, zog eine Zigarette heraus und streckte ihnen dann schuldbewusst die Schachtel entgegen. Erika und Per lehnten beide dankend ab. Jan Olof saß steif und unnatürlich gerade in seinem Sessel und zog gierig an der Zigarette, während er seine Besucher durch den Rauch blinzelnd ansah. Die Katze sprang auf seinen Schoß, und Jan Olof streichelte geistesabwesend den Rücken des Tieres. Erika unterdrückte ein Husten. Der Rauch brannte in den Augen. »Sie haben ja schon mit unserem Kollegen Nils Sundström gesprochen. Wir haben mittlerweile erfahren, dass Ihrer Frau am Arbeitsplatz gedroht worden sein soll. Wissen Sie etwas darüber?« Per angelte sein Telefon hervor und strich über das Display. Jan Olof rührte sich nicht. Erika tat der blasse Mann mit einem Mal unendlich leid. Er schien kaum zu atmen. Sein magerer Körper sprach von Angst und Ohnmacht. Nach einem kurzen Moment antwortete er angestrengt, die Hand, in der er die Zigarette hielt, zuckte, und er sah zu Per hoch. »Etwas darüber wissen …«, antwortete er verwirrt. »Also, dazu kann ich nichts sagen. Natürlich hat Barbro von Kunden erzählt, die streitsüchtig und aggressiv waren, aber Drohungen? Nein, nicht soweit ich weiß.« Er machte eine lahme Geste, wich ihrem Blick aus und starrte auf seine Hände und die Zigarette, von der langsam Rauch aufstieg. Per nickte, während er den Mann vor sich scharf musterte. Seine träge, fast apathische Haltung war seltsam, aber er hatte das schon oft gesehen, dieses häufig irrationale Benehmen von Menschen, die unter Schock standen oder sich hilflos fühlten. »Leider müssen wir Ihnen noch ein paar Routinefragen stellen. Wann haben Sie Ihre Frau zuletzt gesehen?« Per verspürte eine plötzliche Erschöpfung, spürte, wie seine Konzentration ihn im Stich ließ. Am liebsten wäre er zurück in die Stadt und mit Erik ins Dojo gefahren, um so lange zu trainieren, bis der ganze Scheiß vergessen war, in die Sauna und danach ein kaltes Bier trinken gegangen. Barbro würde wahrscheinlich sowieso wieder auftauchen. Jan Olof nickte, sein Gesicht war noch eine Nuance blasser geworden. Asche fiel von der Zigarette auf den Perserteppich, ohne dass er es zu bemerken schien. »Meine Frau sollte zu ihren Eltern nach Alingsås fahren, … ja, das hat sie immer für ein paar Tage um den Jahreswechsel herum getan. Weihnachten feierten wir fast immer im Ausland, so auch in diesem Jahr.« Jan Olofs Blick schweifte durch das Zimmer; seine Augen waren blutunterlaufen. Er räusperte sich und aschte in einen großen Aschenbecher, der vor ihm auf dem Tisch stand. Erika musterte seine starren, sparsamen Bewegungen. Sie kündeten von aufsteigender Panik, die er mit aller Macht zu unterdrücken versuchte. Und mit Alkohol betäubte, wenn sie ihrer Nase Glauben schenken durfte. »Barbro wollte ihr Auto von der Werkstatt abholen«, nahm Jan Olof den Faden tastend wieder auf, seine Stimme klang heiser und verraucht. »Mit dem Auto war alles in Ordnung, nur die Jahreshauptuntersuchung und die Inspektion standen an. Ich habe sie gegen elf Uhr vormittags dorthingefahren und sie an der Werkstatt rausgelassen. Das Auto war fertig, man bekommt dann immer eine SMS …«, fügte er mit einem raschen Seitenblick auf Erika hinzu. Sie antwortete mit einem freundlichen Nicken. Er wollte noch etwas ergänzen, aber es kamen keine Worte über seine Lippen. »Haben Ihre Schwiegereltern sich überhaupt nicht nach ihr erkundigt?«, fragte Erika und bemühte sich, nicht kritisch zu klingen. Ihre Tochter war schließlich nicht wie vereinbart zum Abendessen erschienen, eigentlich hätten die Eltern reagieren müssen. »Nein, ich habe nichts von ihnen gehört. Aber …« Jan Olof rieb sich die Stirn, zog abermals die zerknitterte Zigarettenschachtel hervor, kraulte die Ohren der Katze und sah sie zärtlich und gleichzeitig traurig an. »Oder, besser gesagt, wir hatten überhaupt keinen Kontakt. Sie haben nie etwas von mir wissen wollen. Also habe ich irgendwann aufgegeben, könnte man sagen.« Jan Olof entschuldigte sich und ging in die Küche. Erika und Per tauschten einen fragenden Blick. Jan Olof kam mit einer neuen Zigarettenschachtel zurück und setzte sich wieder. »Ich habe mir keine Sorgen gemacht, als Barbro ein paar Tage nichts von sich hören ließ«, erklärte er. »Sie ist eine Frau, die auf sich selber aufpassen kann. Wenn das Auto nicht fertig gewesen wäre, hätte sie sich gemeldet.« Er machte eine vage Geste. »Sie haben Ihre Schwiegereltern also nicht angerufen?«, fragte Per misstrauisch. Jan Olof sah mit einem erstaunten Ausdruck auf dem blassen, eingefallenen Gesicht zu ihm auf. »Doch, natürlich. Als sie nicht wiederauftauchte und nicht an ihr Handy ging. Ich habe ihre Eltern angerufen. Aber alles, was ich mir anhören musste, war eine furchtbare Schimpftirade, dass ich das Telefon nicht abgenommen hätte und …« Er seufzte tief und resigniert auf. »Ich hatte in Barbros Lieblingsrestaurant ›Bei Pelle‹ einen Tisch reserviert.« Jan Olof sah abrupt zu Erika hoch. »Sie ist nicht gekommen.« Er schlug die Hände vors Gesicht. Die Katze glitt aus dem Sessel und flitzte pfeilschnell unter dem Couchtisch hindurch in die Küche. »Haben Sie noch etwas anderes unternommen, als ihre Eltern anzurufen?«, fragte Per. Jan Olof ließ die Hände sinken, in seinem blassen Gesicht zeigten sich rosa Flecken. Er rieb sich heftig die Augen trocken und nahm eine aufrechtere Körperhaltung ein. »Ich habe mit unseren Freunden telefoniert, Barbros alter Jugendfreundin aus Alingsås und einer Kollegin. Ich habe sogar bei ihrer Arbeit angerufen. Ich hatte wohl gehofft … ich weiß es nicht.« »Könnten Sie uns vielleicht aufschreiben, wen sie angerufen haben und in welcher Beziehung sie zu den Personen stehen?«, fragte Per. »Und auch, welche Kleider Ihre Frau trug, als Sie sie zuletzt gesehen haben«, fügte er sanft hinzu. Jan Olof holte einen Block und machte schnell ein paar Notizen, die er den beiden Polizisten gab. Erika lehnte sich zu Per hinüber und studierte die Zeilen auf dem Papier. Ein paar Namen standen darauf. Ein Paar aus der Nachbarschaft, eine Frau aus Alingsås und ein Paar aus...