E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Reihe: Dein Business
Fatfouta Ist das Diversity oder kann das weg?
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-96740-464-7
Verlag: GABAL
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wie Menschen und Organisationen von gelebter Vielfalt profitieren
E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Reihe: Dein Business
ISBN: 978-3-96740-464-7
Verlag: GABAL
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der Diversity-Faktencheck für Unternehmen
"Ob Wirtschaft, Politik oder Gesellschaft: Diversity ist in aller Munde, auch wenn es nicht allen schmeckt."- Ramzi Fatfouta
Wie kann Vielfalt im Arbeitsalltag aktiv gelebt werden, ohne ein bloßes Lippenbekenntnis zu bleiben?
Ist das Diversity oder kann das weg? liefert Antworten auf diese und viele weitere Fragen. Im Buch werden die 13 häufigsten Mythen rund um Diversity entlarvt und ihnen werden wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse, Fakten und praxisnahe Beispiele entgegengesetzt. Mit einem kritischen Blick auf aktuelle Herausforderungen und mögliche Fallstricke setzt sich Fatfouta aus psychologischer, unternehmerischer und gesellschaftlicher Sicht mit Diversity auseinander und zeigt ganzheitlich, wie Menschen und Organisationen Vielfalt fördern und langfristig davon profitieren können.
Die Unternehmensführung, Führungskräfte und Projektverantwortliche erfahren, warum Diversity weit über den betriebswirtschaftlichen Nutzen hinausgeht und wie Vielfalt in der eigenen Organisation erfolgreich gelebt werden kann.
13 Kurzinterviews mit renommierten Diversity-Expert:innen wie Emre Çelik, Natalya Nepomnyashcha und Irène Kilubi, persönliche Anekdoten des Autors und zahlreiche Tools und Übungen bieten darüber hinaus wertvolle Einblicke und konkrete Handlungsempfehlungen.
Entdecken Sie mit dem Diversity-Musterfragebogen, Diversity-Canvas, Diversity-Scorecard, Diversity-Personas und weiteren digitalen Zusatzinhalten, wie Vielfalt zu einem echten Gewinn für Sie selbst und Ihre Organisation werden kann.
Weitere Infos & Material
VORWORT Was Diversity mit mir zu tun hat
»Woher kommst du?« »Nein, woher kommst du wirklich?« Lange wusste ich nicht, was ich auf diese scheinbar unverfänglichen Fragen im Erstkontakt antworten soll. Selten bleibt meine Antwort unkommentiert. Wenn ich »Deutschland« sage, hebt sich meist eine Augenbraue (je nach Gegenüber auch beide). Sage ich »Polen«, ernte ich aufgrund meines Phänotyps Unglauben, obwohl meine Mutter nun einmal aus Krakau stammt. Als Beweis muss ich manchmal etwas auf Polnisch sagen, aber nicht etwa »kurwa!« – diesen vielseitig verwendbaren Ausdruck kennen schließlich viele schon. Und bei »Tunesien« kommt gelegentlich die Rückfrage, wann ich denn wieder vorhabe, »in die Heimat« zu reisen. Es kommt mir vor, als würde mein Migrationsvordergrund meinen Migrationshintergrund verdecken. Manchmal habe ich genau deshalb keine Lust, diese Fragen zu beantworten und meine Lebensgeschichte zu offenbaren. Oder zu begründen, warum Deutschland meine Heimat ist. Eine Person, die ich zum ersten Mal treffe, muss schließlich nicht wissen, wo und wie sich meine Eltern kennengelernt haben, warum genau sie ihre Herkunftsländer verlassen haben oder warum ich trotzdem gerne Weihnachten feiere und Glühwein (mit Schuss) trinke. Aber es hilft nichts: Ich bin scheinbar eine Projektionsfläche für die vermeintliche Neugier der Mehrheitsgesellschaft. Früher habe ich mich für meine eigene Vielfalt geschämt. Meine Mutter war Reinigungskraft (das Klischee schlechthin), mein Vater zwischenzeitlich für eine längere Zeit arbeitsuchend (früher sagte man noch ganz unverblümt »arbeitslos«), wir lebten von Hartz IV (heute Bürgergeld) und der sonntägliche Flohmarktbesuch gehörte zum Familienritual. Trotz dieses dürftigen sozialen Kapitals – Bourdieu wäre vermutlich stolz auf mich – habe ich es geschafft, ein bilinguales deutsch-französisches Gymnasium zu besuchen und mein Abitur als Klassenbester zu absolvieren. Dazwischen: Weiterbewilligungsanträge für meine Eltern ausfüllen, Briefe an die Hausverwaltung formulieren und Arztbriefe oder andere Dokimente (sic!), wie mein Vater heute noch zu sagen pflegt, in leichte Sprache übersetzen. Glücklicherweise konnten meine ältere Schwester und ich uns diese häuslichen Pflichten aufteilen. Amtsdeutsch? Kein Problem! Heute weiß ich, dass diese Zeit das beste Resilienz- und Kompetenztraining für mich war. Früh lernte ich, dass sozialer Aufstieg auch ohne Vitamin »G« (Geld) möglich, aber keinesfalls einfach ist. Ich wurde zur Model Minority (Vorzeige-Minderheit), denn für ein – fremdernanntes – »Ausländerkind« galt ich als tadellos integriert. Schon mein Grundschulzeugnis lässt dies erahnen: »Ramzi erfreut durch stets einwandfreies Verhalten. In fast allen Lernbereichen lagen seine Leistungen über denen des Klassendurchschnitts.« Für die Neugierigen, die sich fragen, welcher Lernbereich eine Ausnahme darstellte: Es war der Sportunterricht, in dem ich als damals hochgewichtiges Kind nur befriedigende Leistungen erzielte. Die diagnostische Prognosegüte dieses Zeugnisses ist dennoch nicht zu vernachlässigen. Nach dem Bachelor in Psychologie eine fast-track Promotion in einem interdisziplinären Forschungskolleg, parallel dazu ein englischsprachiger Master in Neurowissenschaften, noch vor Abschluss der Doktorarbeit das erste Jobangebot. Ich wechselte von der Wissenschaft in eine inhabergeführte deutsche Personal- und Managementberatung, wo ich hauptsächlich für die eignungsdiagnostische Auswahl und Entwicklung von Topmanagern (und ab und zu auch Topmanagerinnen) verantwortlich war. Eine komplette Kehrtwende. Tschüss Empirie, hallo Pareto-Prinzip! Hier schließlich wurde ich in eine Welt eingeführt, die mir zuvor noch fremd gewesen war. Zwischen TAG Heuer, TUMI-Taschen und teuren Parfums merkte ich schließlich: Mir fehlte trotz Tom Ford der berüchtigte Stallgeruch. »Bruder, was für ne Skireise in den Alpen?«, dachte ich. Ich hatte schließlich viele Sommer in Polen und Tunesien verbracht – zwischen Salzgurken und Couscous – und habe erst spät im Arbeitsleben gelernt, wie die Besteckreihenfolge bei mehrgängigen Menüs funktioniert. Die meisten Topmanager hießen Thomas, Michael oder Stefan; ab und zu verirrte sich auch eine Sabine zu mir ins Assessment – nur ich passte irgendwie nicht ins Bild. Aus diesem Grund bewegte ich mich zunächst nicht so nonchalant in den sozialen Sphären meiner Kolleg:innen. Ob sie wohl gemerkt haben, dass ich zwar das Wissen, aber nicht den Habitus hatte? Glücklicherweise hatte ich sehr gute Mentor:innen, die mir mit einem Augenzwinkern die Geheimnisse des unbeschwerten Business Talks beigebracht haben und erklärten, dass es nie Probleme, sondern nur Opportunitäten, bestenfalls Chancen, gibt – quasi ein Schnellkurs im gesellschaftlichem Parkett-Tanzen, wofür ich bis heute dankbar bin. Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung wechselte ich einige Jahre später auf die Konzernseite. Hier wehte ein etwas anderer Wind. Die Belegschaft war durchmischter, doch auch hier fehlte es an den Alis, Fatmas und Shaniquas unter den (gehobenen) Führungskräften. Vermutlich lag und liegt es am Fachkräftemangel, woran sonst. Er ist schließlich das Totschlagargument für alle Versäumnisse des Personalbereichs. Ich durchforstete die Flure auf der Suche nach Diversity und stellte schnell fest, dass die größte Vielfalt im Kantinenangebot zu finden war. »Asia-Wochen« suggerierten, dass man sich für verschiedene Kulturen interessierte. Immerhin gab es Bemühungen, sich mit Vielfalt ernsthaft auseinanderzusetzen. Diversity löste schließlich Neugier, aber auch Unbehagen aus: »Brauchen wir eine Frauenquote für alle Führungsebenen? Wie viel Vielfalt tut uns gut? Ist eine Diversity-Strategie überhaupt notwendig?« Wie Sie merken, ist Diversity kein Buzzword für mich, sondern (m)ein Lebensthema. Schon lange hat es mich beschäftigt, dass die deutschsprachige Businessliteratur zu dem Thema selbst einem fundamentalen Bias unterliegt. Die operative Beratungspraxis mag inzwischen vielfältiger aufgestellt sein, aber der strategische Diskurs, der nun einmal durch seriöse Publikationen vorangetrieben wird, ist noch unausgewogen. Als ich selbst nach einem Businessratgeber suchte, fühlte ich mich durch keine:n der Autor:innen angemessen repräsentiert. Fast alle sind von mittelalten weißen Männern und Frauen verfasst. Wenn Sie es nicht glauben, wie einseitig vorherrschende Narrative zu Diversity und vor allem Diversity-Management sind, empfehle ich Ihnen, nach entsprechenden Büchern zu recherchieren. Was fällt Ihnen auf? Meine Haltung ist klar: Differenziert ist Diversity-Arbeit nur, wenn die Perspektiven unterschiedlicher Menschen und deren Lebensrealitäten mit einfließen. Ich schreibe dieses Buch daher gleich aus drei verschiedenen Perspektiven: Als Psychologe und Neurowissenschaftler ordne ich wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse für Sie ein, als persönlich »Betroffener« von unterschiedlichen Diskriminierungserfahrungen lasse ich wohldosiert meine eigenen Erlebnisse einfließen und als Praktiker biete ich Ihnen Einblicke in meine eigene Diversity- bzw. Beratungsarbeit. Im Rahmen dieser habe ich in den vergangenen Jahren viele Momente erlebt, die mich selbst haben hinterfragen lassen, ob es meinen Gegenübern tatsächlich um Vielfalt oder eher um etwas anderes ging. Oft fragte ich mich selbstironisch, fast schon zynisch: »Ist das Diversity oder kann das weg?« So wurde übrigens auch der Titel für mein Buch geboren (mehr dazu in Teil 1). Die Frage nach der Daseinsberechtigung von Vielfalt ist eine, die inzwischen viele Gemüter erhitzt. Ob Wirtschaft, Politik oder Gesellschaft: Diversity ist in aller Munde, auch wenn es nicht allen schmeckt. Im Unternehmenskontext ist Diversity mittlerweile zu einer ernstzunehmenden Business-Anforderung geworden, der sich insbesondere Führungskräfte bzw. Personen in leitenden Positionen aktiv stellen müssen. Denn die Integration unterschiedlicher Perspektiven, Erfahrungen und Hintergründe kann Firmen einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil bieten. Dieser Vorteil kommt allerdings selten zum Tragen, weil das Thema für viele Interessierte nur schwer fassbar ist. Es ist daher wenig überraschend, dass es mittlerweile zahlreiche Beiträge zu Diversity gibt – von den Grundlagen über Strategien bis hin zu Umsetzungsmaßnahmen. Was jedoch fehlt – und was ich Ihnen hiermit anbieten möchte – ist ein kritisches Hinterfragen der möglichen Herausforderungen und Fallstricke, die mit...