E-Book, Deutsch, 298 Seiten, eBook
Reihe: Alter(n) und Gesellschaft
Erlinghagen / Hank Produktives Altern und informelle Arbeit in modernen Gesellschaften
2008
ISBN: 978-3-531-90850-2
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Theoretische Perspektiven und empirische Befunde
E-Book, Deutsch, 298 Seiten, eBook
Reihe: Alter(n) und Gesellschaft
ISBN: 978-3-531-90850-2
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Ausgangspunkt für das vorliegende Buch bildete ein nur sechs Seiten umfass- der Beitrag zum Thema 'Volunteer Work', den die Herausgeber Anfang 2005 für einen Sammelband mit ersten Ergebnissen auf Basis des Survey of Health,- geing and Retirement in Europe (SHARE) verfasst hatten. Die gute Zusamm- arbeit und das nunmehr geweckte Interesse am 'produktiven Altern' führten zu dem Entschluss, bei der Fritz Thyssen Stiftung ein zweijähriges Projekt über 'Informelle Arbeit von Älteren in Deutschland und Europa' zu beantragen. Das Projekt wurde Ende 2005 bewilligt und damit das (finanzielle) Fundament für die weitere Zusammenarbeit der Herausgeber gelegt. Daher gilt an dieser Stelle unser erster, großer Dank der Fritz Thyssen Stiftung für die Förderung unserer Arbeit. Aus dem Projektzusammenhang heraus entwickelte sich der Wunsch nach einem intensiveren Austausch mit gleichgesinnten Kollegen und Kolleginnen. Der 33. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, der 2006 in Kassel stattfand, schien hierfür ein besonders geeignetes Forum zu sein. Daher gilt unser Dank, zweitens, den Organisatoren des Kongresses für die Zulassung der Ad-hoc Gruppe 'Informelle Arbeit im alternden Europa', deren ausgearbeiteten Beiträge einen Kern der hier gesammelten Aufsätze bilden. Weitere wertvolle Anregungen erhielten die Herausgeber als Mitarbeiter bzw. Juniormitglied der Arbeitsgruppe 'Chancen und Probleme einer alternden Gesellschaft', die von der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina in Kooperation mit acatech getragen und von der Jacobs Stiftung gefördert wird. Unser besonderer Dank gilt hier, drittens, Jürgen Kocka, als Sprecher der - beitsgruppe, sowie Axel Börsch-Supan und Gert G. Wagner.
Dr. Marcel Erlinghagen ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fakultät für Sozialwissenschaften der Ruhr-Universität-Bochum sowie am Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg/Essen.
PD Dr. Karsten Hank ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Mannheim Research Institute for the Economics of Aging (MEA).
Zielgruppe
Professional/practitioner
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;Inhalt;6
2;Vorwort;8
3;Produktives Altern und informelle Arbeit;10
3.1;1 Hintergrund;10
3.2;2 Zur Definition informeller produktiver Tätigkeiten;12
3.3;3 Determinanten informeller Arbeit: Ressourcen – Lebensverlauf – Kontext;14
3.4;4 Potentiale und Grenzen produktiven Alterns;16
3.5;5 Die Beiträge des vorliegenden Bandes im Überblick;18
3.6;6 Resümee;21
3.7;7 Literatur;22
4;TEIL I: INTERNATIONALE PERSPEKTIVEN AUF INFORMELLE ARBEIT VON ÄLTEREN;27
4.1;Ehrenamt, Netzwerkhilfe und Pflege in Europa;28
4.1.1;1 Einleitung;28
4.1.2;2 Komplementariät oder Konkurrenz produktiver Tätigkeiten?;29
4.1.3;3 Daten & Methode;31
4.1.4;4 Empirische Ergebnisse;35
4.1.5;5 Diskussion;46
4.1.6;6 Danksagung;48
4.1.7;7 Literatur;49
4.2;Soziale Produktivität und Wohlbefinden im höheren Lebensalter;52
4.2.1;1 Einleitung;52
4.2.2;2 Hintergrund;53
4.2.3;3 Methode;58
4.2.4;4 Ergebnisse;60
4.2.5;5 Diskussion;69
4.2.6;6 Danksagung;72
4.2.7;7 Literatur;72
4.3;Produktives Altern und ehrenamtliches Engagement in den USA;76
4.3.1;1 Einleitung;76
4.3.2;2 Produktives Altern;77
4.3.3;3 Ehrenamtliches Engagement;81
4.3.4;4 Der organisatorische Kontext ehrenamtlicher Arbeit;85
4.3.5;5 Fazit;88
4.3.6;6 Literatur;89
5;TEIL II: INFORMELLE ARBEIT VON ÄLTEREN IN DEUTSCHLAND;93
5.1;Ehrenamtliche Arbeit und informelle Hilfe nach dem Renteneintritt;94
5.1.1;1 Einleitung;94
5.1.2;2 Stand der Forschung;96
5.1.3;3 Daten und Methoden;98
5.1.4;4 Ergebnisse;103
5.1.5;5 Fazit;113
5.1.6;6 Literatur;115
5.2;Gemeinschaftsaktivität und freiwilliges Engagement älterer Menschen;120
5.2.1;1 Einleitung;120
5.2.2;2 Gemeinschaftsaktivität und freiwilliges Engagement älterer Menschen;122
5.2.3;3 Besonderheiten in den neuen Bundesländern;126
5.2.4;4 Bereiche des freiwilligen Engagements;130
5.2.5;5 Engagementpotenzial älterer Menschen;132
5.2.6;6 Verbesserungsbedarf bei den Rahmenbedingungen des Engagements9;134
5.2.7;7 Literatur;142
5.3;Konjunkturen des Ehrenamts – Diskurse und Empirie;146
5.3.1;1 Einleitung;146
5.3.2;2 Der Strukturwandel des Ehrenamts und Probleme seiner empirischen Erfassung;146
5.3.3;3 Empirische Befunde;153
5.3.4;4 Fazit;159
5.3.5;5 Literatur;162
5.4;Pflegetätigkeit von Frauen in der nachberuflichen Phase;166
5.4.1;1 Einleitung;166
5.4.2;2 Die Bedeutung der Altenpflege in der nachberuflichen Lebensphase;167
5.4.3;3 Schlussfolgerungen;184
5.4.4;4 Literatur;186
6;TEIL III: AKTIVIERUNG DES PRODUKTIVEN POTENZIALS ÄLTERER IN LOKALER PERSPEKTIVE;190
6.1;Potenziale bürgerschaftlichen Engagements für die Kommune;192
6.1.1;1 Einführung;192
6.1.2;2 Das Modellprojekt „Selbstorganisation älterer Menschen“;195
6.1.3;3 Was ältere Menschen schon heute in ihren Kommunen leisten: Ergebnisse der bundesweiten Abfrage;199
6.1.4;4 Fazit und Ausblick;212
6.1.5;5 Literatur;213
6.2;Potenziale der Älteren in Kommunen nutzen;216
6.2.1;1 Einführung;216
6.2.2;2 Erfahrungswissen für Initiativen;217
6.2.3;3 Neue Altersrollen als Antworten auf die Herausforderungen des demografischen Wandels;218
6.2.4;4 Das Rollenmodell „seniorTrainerin“ und „seniorTrainer“;220
6.2.5;5 Ältere für neues Engagement begeistern: Kernelemente der Konzeption zur Nutzung des Erfahrungswissens der Älteren;221
6.2.6;6 Rollenprofile der seniorTrainerinnen und seniorTrainer;223
6.2.7;7 Bundesweite Implementierung;226
6.2.8;8 Ausblick: Ein Europa der Veränderung;228
6.2.9;9 Literatur;232
6.3;Bürgerschaftliches Engagement in der Altenhilfe;236
6.3.1;1 Ältere Freiwillige – ‚Rettungsanker’ in der Altenpflege?;236
6.3.2;2 Das Forschungsprojekt „Bürgerschaftliches Engagement und Altersdemenz“ als Bezugsrahmen;238
6.3.3;3 Der ökonomische Wert informeller Arbeit in der Altenhilfe;240
6.3.4;4 Der Einsatz älterer Engagierter in der Altenhilfe: Freiwilliges Engagement bei der Betreuung von Demenzkranken;246
6.3.5;5 Schlussfolgerungen;253
6.3.6;6 Literatur;255
7;TEIL IV: GRENZEN DES POTENZIALS INFORMELLER ARBEIT IM ALTER;259
7.1;Zivilgesellschaftlich produktiv altern;260
7.1.1;1 Einführung;260
7.1.2;2 Der Diskurs über die „Produktivität des Alters“ als Fundus sozialpolitisch motivierter Förderprogramme;260
7.1.3;3 „Produktivität des Alters“ als persönliche Ressource – oder: produktives Altern im „ alten“ Sozialstaat;263
7.1.4;4 „Produktivität des Alters“ als sozialpolitische Norm oder: produktives Altern im aktivierenden Sozialstaat;265
7.1.5;5 Schlussfolgerungen;270
7.1.6;6 Literatur;272
7.2;Überlegungen zur Bedeutung ehrenamtlichen Engagements im Alter;278
7.2.1;1 Einführung;278
7.2.2;2 Positionen und Begriffe;279
7.2.3;3 Entwicklungstrends und sozialer Wandel des ehrenamtlichen Engagements;285
7.2.4;4 Empirische Befunde;287
7.2.5;5 Ambivalenzen und Widersprüche;292
7.2.6;6 Fazit und Konsequenzen;295
7.2.7;7 Literatur;299
8;Verzeichnis der Autorinnen und Autoren;302
Produktives Altern und informelle Arbeit.- Produktives Altern und informelle Arbeit.- Internationale Perspektiven auf informelle Arbeit von Älteren.- Ehrenamt, Netzwerkhilfe und Pflege in Europa.- Soziale Produktivität und Wohlbefinden im höheren Lebensalter.- Produktives Altern und ehrenamtliches Engagement in den USA.- Informelle Arbeit von Älteren in Deutschland.- Ehrenamtliche Arbeit und informelle Hilfe nach dem Renteneintritt.- Gemeinschaftsaktivität und freiwilliges Engagement älterer Menschen.- Konjunkturen des Ehrenamts — Diskurse und Empirie.- Pflegetätigkeit von Frauen in der nachberuflichen Phase.- Aktivierung des produktiven Potenzials Älterer in lokaler Perspektive.- Potenziale bürgerschaftlichen Engagements für die Kommune.- Potenziale der Älteren in Kommunen nutzen.- Bürgerschaftliches Engagement in der Altenhilfe.- Grenzen des Potenzials Informeller Arbeit im Alter.- Zivilgesellschaftlich produktiv altern.- Überlegungen zur Bedeutung ehrenamtlichen Engagements im Alter.
Produktives Altern und informelle Arbeit (S. 9)
Stand der Forschung und Perspektiven
Karsten Hank &, Marcel Erlinghagen
1 Hintergrund
Der demografische Strukturwandel moderner Gesellschaften lässt sich besonders deutlich in Europa beobachten (z.B. Grundy 1996, Billari/Kohler 2004). Als Folge dauerhaft niedriger Geburtenziffern und einer stetig steigenden Lebenserwartung findet ein gesellschaftlicher Alterungsprozess statt, dessen Konsequenzen Staat und Wirtschaft ebenso wie Familie und Individuum vor erhebliche Herausforderungen stellen.
Entsprechend steht der demografische Wandel mit Schlagworten wie ‚Vergreist die Republik?’ oder ‚Sterben die Deutschen aus?’ in einer Reihe mit anderen gesellschaftlichen Krisendebatten des ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts, wie jenen über das ‚Ende der Arbeitsgesellschaft’ oder die ‚Klimakatastrophe’.
Zur Bewältigung dieser und anderer kollektiver Herausforderungen wird häufig die Stärkung des bürgerschaftlichen oder zivilgesellschaftlichen Engagements als quasi Allheilmittel gefordert (vgl. kritisch hierzu Backes 2006, Erlinghagen 2001).
Im Zusammenhang mit dem demografischen Wandel bzw. dem Prozess der Bevölkerungsalterung spiegelt sich die Forderung nach einer Stärkung unbezahlter, freiwilliger und gemeinnütziger Aktivitäten – vor allem im neuen Leitbild des ‚produktiven Alterns’ wider, das die positiven Aspekte einer Beteiligung Älterer an produktiven Tätigkeiten auch jenseits der Erwerbstätigkeit betont (z.B. Morrow-Howell et al. 2001).
Hintergrund dieser Entwicklung ist, dass durch den Anstieg der ‚aktiven Lebenserwartung’ (Klein/Unger 2002) sowie der massiven vorzeitigen Ausgliederung älterer Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen aus dem Erwerbsleben (z.B. Brugiavini et al. 2005) sich vielfältige neue Perspektiven und Anforderungen für die Lebensgestaltung im Alter ergeben.
Konnten Ältere früher nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben häufig nur noch wenige Lebensjahre erwarten, schließen sich heute neue, langjährige biographische Phasen an, die bislang als Massenphänomen unbekannt waren (z.B. Baltes/Smith 2003).
Die Verlängerung der Ruhestandphase und der verbleibenden gesunden Lebenszeit stellt für die ‚Neuen Alten’ eine Herausforderung dar, die in vielerlei Hinsicht positiv bewertet werden kann. Nie waren die Spielräume für die individuelle Entwicklung und Entfaltung älterer Menschen größer als heute. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass innerhalb der verlängerten Phase des Ruhestandes auch neue Verpflichtungen, etwa im Bereich der Pflege (z.B. Künemund 2000), auftreten können.
Die in den letzten Jahren wieder verstärkt geführte Debatte um intergenerative Gerechtigkeit betont darüber hinaus die Verantwortung der Senioren für eine nachhaltige Gesellschaftsentwicklung. Angesichts eines sich verschlechternden Verhältnisses zwischen Beitragszahlern und Rentenempfängern oder aber der von zukünftige Generationen zu tragenden, im wesentlichen aber von früheren Generationen verursachten Schuldenlast der öffentlichen Haushalte scheinen sich so auch die gesellschaftlichen Erwartungen an Senioren gewandelt zu haben.
Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass in den vergangenen Jahren informelle Tätigkeiten – wie etwa Netzwerkhilfe für Nachbarn, Freunde und Verwandte aber auch ehrenamtliche Arbeit – als eine Möglichkeit diskutiert worden sind, wie ältere Menschen produktiv mit ihren neu gewonnenen Freiheiten (und neuen Verpflichtungen) umgehen können (z.B. Künemund 2006, Schroeter/Zängl 2006).
Die Frage nach Umfang, Art und Potentialen informeller Arbeit im Alter ist nicht nur aus sozialwissenschaftlicher Forschungsperspektive interessant, sondern ist vor allem für die Ausgestaltung und Orientierung praktischer Politik relevant. In der Debatte um die Folgen des demografischen Wandels darf nicht allein die zunehmende ‚Alterslast’ thematisiert werden, sondern es muss auch das Potential informeller Arbeit von Älteren in seinen Möglichkeiten und Grenzen ausgelotet werden.