Fiedler / Hainzl / Riewe | uncurated | Buch | 978-3-99028-911-2 | sack.de

Buch, Deutsch, 292 Seiten, Format (B × H): 205 mm x 255 mm

Reihe: artedition

Fiedler / Hainzl / Riewe

uncurated

Unbefugte Interventionen im Grazer Stadtraum
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-99028-911-2
Verlag: Bibliothek der Provinz

Unbefugte Interventionen im Grazer Stadtraum

Buch, Deutsch, 292 Seiten, Format (B × H): 205 mm x 255 mm

Reihe: artedition

ISBN: 978-3-99028-911-2
Verlag: Bibliothek der Provinz


uncurated

ist ein Projekt des Instituts für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark, diesmal aber nicht als Taktgeber, sondern als diskreter Beobachter einer Szene. Im Interesse stehen die vielen – ungerufenen, meist anonymen – Einträge in den öffentlichen Raum, aus persönlichen, kommerziellen, politischen wie künstlerischen Beweggründen. Das dichte Gewebe von Bildern und Botschaften, die rätselhaften hinterlassenen Gegenstände und sonderbaren Aktionen sind für die unvorbereiteten Passant*innen nur schwer zu entschlüsseln oder überhaupt unsichtbar. Durch den Filter des selektiven Blicks werden nur individuell relevante Informationen aufgenommen und vieles dadurch im wahrsten Sinne „übersehen“. Für die unterschiedlichen Spielarten die Augen zu öffnen, urbane Handlungsfelder und Bedeutungsschichten zu definieren, Linien und Layer im unübersichtlichen Schnittmusterplan einer Stadt nachzufahren, ist hier exemplarisch anhand der Stadt Graz vorgenommen worden. Als Working Tools wurden Kategorien zu den unterschiedlichen Vorgangsweisen erstellt, die nach ihrem Modus geordnet wurden, als symbolträchtige Icons dienten Stencils, die im Grazer Stadtraum entdeckt wurden.

Der Begriff „uncurated“ ist Pidgin-Englisch, er existiert nicht im englischen Sprachgebrauch. Es ist ein selbstironischer Kommentar zu den gespreizten Worthülsen, die von Kurator*innen für ihre Ausstellungsprojekte kreiert werden. Und vordergründig ist er auch mit Kuratorenschaft bzw. ihrer Absenz zu assoziieren, aber ebenso schwingen Bedeutungen wie „ungepflegt“ und „vernachlässigt“ mit.

Damit ist schon die wesentliche Absicht angesprochen, und zwar, den meist unauffälligen Eintragungen im öffentlichen Raum Aufmerksamkeit zu widmen, unauffällig, weil sie zwischen den viel lauteren Werbeeinschaltungen ausgeblendet und übersehen werden.

So zeigt eben auch Graz im Piano nobile die bezahlte Werbung, Plakate auf Litfaßsäulen, City Lights an Haltestellen und leuchtende Billboards an großen Kreuzungen, während im Parterre die meist anonymen Botschaften Verbreitung finden, Sticker entlang von Dachrinnen und an Pfosten, gesprayte Schriftkürzel, Schablonenbilder und Malereien auf Mauern, an Hauseingängen und Häusersockeln, Bahndämmen und an den funktionalen Teilen der Stadtmöblierung wie Stromkästen und Trafohäuschen. Hat man erst einmal Witterung aufgenommen, wird man in Graz kaum einen Schritt machen können, ohne diese geheime Welt aus Schriften, Bildern und Aufklebern ergründen zu wollen.

Die Stadt wird aber nicht nur genutzt, um Einträge zu hinterlassen, sie ist ebenso Spielfeld und Arena, um sich selbst in Szene zu setzen. Die Formen und Motive für die öffentlichen Aktionen von Gruppen sind vielfältig und reichen von spielerischen Einsätzen wie Flashmobs bis zu politischen Kundgebungen oder Besetzungen des öffentlichen Raumes, wie Urban Gardening oder House Squatting.

Eine spezifische Art, die Stadtarchitektur zu erleben, ist, sie körperlich nachzuvollziehen, ihre Absätze, Stufen, Mauern wie Geräte eines Turnsaals zu nutzen, sei es mit BMX-Rädern, Skateboards oder in direkter akrobatischer Aneignung, wie bei den Disziplinen Freerunning und Parkour: die ganze Stadt kann so zum Hindernisparcours werden.

Spuren dieser Aktivitäten sind Wachsschichten auf Geländern und Betonkanten zum besseren „Sliden“ respektive Kreidespuren (Boulder Chalk), um besseren „Grip“ zu haben. Daneben aber gibt es auch „Street Player“, die so gut wie überhaupt keine Spuren hinterlassen, sie agieren wie das Eichhörnchen – in Graz bekannt als „Hansi“ – und verstecken ihre Nüsse so gekonnt, dass sie wirklich nur der Eingeweihte finden kann. Gemeint sind damit die Geocacher, GPS-Schnitzeljäger, auch in Graz sind ein paar hundert Schätze zu heben.

Nicht nur Tourist*innen, sondern gerade Grazer*innen, die vermeinen, ihre Stadt zu kennen, werden auf ihren Stadtspaziergängen überrascht werden, über die plötzliche Wahrnehmung des oft Gesehenen und niemals Registrierten.

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Weitere Infos & Material


Riewe, Alexandra
Alexandra Riewe (* Alexandra Foitl, 15.1.1962, Wien)
Studien der Kunstgeschichte und Volkskunde an der Karl-Franzens-Universität Graz
1984–1995 an der Neuen Galerie Graz am Landesmuseum Joanneum, Ausstellungsorganisation und Publikationen u. a. Herausgabe (mit Christa Steinle) des Standardwerks „Styrian Window“
1996–2006 steirischer herbst, Leitung div. Projekte: „Inklusion:Exklusion“, „Art and Global Media“ (Peter Weibel), „“ (Stella Rollig) u.a.
Als Kuratorin: „L-ICH-T Gerhard Rühm“ steirischer herbst 2006
Seit 2010 für das Institut für Kunst im öffentlichen Raum am UMJ wechselnd für Öffentlichkeitsarbeit, als Kuratorin und in der Kunstvermittlung tätig (Publikation: offsite graz guide – Ein Wegweiser zur Kunst im öffentlichen Raum Graz, 2014, Vermittlungsprogramm KIÖR Steiermark: NOSW – Nie Ohne Seife Waschen, findet 2020 im 7. Jahr statt.
Selbständig unter dem Label B.B.R. (BUERO BUOL RIEWE – KULTURPROJEKTE + PUBLIKATIONEN) Kuratorin diverser Ausstellungen: „Orientierungen“ DIWAN regionale 2008, „Die tüchtige Hausfrau – ein Rollenbild“ kunstwirtschaft 2010, „Claus Schöner“ Intro-Graz-Spektion 2014, u.a. sowie Gestaltung und redaktionelle Bearbeitung diverser Publikationen: „Andrä Kunst“ 2014, „Kurt Stadler – Sammelsurium“ 2014, Grazer Altstadt Dachausbau (Michael Szyszkowitz) 2015
2012–2015 Kuratorin der Kunstsammlung LS AG (Humanic)
2016–2017 Kuratorische Assistenz und Projektkoordination fu¨r den Österreichischen Pavillon auf der Biennale di Venezia, mit Projekten von Brigitte Kowanz und Erwin Wurm, Redaktion und Gestaltung des „BIENNALE ISSUE“
Seit 2018 Mitarbeit am Projekt „Steiermark Schau“, „Der mobile Pavillon“ Kooperation von Kadadesign und dem Universalmuseum Joanneum.

Hainzl, Joachim
Joachim Hainzl: geboren am 29.6.1968 in St. Andrä im Sausal.
Im Studium der Sozialpädagogik in Graz und Innsbruck bereits Schwerpunkt zur Sozialgeschichte von Graz. Seit den 1990er Jahren sozial- und lokalhistorische Arbeiten (u.a. für CLIO und im Rahmen von graz2003) zu Diskursen und Praktiken der Nutzung des öffentlichen Raums sowie über Marginalisierungs- und Ausgrenzungsmechanismen.
2006 Gründer von XENOS – Verein zur Förderung der soziokulturellen Vielfalt, u.a. mit Vermittlungsprojekten und Workshops für Jugendliche und Erwachsene.
Seit 2007 vermehrt künstlerische Arbeiten (u.a. als Mitglied des Forum Stadtparks), Kunst- und Kultur-Ausstellungen sowie Installationen, u.a. in Österreich, Bosnien-Herzegowina und dem Iran.
Leidenschaftlicher Sammler, Aufbau der Sammlung „Recycled History“ und Experte für die Kulturgeschichte des Rauchens.

Fiedler, Elisabeth
Elisabeth Fiedler: geboren am 21.2.1960 in Graz.
Nach dem Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Philosophie in Graz arbeitet sie als Regieassistentin beim ORF, als Kulturredakteurin der Neuen Zeit, im Grazer Kunstverein, organisiert, begleitet und führt Kunstreisen.
Von 1992 bis 1996 zeigte sie als Referentin für Bildende Kunst im Forum Stadtpark steirische und internationale Positionen in Personalen und Gruppenausstellungen, veranstaltet Symposien und publiziert, parallel dazu eröffnet und bespielt sie das Forum Stadtpark Prag und vergibt Auslandsstipendien nach New York.
Nach ihrer Zeit als Referentin für Kunst im Büro des Kulturlandesrates der Steiermark arbeitet sie seit 2001 als Kuratorin, Autorin und stellvertretende Leiterin der Neuen Galerie, als Departmentleiterin und seit 2011 als Leiterin und Chefkuratorin des Österreichischen Skulpturenparks und des Instituts für Kunst im öffentlichen Raum am Universalmuseum Joanneum in Graz.



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