E-Book, Deutsch, 250 Seiten
Eßer Nicht nur der Hund begraben...
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-86913-445-1
Verlag: ars vivendi
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Anthologie zur Criminale 2014. 18 fränkische Fälle - Frankenkrimis
E-Book, Deutsch, 250 Seiten
ISBN: 978-3-86913-445-1
Verlag: ars vivendi
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Im Mai öffnet die Criminale ihre Pforten. Dieses Mal: in Nürnberg und Fürth. Doch 19 Autoren des Krimiautorenverbundes SYNDIKAT waren schon vorher da und nahmen das mittelfränkische Gebiet unter ihre kriminalistische Lupe. Was dabei herausgekommen ist, auf ihren Streifzügen durch Zirndorf, Nürnberg oder Cadolzburg? Welche grausigen Verbrechen vor den malerischen Kulissen passiert sind, welche Taktiken die Ermittler zum Ziel geführt haben? Lesen Sie selbst. Sicher ist nur: Die Autoren hatten eine Mordszeit in Franken im wahrsten Sinne des Wortes ...
Mitwirkende Autoren:
Kirsten Püttjer & Volker Bleeck, Roland Krause, Jeff Röckelein, Nina George, Petra Gabriel, Sunil Mann, Renate Klöppel, Thomas Kowa, Barbara Saladin, Peter Godazgar, Beate Maxian, Lucie Flebbe, Bernhard Aichner, Gunter Gerlach, Andreas Gruber, Regula Venske, Jutta Siorpaes, Sabine Trinkaus
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Kirsten Püttjer & Volker Bleeck – Wallensteins Wiederkehr Mit unaufdringlicher, rhythmischer Melodie meldete sich sein Mobiltelefon. Der Mann ging ran, hörte konzentriert zu, sagte ein paar knappe Worte und legte auf. Auch jetzt noch behielt er das Wallensteinhaus fest im Blick. Sein Cappuccino war unberührt. Dann bezahlte er und ging. Lässig schlenderte er vorbei an dem historischen Haus mit der Aufschrift »Foto Wiech«. Drinnen legte Bente Everts die örtliche Lokalzeitung Der Bote zurück auf den Tisch und ihr angebissenes Brötchen auf den Teller. Gerade hatte sie einen Artikel über Brandstiftung und den Fund einer stark verkohlten Leiche in einem niedergebrannten Fachwerkhaus an der Türkeistraße gelesen, nicht weit von hier. Jetzt war ihr ein bisschen schlecht und sie fühlte sich unwohl an ihrem dritten Tag allein in Altdorf. Vor nicht mal einer Woche hatte Antje, ihre alte Freundin aus gemeinsamen Hamburger Tagen, sie angerufen und um Hilfe gebeten. Antjes kleiner Sohn Felix hatte für die gesamte Familie eine vierzehntägige Kreuzfahrt gewonnen, die aber – das war der Haken daran – sehr kurzfristig anzutreten war. Also brauchte Antje jemanden, der sie im Fotogeschäft und Gewürzladen im historischen »Wallensteinhaus« in Altdorf vertreten konnte – und das möglichst gleich. Antjes »Notruf« kam genau im richtigen Moment. Bente hatte die letzten Jahre auf einer nordfriesischen Hallig verbracht, der Liebe wegen. Doch nun war alles aus, und sie hatte spontan zugesagt, für die nächsten Wochen die Geschäfte und die drei Windhunde zu übernehmen. Als gelernte Fotografin war sie gewissermaßen die ideale Besetzung. Gleich nach ihrer Ankunft hatte sie im Schnelldurchgang alle notwendigen Informationen bekommen, inklusive Tour durch das denkmalgeschützte Haus, von den voll Wasser gelaufenen Tiefkellern bis hinauf zu dem höchsten der vier Speicherböden. »Wallenstein« – bei dem Namen hatte sie an Schule und ihren Geschichtsunterricht denken müssen: Dreißigjähriger Krieg, irgendwas mit den Schweden, Westfälischer Friede und so. Hier aber erfuhr sie, dass die Verbindung zu Albrecht von Wallenstein auf dessen relativ kurze und nicht sehr intensive Studienzeit in Altdorf um 1600 zurückging. Also, intensiv schon, aber eher in Bezug aufs Feiern und Trinken als aufs Studieren. Um Punkt neun Uhr öffnete Bente den Laden. Es lief gleich gut, gerade bei den Gewürzen. Speziell die Mischung »Sex Korn« war gefragt, die entweder von kichernden Frauengruppen oder betont belanglos dreinschauenden Männern gekauft wurde. Und immer wieder erkundigten sich Leute nach dem Wallensteinhaus und waren verblüfft, wenn man ihnen sagte, dass sie es bereits betreten hatten. Irgendwie blieb das Haus für manche wie unsichtbar. Dabei lag es mitten im Herzen von Altdorf am Oberen Markt, in einer Reihe mittelalterlicher Fassaden. Es war eher schmal und hoch, innen ziemlich verwinkelt mit einem engen, langen Innenhof, der bis zur hinteren Straße reichte. Dort, in der einstigen Garage, war das Fotostudio untergebracht. Am Nachmittag stand plötzlich ein Mann mit Anzug und Aktentasche im Laden. Er zeigte ihr kurz seinen Lichtbildausweis, zog eine Visitenkarte aus seiner Brusttasche und hielt sie ihr entgegen. Bente sah auf die Karte. »Amt für Denkmalschutz, Hornberger«, stellte er sich vor. »Frau Wiech?« »Äh, nein, Everts«, antwortete Bente, die fieberhaft überlegte, ob Antje erwähnt hatte, dass jemand vom Denkmalschutzamt vorbeischauen wollte. Sie wusste es nicht. Sie konnte sich nur daran erinnern, dass Antje nicht schlecht geschimpft hatte auf diese Behörde. Es ging unter anderem um den Treppenhausturm, dessen Stufen ausgetreten und morsch waren und restauriert werden sollten. Da man entsprechend altes Holz verwenden musste, würde das teuer werden. Der im Hof gelegene Turm war ein architektonisches Highlight, die Spindel in der Mitte aus dem Stamm einer einzigen gewaltigen Eiche gearbeitet. Trotzdem musste man auf dem Weg nach oben zu den Speichern genau darauf achten, wohin man trat, und ging am besten nur an der Innenseite entlang. Herr Hornberger vom Denkmalschutz wirkte ziemlich verärgert, als er hörte, dass Antje nicht da sei. »Ich hatte Frau Wiech über meinen Besuch informiert«, sagte er in gereiztem Ton, »es geht ja lediglich darum, ein paar Fotos zu machen und ein, zwei Dinge zu protokollieren.« Er klopfte auf seine ausgebeulte Aktentasche. In diesem Moment betrat eine größere Reisegruppe das Geschäft und steuerte zielstrebig das Regal mit den Salzlampen an. Bente sah ihr Gegenüber hilflos an und zuckte mit den Schultern. Er seufzte. »Ich weiß ja, wo ich hin muss.« Sie nickte dankbar und wandte sich den Kunden zu, während er in den Hof ging. Gerade konnte sie noch verhindern, dass eine chinesische Touristin an einer Salzlampe leckte. Etwa eine Dreiviertelstunde später war der Mann wieder da, staubig und mit nassen Hosenbeinen. »Wo haben Sie sich denn herumgetrieben?«, wollte Bente wissen und deutete auf seine nassen Hosenbeine. »Mussten Sie etwa in den Tiefkeller?« Verlegen gestand er ihr, dass er wohl falsch abgebogen und dann ausgerutscht sei. Wo, das ließ er offen, es war ihm ganz offensichtlich peinlich. Bente lachte nur und lud ihn auf einen Kaffee ein. Im weiteren Gespräch stellte sich heraus, dass der Denkmalschutzbeauftragte Hornberger durchaus einen Sinn für die von Gesetzesauflagen gebeutelten Hausbesitzer hatte. »Einige Sachen sind wirklich übertrieben«, sagte er und stellte seine Tasse ab. »Ich kann der Frau Wiech da noch ein paar Tipps geben, ich kenne einen guten Holzhändler im Grunewald.« Dann verabschiedete er sich. Netter Typ, dachte Bente, so viel zum Thema Vorurteile. Sie befestigte die Visitenkarte an der Pinnwand hinter dem Tresen. Als sie gegen Abend beim Bäcker Riedner ein Krustenbrot kaufte, fiel ihr ein älterer Mann mit Schiebermütze auf, der hinter ihr stand. Sie war sich sicher, ihn am Nachmittag bereits vor dem Fotoladen gesehen zu haben. Vielleicht nicht ungewöhnlich in einem überschaubaren Ort wie Altdorf, aber er wirkte seltsam ertappt, als er ihren Blick bemerkte, drehte sich abrupt um und verschwand in Richtung Untere Brauhausstraße. Der Kunde vor ihr hatte ihre Verwunderung offensichtlich bemerkt und lächelte sie aufmunternd an, während er sein Brot entgegennahm. Dann klingelte sein Mobiltelefon mit einer rhythmischen Melodie. Telefonierend verließ der Mann den Laden. Mitten in der Nacht wurde Bente wach. Irgendein Geräusch hatte sie geweckt. Sie lauschte, doch jetzt war es still. Hatte sie vielleicht nur geträumt? Einer der Hunde sah sie interessiert im Schein des Lichts an, das vom Oberen Markt ins Zimmer drang. Hatte er auch etwas gehört? Und woher konnte das Geräusch gekommen sein? Irgendwie unheimlich war ihr das alte Haus ja schon, so groß, verwinkelt und unübersichtlich. Überall knarzte und knackte es. Und Windhunde, das wusste sie inzwischen, hatten nun ganz und gar nichts von Wachhunden, so zutraulich wie die waren, zu jedem. Die fürchteten sich jetzt wahrscheinlich mehr als sie selbst. Da war es wieder, diesmal von draußen. Und jetzt hatte der Hund es auch gehört. Bentes Herz klopfte, dann stand sie auf, ging ans Fenster, öffnete es und blickte hinunter. Nichts, da war niemand zu sehen auf dem Platz zwischen Laurentiuskirche und Kultur-Rathaus. Sie setzte sich wieder auf ihr Bett und lauschte in die Dunkelheit. Es knackte erneut irgendwo. Sie beobachtete den Hund, der sich jetzt wieder vor ihrem Bett auf seinen Platz legte. Sie versuchte, sich zu beruhigen. Sei nicht albern, redete sie sich zu, es ist ein altes Haus, hier rumort es an allen Ecken und Enden. Bente nahm ihren MP3-Player vom Nachttisch, setzte die Kopfhörer auf und lauschte Mozarts kleiner Nachtmusik. Am nächsten Tag war sie früh wach und fühlte sich nicht gut. Nachdem sie in der Nacht endlich wieder eingeschlafen war, hatte sie davon geträumt, dass unheimliche Subjekte sie durch das ganze Haus verfolgten. In ihrem Traum war sie schließlich auf die Straße gelaufen und hatte plötzlich vor einem Scheiterhaufen gestanden, den düstere Gestalten in Brand steckten. Sie hatte Feuerwehrsirenen gehört, ganz deutlich, aber kein Löschfahrzeug entdecken können. Das Feuer war immer weiter zu ihr emporgekrochen, die Hitze unerträglich geworden und dann hatte ihr jemand aufreizend einen Humpen Bier entgegengehalten. Sie hatte versucht, ihn zu fassen zu bekommen, ihn aber nicht erreicht und ins Leere gegriffen. Dann war sie aufgewacht. Was für ein Quatsch. Kopfschüttelnd stellte Bente die zu zwei Drittel leere Flasche Rotwein in den Kühlschrank und kümmerte sich ums Frühstück für Mensch und Tier. Später am Tag unternahm sie einen längeren Spaziergang mit den Hunden. Am Rossweiher ärgerte sie sich noch über achtlos hineingeworfene Getränkebecher einer Fastfood-Kette, als sie merkte, dass einer der Hunde weg war. Sie ging ein Stück zurück, suchte hinter der Böschung, bei den Bäumen – nichts. Sie pfiff, doch es blieben weiterhin nur zwei Hunde, die sie erwartungsvoll ansahen. Wahrscheinlich hofften sie auf ein neues Spiel. Als sie schon merkte, wie sie leichte Panik ergriff, kam ein Mann um die Ecke, den Hund am Halsband. »Die büxt wohl gern mal aus«, sagte er lächelnd, während er dem Hund über den Kopf streichelte, »Sie sollten sie besser an die Leine nehmen.« Bente stand dem Fremden etwas verlegen gegenüber, der ihr jetzt die Hand entgegenstreckte. »Sie müssen Antjes Freundin sein. Freut mich. Ich bin Wolf.« Er grinste verschmitzt. Bente musste zugeben, dass sie seine direkte Art mochte und auch den...