Faulbaum-Decke / Zechert Ambulant statt stationär
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-88414-745-0
Verlag: Psychiatrie-Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Psychiatrische Behandlung durch integrierte Versorgung
E-Book, Deutsch, 200 Seiten
Reihe: Fachwissen (Psychatrie Verlag)
ISBN: 978-3-88414-745-0
Verlag: Psychiatrie-Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Die Integrierte Versorgung eröffnet völlig neue Chancen und erfüllt zugleich uralte sozialpsychiatrische Forderungen, wenn sie von gemeindepsychiatrischen Trägern realisiert wird. Die gesetzlichen und organisatorischen Grundlagen der Integrierten Versorgung bieten ideale Voraussetzungen für innovative ambulante Angebote:
- die Behandlung im Zuhause des Patienten,
- die Schaffung von Krisenpensionen und Rückzugsräumen,
- ein verpflichtendes Fallmanagement,
- trialogische Kooperation bei ambulanter Behandlung,
- bezahlte Mitarbeit von Psychiatrie-Erfahrenen und Angehörigen,
- Vernetzungen mit anderen Versorgungsbereichen wie Arbeit, Rehabilitation und Therapie
Offen und kritisch werden in diesem Buch die Chancen und Perspektiven diskutiert, ebenso wie die Hürden, die es zu bewältigen gilt. Für Praktiker der Gemeindeund Sozialpsychiatrie sowie Entscheidungsträger ist es das Fachbuch für die Zukunft einer neuen Versorgungspraxis.
'Integriert (endlich) die Integrierte Versorgung!' Thomas Bock
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
Weitere Infos & Material
Es geht um den Menschen – Vorbemerkung 7
Hans-Otto Böckheler
Warum Integrierte Versorgung in der Gemeindepsychiatrie? 10
Wolfgang Faulbaum-Decke und Christian Zechert
Was Integrierte Versorgung kann
Bedürfnis, Vorsorge und Lebenswelt: Das NetzWerk psychische Gesundheit in Berlin 20
Martin Kleinschmidt
Angehörige und Nutzer als bezahlte Kotherapeuten – Erste Erfahrungen 29
Anne Hoffmann
Stand der Vernetzung im Rheinland zwischen Kliniken, niedergelassenen Ärzten und Gemeindepsychiatrie 38
Michael van Brederode
Ein Krankenhaus macht mobil 50
Matthias Heißler im Gespräch mit Ulrich Krüger
Integrierte Versorgung ist mehr: neues Handeln – anderes Bewusstsein 58
Thomas Bock
Wie Integrierte Versorgung organisiert wird
Das Medizinische Versorgungszentrum als Nukleus sektorenübergreifender Verträge mit Krankenkassen 72
Marius Greuèl
'Patient-Centered Medical Home' und
'Managed Care' in der Psychiatrie? 84
Die Integrierte Versorgung psychisch Kranker im TK-NetzWerk psychische Gesundheit
Thomas M. Ruprecht
Von der Krisenpension zum Home Treatment und zurück 96
Thomas Vogelsang
Wie in der Integrierten Versorgung Qualität gesichert werden kann
Qualität sichern 108
Neue Organisationen erfordern neues Teamwork
Volkmar Aderhold
Integration von Hilfen – Alltag der Gemeindepsychiatrie
Das Beispiel der Sozialpsychiatrischen Zentren im Rheinland 117
Nils Greve
Vernetzung, Verantwortung, Verbindlichkeit
Integrierte Versorgung als wirksames Instrument zur Umsetzung
von Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen 127
Helmut Thiede
Der Trialog als Mittel der Qualitätssicherung 134
Thomas Floeth und Uta Majewsky
Integrierte Versorgung nach den §§ 140 ff. SGB V
Chancen und Risiken neuer Versorgungskonzepte
im Gesundheitswesen aus Sicht der Diakonie 144
Jürgen Armbruster und Katharina Ratzke
Inklusion ist die Theorie – Integrierte Versorgung die Praxis 157
Birgit Görres und Thomas Pirsig
Integrierte Versorgung in der Psychiatrie – die Perspektive der Patienten und ihrer Familien 167
Stellungnahme Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker e. V.
Autorinnen und Autoren 172
Von der Krisenpension zum Home Treatment und zurück (S. 96-97)
Thomas Vogelsang
Die Krisenpension existiert in Berlin als außerstationäre Einrichtung bereits seit 2005. Ohne jegliche Finanzierung ging eine Crew aus insgesamt 40 fast ausschließlich ehrenamtlich tätigen Mitarbeitern mit großem Engagement ans Werk, um eine außerstationäre Einrichtung mit Ein?üssen und Begleitungselementen aus Soteria, Recovery, Empowerment u. a. zu entwickeln. Menschen in akuten psychischen Krisen konnten die Krisenpension stundenweise wie auch ganztags nutzen. Die Begleitung erfolgte durch ein ärztlich geleitetes multiprofessionelles Team in trialogischer Besetzung (Erfahrungsexperten, Angehörige, professionelle Mitarbeiter unterschiedlicher Ausbildungen). Ziel war es, eigene Handlungskonzepte der Nutzer zur fördern, ein selbstre?ektiertes Handeln zu ermöglichen und damit Nachhaltigkeit zu erreichen.
Mit ihren sieben Plätzen in einem wohngemeinschaftsähnlichen Setting mit organisierter Selbstversorgung und der Möglichkeit der ?exiblen zeitlichen Nutzung bot die Krisenpension ein besonders niederschwelliges Angebot mit hoher Akzeptanz bei den Nutzern. Ein weiteres Argument der Besucher für die Krisenpension war die Mitarbeit von Erfahrungsexperten und Angehörigen. Nach zwei Jahren quasi unbezahlter Arbeit konnte 2007 ein Vertrag zur Integrierten Versorgung mit der CITYBKK geschlossen werden, der hauptsächlich auf die Versorgung in der Krisenpension selbst abzielte, aber auch die Möglichkeit des Home Treatments einschloss.
Auf der Basis dieser intensiven Erfahrungen sollte mit der Umsetzung des NetzWerks psychische Gesundheit ab September 2009 die Möglichkeit geschaffen werden, das Home Treatment – also die Behandlung/ Begleitung zu Hause – als zentrales Angebot zu entwickeln. Ein System aus Fallmanager und Bezugsbegleiter bietet sowohl einen Lotsen durch das zu aktivierende Netzwerk um den Klienten an als auch einen kontinuierlichen Ansprechpartner. Ärztliche Kompetenz wird durch Einbezug der vorhandenen niedergelassenen Psychiater eingeholt, kann ggf. durch eine ärztliche Begleitung innerhalb des Systems ergänzt werden. Inspiriert aus den Erfahrungen aus Finnland (Westlappland) und Schweden wurde ein Behandlungssetting übernommen und entsprechend den hiesigen Verhältnissen angepasst.
Die dort angewandten Methoden aus der systemischen Therapie, »open dialogue« und »re?ecting team« integrieren sich nahtlos in die Netzwerkarbeit des NWpG und der Krisenpension. Dies erfordert jedoch eine umfassende Fort- und Weiterbildung des inzwischen arbeitsvertraglich abgesicherten trialogischen Kernteams von 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Einrichtung, die mit durchschnittlich sechs Stunden über den Zeitraum von einem Jahr ausgesprochen aufwendig, aber auch sehr effektiv ist. Weiterhin ?ndet alle zwei Monate eine begleitende, eng an »unser« System angelehnte maßgeschneiderte zweitägige Fortbildung aus einem systemischen Curriculum statt. Weitere Schwerpunktthemen und Einrichtungsvorstellungen runden den Wissenstand des Kernteams kontinuierlich ab.
Die Struktur wurde vom Großteam in vier kleine Teams mit jeweils vier bis fünf Bezugsbegleitern und einem Fallmanager als Leitung verändert, um auch hier näher am ?nnischen Ansatz zu bleiben. Eines dieser Teams ist das Krisenpensionsteam, welches die Öffnung der Krisenpension für 24 Stunden an sieben Tagen sicherstellt. Geleitet wird das das Gesamtteam von einem fachlichen Leiter. Jedes Kleinteam hat eine systemische Supervision.
Die Möglichkeit, Erfahrungsexperten mit jeweils sehr unterschiedlichen Krankheits- und Psychiatrieerfahrungen in die Begleitung zu integrieren, macht zeitweise auch ein teamübergreifendes Handeln nötig, wenn der Mitarbeiter besonders gut zu einem Klienten passt, jedoch im »anderen « Team arbeitet. Insbesondere diese hohe Flexibilität im System fordert von den Mitarbeitern viel ab, unterstützt aber auch eine äußerst klientenzentrierte Sichtweise jedes Einzelnen. Letztlich bildet sich um jeden Klienten ein Kleinstteam von festen Mitarbeitern, die für die Dauer der Teilnahme des Klienten am NetzWerk psychische Gesundheit als Ansprechpartner und Begleiter dienen.