Ernst | Einsamkeit – Modelle, Ursachen, Interventionen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 234 Seiten

Reihe: PsychoMed compact

Ernst Einsamkeit – Modelle, Ursachen, Interventionen


1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-8463-6229-7
Verlag: UTB
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 234 Seiten

Reihe: PsychoMed compact

ISBN: 978-3-8463-6229-7
Verlag: UTB
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Psychologie der Einsamkeit

Zahlreiche Studien belegen die schwerwiegenden Folgen der Einsamkeit für die körperliche und seelische Gesundheit. Einsamkeit ist mit hohem Leidensdruck verbunden, chronische Einsamkeit spielt eine Rolle für das Auftreten und die Aufrechterhaltung verschiedener Erkrankungen.

Das Buch bietet einen wissenschaftlich fundierten Einstieg in das komplexe Thema. Ausgehend von einer Begriffsdefinition und Abgrenzung gegenüber verwandten Konzepten wird die Epidemiologie der Einsamkeit beleuchtet. Weitere Kapitel widmen sich der Entstehung von Einsamkeit, ihrem Zusammenhang mit körperlichen und psychischen Erkrankungen sowie verschiedenen Erhebungsmethoden. Das Buch schließt mit aktuellen Perspektiven: Der Diskussion, ob Einsamkeit in den letzten Jahren zugenommen hat, und dem Forschungsstand zu wirksamen Interventionen.

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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Hinweise zur Benutzung dieses Lehrbuches 8
1 Was ist Einsamkeit? 9
1.1 Definitionen 9
1.2 Abgrenzung der Einsamkeit gegenüber verwandten Konstrukten 14
1.3 Kategorien der Einsamkeit 21
1.4 Was ist das Gegenteil von Einsamkeit? 26
1.5 Zusammenfassung 29
1.6 Fallbeispiele 29
1.7 Fragen zu Kapitel 1 31
2 Epidemiologie: Wer ist einsam? 32
2.1 Einsamkeit über die Lebensspanne 33
2.2 Geschlechtsabhängige Unterschiede 39
2.3 Soziale Einbindung, Lebenssituation und Marginalisierung 40
2.4 Unterschiede zwischen Regionen, Ländern und Kulturen 44
2.5 Zusammenfassung 49
2.6 Fallbeispiele 50
2.7 Fragen zu Kapitel 2 52
3 Ätiologie: Wie entsteht Einsamkeit? 54
3.1 Relevante Modelle zur Entstehung und Aufrechterhaltung von Einsamkeit 54
3.2 Psychodynamische Zugänge zur Einsamkeit 61
3.3 Einsamkeit und Persönlichkeit 73
3.4 Experimentelle Zugänge und neurophysiologische Korrelate 83
3.5 Integrative Modelle von Auslösern und Risikofaktoren 88
3.6 Zusammenfassung 91
3.7 Fallbeispiele 92
3.8 Fragen zu Kapitel 3 94
4 Gesellschaftliche Perspektiven auf Einsamkeit, ihre Ursachen und Folgen 96
4.1 Zu- und Abnahme der Einsamkeit über die historische Zeit bei verschiedenen Altersgruppen 96
4.2 Einsamkeit und Digitalisierung 99
4.3 Einsamkeit während und nach der COVID-19-Pandemie 101
4.4 Gesellschaftliche Folgen von Einsamkeit 106
4.5 Zusammenfassung 109
4.6 Fragen zu Kapitel 4 110
5 Ist Einsamkeit immer nur schlecht? 111
5.1 Funktionalität der Einsamkeit 111
5.2 Medikalisierung, Pathologisierung und Stigmatisierung 112
5.3 Weitere aktuelle Perspektiven auf den Umgang mit „schwierigen Gefühlen“ 115
5.4 Zusammenfassung 119
5.5 Fragen zu Kapitel 5 119
6 Einsamkeit und Gesundheit 121
6.1 Einsamkeit und psychische Gesundheit 121
6.2 Einsamkeit und körperliche Gesundheit 129
6.3 Wechselwirkungen, Mechanismen und vermittelnde Variablen zwischen Einsamkeit
und Gesundheit 133
6.4 Modell der Zusammenhänge zwischen Einsamkeit und Gesundheitsfolgen 144
6.5 Zusammenfassung 145
6.6 Fallbeispiele 146
6.7 Fragen zu Kapitel 6 149
7 Erhebung und Erforschung von Einsamkeit und assoziierten Konstrukten 151
7.1 Instrumente mit mehreren Items zur Erhebung
verschiedener Charakteristika von Beziehungen und ihrer subjektiven Wahrnehmung 152
7.2 Single-Item-Maße 160
7.3 Messung und spezifische Verfahren in verschiedenen Altersgruppen 164
7.4 Direkte und indirekte Erhebungsformate 165
7.5 Qualitative Methoden 167
7.6 Zusammenfassung 169
7.7 Fragen zu Kapitel 7 170
8 Was hilft gegen Einsamkeit? 172
8.1 Bewältigungsmöglichkeiten 173
8.2 Interventionsstrategien 179
8.3 Zusammenfassung 209
8.4 Fragen zu Kapitel 8 210
Glossar 212
Literatur 219
Sachregister 233


1Was ist Einsamkeit? Wahrscheinlich haben Sie als Leser:in dieses Buchs schon eine gewisse Vorstellung davon, was Einsamkeit bedeutet. Schließlich kommt dieser Begriff auch in unserer Alltagssprache vor. Daraus folgt jedoch auch, dass er recht unscharf verwendet wird und unterschiedliche Personen damit unterschiedliche Situationen und Empfindungen assoziieren. Deshalb lohnt es, sich damit auseinanderzusetzen, wie Einsamkeit eigentlich im wissenschaftlichen Sinne definiert wird. Dieses Buch befasst sich primär mit den aktuell gültigen bzw. in der (vorrangig sozialwissenschaftlichen) Forschung relevanten Definitionen. Für einen historischen Zugang und Einbezug von Perspektiven aus Philosophie, Religion und Politik sei an dieser Stelle auf Wegener und Jacobs (2021) verwiesen. 1.1Definitionen Die intuitive Auffassung des Begriffs Einsamkeit, die Lai:innen äußern, ist tatsächlich kongruent mit einem ganz entscheidenden Kriterium, das die Einsamkeit auch aus Sicht der Wissenschaft ausmacht: und zwar, dass es dabei um ein unangenehmes Gefühl geht. Teilnehmer:innen einer internationalen, qualitativen Studie sprachen von Traurigkeit, Schmerz, Leere, Unverständnis, Frustration und Gefühlen von Verlorenheit (Heu et al., 2021). Bezogen auf das Zustandekommen (und eventuelle Möglichkeiten der Linderung) dieser negativen Affektivität fokussieren etablierte Definitionen und Modelle in der Folge verschiedene Faktoren. Betrachtet werden in diesem Kapitel die existentielle Einsamkeit, die Unerfülltheit sozialer Bedürfnisse und die sog. ? Diskrepanzdefinition. Existentielle Einsamkeit Existentielle Einsamkeit bezeichnet eine tiefgreifende Form der emotionalen Isolation, die sich aus der Betrachtung der eigenen Existenz und der inhärenten Natur des menschlichen Seins ergibt. Sie findet Ausdruck in Hesses berühmten Gedicht „Im Nebel“ (Hesse, 1977), in dem der Autor feststellt, dass jeder Mensch allein und unüberwindbar getrennt von anderen Menschen ist. Beschreibungen existentieller Einsamkeit aus philosophischer Sicht rekurrieren vor allem auf die Analysen Heideggers, Jaspers und Sartres. Existentialismus Die philosophische Strömung des Existentialismus beschäftigt sich, sehr grob zusammengefasst, mit Fragen nach dem Sinn des Lebens, der individuellen Existenz und dem menschlichen Dasein. Existentielle Einsamkeit entsteht vor diesem Hintergrund nicht aus einem Mangel an sozialen Beziehungen, sondern bezieht sich auf die fundamentale Unverbundenheit der Menschen untereinander. Dieses Gefühl des Getrenntseins ist niemals komplett überwindbar, da es alle Lebensbereiche durchdringt und auch durch die Anwesenheit anderer Menschen bzw. den Kontakt mit ihnen nicht reduziert werden kann. Sie stellt einen unvermeidbaren Teil des Erlebens der menschlichen Existenz dar, so dass einige Theoretiker:innen die Haltung vertreten, dass der Mensch letztlich notwendigerweise und für immer einsam ist und dass jeder Versuch, dieser Einsamkeit zu entkommen, zur Selbstentfremdung führt (für eine Diskussion des Konstrukts existentielle Einsamkeit siehe Gallagher, 2023). existentielle Psychotherapie Auch Yalom (1980) beschrieb mit Bezug auf philosophische Perspektiven die unüberwindbare Trennung zwischen der einzelnen Person und der Welt, in der sie lebt (als „existenzielle Isolation“). Aus der Bewusstwerdung, dass man selbst für sein Leben verantwortlich ist, ohne es frei gewählt zu haben, kann ein Gefühl tiefer Einsamkeit entstehen. Doch genauso, wie wir gewissermaßen uns selbst erschaffen, bauen wir auch Beziehungen zu anderen auf. Wenngleich Yalom davon ausgeht, dass die Isolation ein Stück weit ausgehalten und ertragen werden kann, ja, muss, statt sie zu verdrängen, so schaffen es in diesen Beziehungen erlebte Gefühle wie Geborgenheit dennoch, die erlebte Leere zu füllen. Diese Auffassung beeinflusste seine Erarbeitung der sog. „existentiellen Psychotherapie“, die er als Sonderform der psychodynamischen Psychotherapie einführte. psychologisch-sozialwissenschaftliche Sicht Die existentielle Perspektive ist somit nicht komplett kongruent zu den Zugängen zur Einsamkeit aus psychologischer bzw. allgemeiner sozialwissenschaftlicher Sicht, mit denen wir uns in den weiteren Kapiteln beschäftigen werden und die Einsamkeit als vorübergehend oder zumindest als grundsätzlich linder-/behandelbar verstehen. Eine wichtige Parallele besteht jedoch darin, dass auch die existentielle Einsamkeit ein subjektives Erleben beschreibt. Zum Teil wurde sie gar als nicht kommunizierbar begriffen, da sie ein Gefühl eines inneren Nichts sei (Ettema et al., 2010). In den letzten Jahrzehnten gab es jedoch verschiedene Forschungsbemühungen zu ihrer Erhebung, die sich auf spezielle Populationen wie körperlich oder psychisch schwer kranke Personen konzentrierten, inklusive Personen, die kurz vor dem Tod standen und/oder palliativ behandelt wurden (z. B. Krebspatient:innen). Ein beispielhafter Selbstberichtsfragebogen ist die Existential Loneliness Scale von Pinel et al. (2017), die Aussagen enthält wie „Die anderen Menschen verstehen meine Erfahrungen meist nicht“. Einsamkeit als Folge unerfüllter sozialer Bedürfnisse Wir Menschen sind soziale Wesen und brauchen die Einbindung in eine Gemeinschaft, um psychisch und körperlich gesund zu bleiben. Dafür haben wir auch selbst ein gutes Verständnis: Fragt man Studienteilnehmer:innen, was für sie am meisten zum Glücklichsein beiträgt, so nennen die meisten Personen Liebe, Vertrautheit und soziale Bindungen (noch vor z. B. finanziellem Wohlstand) (Berscheid, 1984). Passend dazu erklärten gute Beziehungen und ein reiches Sozialleben in groß angelegten Umfragestudien statistisch die Zugehörigkeit zur Gruppe der „sehr glücklichen“ (im Vergleich zu weniger glücklichen) Personen (Diener et al., 2018). Maslow et al. (1970) stellten das Sozialbedu¨rfnis (im Original „Need of Love and Belonging“) hierarchisch gleich unter basale Bedu¨rfnisse wie die Grund- und Existenzbedu¨rfnisse sowie das Bedu¨rfnis nach Sicherheit. Auch Baumeister und Leary (1995) verstehen den Wunsch nach stabilen, reziproken sozialen Beziehungen als biologisches Grundbedürfnis („Need to belong“). Dieses ist ein angeborener und starker Antrieb, der verschiedene Aspekte des menschlichen Verhaltens, der Emotionen und der Kognition beeinflusst. Soziometer Sie schlugen die ? Soziometer-Theorie vor: Wie ein Thermometer, das die Temperatur misst, stellt das innere Soziometer einen Gradmesser für soziale Eingebundenheit dar. Als Indikator fungiert hier unser Selbstwert. Er wird dadurch beeinflusst, inwiefern wir Anerkennung bzw. Ablehnung durch andere Menschen erleben. Schätzen wir unsere Zugehörigkeit zu anderen aufgrund dieser Informationen als gefährdet ein, so schlägt das innere Überwachungssystem Alarm – der sich als emotionaler ? Stress äußert (Leary & Baumeister, 2000). Die enorme subjektive Bedrohlichkeit, nicht in die Gruppe integriert zu sein, sowie das Vorhandensein universeller sozialer Bedürfnisse wird im Einklang mit der ? evolutionären Theorie der Einsamkeit (Kapitel 3.1) als Folge natürlicher Selektion erklärt, da unsere Vorfahren am besten in der Gruppe überlebten bzw. der Ausschluss aus der Gruppe tatsächlich lebensgefährliche Konsequenzen haben konnte. Diskrepanzdefinition Die heutzutage am breitesten akzeptierte und am häufigsten herangezogene wissenschaftliche Definition der Einsamkeit nach Perlman und Peplau (1981), S. 31 (Übersetzung der Autorin), ist noch etwas differenzierter als die „einfache“ Unerfülltheit sozialer Bedürfnisse: Einsamkeit ist ein unangenehmes Gefühl. Es entsteht in Situationen, in denen die sozialen Beziehungen einer Person in irgendeiner wichtigen Weise unzureichend sind, entweder quantitativ oder qualitativ. Sie wird auch als ? Diskrepanzdefinition bezeichnet: Die Einsamkeit ergibt sich aus der wahrgenommenen Lücke zwischen den gewünschten und den tatsächlich vorhandenen Beziehungen. Diese Einschätzung orientiert sich dabei sowohl an der Quantität, also der Anzahl an Kontakten und gemeinsam verbrachter Zeit, als auch an der Qualität der Beziehungen, also der Beziehungszufriedenheit und Merkmalen wie Tiefe, Harmonie und Vertrauen. Es gibt Hinweise darauf, dass die Qualität im Vergleich der wichtigere Aspekt für die körperliche und psychische Gesundheit ist (z. B. Fiorillo & Sabatini, 2011). Die Diskrepanzdefinition der Einsamkeit bezieht sich sowohl auf die Qualität als auch die Quantität sozialer Kontakte und deren (Nicht-)Passung mit den individuellen Beziehungswünschen. Die individuellen Bedürfnisse...


Ernst, Mareike
Dr. Mareike Ernst lehrt und forscht am Institut für Psychologie, Abt. f. Klinische Psychologie, Psychotherapie und Psychoanalyse an der Universität Klagenfurt.



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