Fishman | Große Gefallen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Fishman Große Gefallen


1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-455-01394-8
Verlag: Atlantik Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

ISBN: 978-3-455-01394-8
Verlag: Atlantik Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Eine einzigartige Geschichte über Macht, Scham, weibliche Lust und den gefährlichen Grat zwischen Begehren und Beherrschen

Eve ist queer, jung, lebt in Brooklyn und ist mit einer Frau zusammen. Dann lässt sie sich auf eine Affäre mit einem Hetero-Paar ein: Nathan und Olivia. Die Dreiecksbeziehung entwickelt sich schnell von einem unverbindlichen und vermeintlich selbstbestimmten Abenteuer zu einem Machtspiel. Nathan beginnt, die zwei Frauen zu manipulieren und gegeneinander auszuspielen. Im Ringen um Nathans Zuneigung erlebt Eve ein sexuelles Erwachen, bei dem sie es genießt, ihre eigenen Grenzen immer wieder zu überschreiten. Bis sie vor der Frage steht, welchen Preis sie für die ultimative Erfüllung zu zahlen bereit ist.

 

"Große Gefallen liefert keinen sanften Einstieg, sondern zieht einen direkt rein. Fishman erzählt von den feinen, fließenden Nuancen, die zwischen Verlangen und Macht liegen, und das mit einem bedachten und schonungslosen Auge." Raven Leilani

"Eine Art hochaufgeladene Kombination aus Sally Rooney und Ottessa Moshfegh, und so klug wie Joan Didion. Lillian Fishman ist nicht nur eine Schriftstellerin mit brillantem Kopf – sie hat auch ein brillantes Herz." David Lipsky

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Weitere Infos & Material


Cover
Verlagslogo
Titelseite
Motto
1. Teil Aufmerksamkeit
2. Teil Befragung
Danksagung
Biographien
Impressum


1. Teil Aufmerksamkeit
1
Auf meinem Handy hatte ich Hunderte von Nacktfotos gespeichert, aber nie an jemanden verschickt. Die Aufnahmen meines kopflosen in Schlaf- und Badezimmerspiegeln schwebenden Körpers waren eher gewöhnlich, aber wann immer eine neue entstand, war ich für einen kurzen Moment verliebt. Dann beugte ich mich nackt über das kleine Display und hatte das starke Bedürfnis, diese neue Ansicht meines Körpers irgendwem zu zeigen. Doch jedes Foto wirkte intimer und unmöglicher als das zuvor. Ich konnte darin etwas erkennen, was über das Begehren hinausging, härter und demütigender war. Wenn ich mir die Zähne putzte oder aus der Dusche trat und dabei meinen Körper sah, stellte sich eine überwältigende Ungeduld ein, ein Gefühl von Verschwendung. Mein Körper schrie mir entgegen, dass ich meine Bestimmung verfehlte. Ich war dazu bestimmt, Sex zu haben, vermutlich mit einer wahllosen Anzahl von Menschen. Möglicherweise war die Wahrheit noch erschreckender und ich nicht zum Ficken, sondern zum Geficktwerden bestimmt. Der allgemeine Sinn des Lebens blieb mir ein Rätsel, aber langsam dämmerte mir, der Sinn meines Körpers könnte völlig offenkundig sein. Ich hatte zu viel Angst vor der Welt, um einfach rauszugehen und mich ficken zu lassen, denn ich wurde von Unsicherheit, Erinnerungen an lieblose Freundinnen und meiner Furcht vor Gewalt gequält. Stattdessen fotografierte ich mich. Auf den Fotos sah mein Körper hinreißend aus, makellos und oft leicht gekrümmt, als wollte er nach oben und aus dem Bildausschnitt entkommen. Ich fühlte mich wie eine alte, verklemmte Jungfer, betraut mit der Aufgabe, ein junges Mädchen zu beaufsichtigen, das die Ungerechtigkeit der Situation nicht begreift. Eines Abends, als ich mich besonders schön und einsam fühlte, beschloss ich, meine Nacktbilder online zu stellen. Ich ging auf eine Website mit anonymisierten Usernamen und verschleierten IP-Adressen und lud drei Fotos ohne Begleittext hoch. * * * Am nächsten Morgen, ich war gerade bei meiner Freundin auf der Toilette, schickte Olivia mir eine Nachricht. Unter meinem Post hatten sich mehr Kommentare angesammelt, als ich lesen konnte. Es hätte mich kaum überraschen dürfen, aber weder die Anzüglichkeiten noch das Lob, nicht einmal die brutaleren Kommentare stellten mich zufrieden. In ihrer Anonymität wirkten die Fotos feige und die Betrachter so fern, dass ihr Urteil jedes Gewicht verlor. Aufregend fand ich nur, die Seite immer wieder neu zu laden und zu sehen, wie die Fotos sich abermals zusammensetzten, nicht in einem privaten Album auf meinem Handy, sondern in einem riesigen, offenen weißen Raum, der von allen Enden der Welt aus zugänglich war. Dass ich die Seite aktualisierte, während ich mich in Romis Badezimmer versteckte, war ein deutlicher Hinweis auf die Sünde, die ich gerade beging. Romis Gesichtsreiniger – Eigenmarke der Drogerie – stand auf dem Waschbeckenrand, ihr gewaschener Krankenhauskittel hing an der Tür wie die schiefe Karikatur eines Menschen. Andererseits wurde mir beim Blick aufs Handy klar, dass die Fotos nichts mit ihr zu tun hatten. Sie zeigten nur meinen Körper, und mein Körper gehörte mir allein. Wie hätte Romi reagiert, wenn ich ihr die Fotos gezeigt hätte? Sie wäre traurig gewesen und ein bisschen ratlos. Was kann ich tun?, hätte sie gefragt. Sie wäre überzeugt, dass irgendeine Unzulänglichkeit ihrerseits mich dazu trieb, mir Bestätigung durch fremde Leute zu holen. Wahrscheinlich stammte die überwiegende Mehrheit der Rückmeldungen von Männern. Die Kommentare waren voller Tippfehler und Anspielungen auf Erektionen. Ich scrollte lächelnd weiter. Als ich die Seite erneut aktualisierte, erschien eine Nachricht von paintergirl1992. Ich las die Vorschau – »Entschuldigung« – und musste ein Lachen unterdrücken. Entschuldigung, stand da, tut mir leid, dass ich dich so direkt anschreibe! Deine Fotos sind sehr schön. Danke, dass du sie teilst. Ich würde dich gerne auf einen Drink einladen – bist du in New York? Sorry, dass ich so dreist nachfrage. Wünsche dir einen schönen Tag – Olivia olivia, schrieb ich zurück, wo in ny wohnst du? Baby?, rief Romi durch den Flur. Alles in Ordnung da drin? Alles gut, rief ich zurück. Olivia antwortete in Echtzeit. Clinton Hill, schrieb sie. BKLN! Du auch in NY? ya Wollen wir uns treffen? wer bist du Olivia schickte einen Link zu einem Social-Media-Profil. Möchtest du einen Kaffee?, fragte Romi durch die geschlossene Tür. Ich klickte Olivias Profil an und wusste nicht, was ich davon halten sollte. Ich legte das Handy weg. Ja!, rief ich über das Rauschen der Toilettenspülung. * * * Warum ich mir selbst nicht über den Weg traute, ist offensichtlich. Ich hatte überhaupt keinen Grund, mich so schön und einsam zu fühlen. Meine Freundin war wunderbar, selbstlos und voller Hingabe, sie war toll im Bett und hatte starke vom jahrelangen Rugby durchtrainierte Schultern und Arme. Doch aus Gründen, die ich noch nicht durchschaute, hatte ich am Vorabend, als ich keinen halben Meter von ihr entfernt saß, Nacktfotos von mir hochgeladen, nach dem Essen, während sie ihre E-Mails beantwortete. Ich wusste nur, warum ich Romi die Fotos nie gezeigt hatte. Romi war der edelste Mensch, dem ich je begegnet war. Ich mochte radikale Ansichten und Leute, die eine klare Vorstellung vom Leben hatten. Wie es sich wohl anfühlte, so unerschütterlich gut zu sein? Romis selbstlose Art und ihre absolute Unempfänglichkeit für das Oberflächliche bildeten die Pole, zwischen denen ihr Edelmut sich aufspannte. Schon als Kind hatte sie einen Sinn für die eigenen Fähigkeiten entwickelt und einen festen Glauben daran, dass sie einen bedeutenden gesellschaftlichen Beitrag leisten würde. Nachdem sie kurz mit einer politischen Karriere geliebäugelt hatte, war ihre Wahl auf die Kinderheilkunde gefallen. In ihrer Freizeit half sie ehrenamtlich als Rettungssanitäterin aus. Ihr Beruf beanspruchte Romi sehr und machte sie gegen Schönheit immun. Das Konzept war ihr bloß ein Mal begegnet, bei einer Einführungsvorlesung in Kunstgeschichte. Ihre Entscheidungen traf sie auf praktischer Grundlage. Das Apartmenthaus, in dem sie wohnte, war teuer, geschmacklos und hauptsächlich in Beige eingerichtet. Abgesehen von den besonderen Outfits, die sie zum Sport oder für Vorstellungsgespräche brauchte, hatte sie ihre gesamte Kleidung gratis erhalten, bei sportlichen Wettkämpfen und den jährlichen Familientreffen, zu denen ihre fitten, fröhlichen Verwandten bedruckte T-Shirts für alle mitbrachten. Sie ernährte sich von Sandwiches und Salaten, die sie ausschließlich in Schnellrestaurants aß. Ihre Verlässlichkeit war perfekt. Dass sie sich zu mir hingezogen fühlte, war ihr klar, noch bevor sie eine Vorstellung von meinem Aussehen hatte – als sie, wie ich später gern witzelte, nur wusste, dass ich eine Frau mit einem ausgezeichneten Namensgedächtnis für Romanautoren war, die ich nie gelesen hatte. Wir hatten uns vor zwei Jahren über eine Kreuzworträtsel-App kennengelernt, die User mit vergleichbaren Fähigkeiten zusammenbrachte. Eigentlich war Romi viel besser als ich, aber ihre knappe Freizeit und ihr fehlendes Konkurrenzdenken bremsten sie aus. Während wir über Monate hinweg chatteten, wurde mir ihre großzügige Art immer sympathischer – sie lachte mich nie aus, selbst wenn ich spektakulär versagte –, ebenso die allgemeine Ausrichtung ihres Wissens: voller peinlicher Lücken in den Bereichen Kunst und Popkultur, doch immer zuverlässig in Bezug auf Politik, Geschichte und, was das Entscheidende war, die Kunst der Synonyme. Dass ich sie kennengelernt hatte, eine junge lesbische Frau, keine fünf Jahre älter als ich und nur wenige Kilometer entfernt, erschien mir wie ein Glücksfall. Sie liebte mich nicht wegen meines Körpers. Als wir im Bett landeten, behauptete sie zwar, seine besondere Schönheit anzuerkennen, aber ich glaubte ihr kein Wort. Es war ihr egal. Die Basis für Romis Zuneigung war ganz offensichtlich unsere Onlinebeziehung. Und weil ich immer schon ausgesprochen oberflächlich war – nichts interessierte mich mehr als das Aussehen der anderen Frauen auf der Straße –, verbrachte ich einen kleinen mitleidlosen Teil meiner Zeit damit, mir vorzustellen, wie ich unsere Beziehung gegen die Wand fuhr. Um Romi zu verdienen, würde ich genauso aufmerksam sein müssen wie sie, genauso loyal und sexuell freigiebig. Dass ich keine Nacktfotos online stellen dürfte, verstand sich von selbst. Aber abgesehen von Romi war mein Begehren lechzend und flatterhaft. Weil ich mich nicht entscheiden konnte, ob ich treu sein wollte oder enthemmt, neigte ich zu Schuldgefühlen und Heimlichtuerei. In einer Urphantasie, die mich überallhin verfolgte, stand ich nackt in einer Reihe aus zwanzig oder hundert jungen Frauen, zwischen so vielen nackten Leibern, wie gerade in den Raum passten – ins Café, in die Eingangshalle von Romis Apartmenthaus oder den U-BahnWaggon. Ein Mann stand uns gegenüber und nahm uns in Augenschein. Wie er aussah, kann ich nicht beschreiben. Er war undefinierbar, irgendwie symbolisch. Im echten Leben würde ich niemals mit jemandem wie ihm schlafen. Nach etwa dreißig Sekunden hob er die Hand und zeigte, ohne zu zögern, auf mich. * *...


Fishman, Lillian
Lillian Fishman, geboren 1994, hat einen Master-of-Fine-Arts-Abschluss der NYU, wo sie Jill-Davis-Fellow war. Sie gilt in den USA als ein großes literarisches Talent ihrer Zeit. Große Gefallen ist ihr erster heiß ersehnter Roman.

Lillian Fishman, geboren 1994, hat einen Master-of-Fine-Arts-Abschluss der NYU, wo sie Jill-Davis-Fellow war. Sie gilt in den USA als ein großes literarisches Talent ihrer Zeit. Große Gefallen ist ihr erster heiß ersehnter Roman.



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