Flebbe | Hämatom | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 2, 221 Seiten

Reihe: Lila Ziegler

Flebbe Hämatom

Lila Zieglers zweiter Fall
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-89425-802-3
Verlag: GRAFIT
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Lila Zieglers zweiter Fall

E-Book, Deutsch, Band 2, 221 Seiten

Reihe: Lila Ziegler

ISBN: 978-3-89425-802-3
Verlag: GRAFIT
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Lila Ziegler macht mal wieder keine halben Sachen. Nachdem sie zwei Wochen daran gearbeitet hat, ihren Beziehungsschmerz zu betäuben, begibt sie sich in eine Klinik zur Entgiftung. Dort wird sie Zeugin, wie eine junge Putzfrau an einem Herzinfarkt stirbt. Doch war das wirklich ein natürlicher Tod? Dreist bewirbt sich Lila auf die frei gewordene Stelle und erhält ein sehr widersprüchliches Bild von der Verstorbenen: liebevolle Mutter oder nymphomanisches Flittchen? Hilfsbereite Kollegin oder karrieresüchtige Zicke? Als Privatdetektiv Ben Danner in der Klinik auftaucht, muss sich Lila endlich ihren Gefühlen stellen - und erfährt von einem handfesten Motiv für einen Mord ...

Lucie Flebbe (vormals Klassen) kam 1977 in Hameln zur Welt. Sie ist Physiotherapeutin und lebt mit Mann und Kindern in Bad Pyrmont. Mit ihrem Krimideb?t 'Der 13. Brief' mischte sie 2008 die deutsche Krimiszene auf. Folgerichtig wurde sie mit dem 'Friedrich-Glauser-Preis' als beste Newcomerin in der Sparte Romandeb?t ausgezeichnet.

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5. Es gab nur ein Waschbecken im Zimmer, zur Dusche musste ich über den Flur laufen. Der Flur war mintgrün gestrichen. Und lang. Auf dem unempfindlichen, grauen PVC-Boden zog sich mittig ein handbreiter Klebestreifen entlang, farblich passend zu den knallroten, elektrischen Kerzen des Adventskranzes, der an der Flurdecke vor dem Schwesternzimmer schwebte. Mein Zimmer lag ziemlich am Ende des Ganges. Neben einer Sitzgruppe unter dem Fenster in der Ecke bemerkte ich einen meterhohen Weihnachtsbaum und einen Kaffeeautomaten. Ich nahm mir vor, herauszufinden, ob das Ding was Genießbareres ausspuckte als die braune Frühstücksbrühe. Einige Augenblicke lang beobachtete ich, wie die Schwestern und Serviererinnen in grünen Schürzen die Frühstückstabletts aus den Zimmern einsammelten, um sie in einem Wagen auf dem Flur zu verstauen. Dann setzte sich der Geschirrwagen von allein in Bewegung und verschwand durch die sich selbst öffnende Tür am Ende des Flures. Während ich weiter zur Dusche schlurfte, überlegte ich, ob das eine drogenbedingte Halluzination gewesen sein könnte. Humpelnde Gestalten schoben Infusionshalter oder andere Apparate an mir vorbei. Alle waren sehr viel älter als ich. Die Dusche war heute bereits benutzt worden. Mehrmals. Die Wände waren feucht und der Fußboden voller Haare. Ich warf ein Handtuch auf die Fliesen. Aber wahrscheinlich waren die meisten der über den Flur Humpelnden auch nicht begeistert davon, die Dusche mit mir teilen zu müssen. Minutenlang ließ ich dampfend heißes Wasser auf meinen Rücken prasseln. Ich genoss, wie mit der Kälte auch die Angst aus meinem Körper gespült wurde. Langsam kam ich zu mir. Gespannt wartete ich auf den bohrenden Schmerz in meiner Brust, auf die nächste Angstattacke, die signalisierte, dass die Wirkung der Drogen nachließ. Eine Sekunde verging. Zwei. Nicht passierte. Ich entspannte mich etwas, spürte das kochend heiße Prasseln auf meiner Haut, fühlte mich sicher, warm, geborgen. Das Beste war, ich würde das Wasser einfach nie wieder abstellen. Das war natürlich genauso verrückt wie mein Verfolgungswahn. Ich konnte nicht ewig unter der Dusche bleiben, meine Haut war bereits feuerrot. Ich würde schrumpelig werden wie eine zwei Jahre alte Pflaume in einer vergessenen Tupperdose. Trotzdem blieb ich eine Dreiviertelstunde unter dem heißen Wasserstrahl stehen. Der Raum war neblig vor Dampf. Schließlich stellte ich die Dusche ab und rubbelte meinen heißen Körper trocken. Erstaunt bemerkte ich die deutlich fühlbaren Rippen und meine hervorstehenden Beckenknochen. Ich hatte abgenommen. Logisch, ich hatte viel gekotzt und kaum gegessen in den letzten Wochen. Ich nahm mir vor, auf das Herz der dicken Oma Busch Rücksicht zu nehmen und ihr nichts von meiner Mittagsmahlzeit abzugeben.   Ich machte mir nicht die Mühe, meine Haare zu föhnen oder wenigstens zu kämmen, sondern schlurfte zurück in mein Zimmer. Einer dieser selbstständigen Servierwagen kam mir entgegen. Surrend hielt das Gerät auf mich zu. Ich wusste nicht, ob ich nach rechts oder nach links ausweichen sollte. Sah aus, als wollte mich das Ding rammen. Doch der Wagen hielt an und motzte mit unfreundlicher Computerstimme: »Achtung, Achtung! Dies ist ein automatischer Transport!« Aha. Ich trat zur Seite und das Gerät setzte sich wieder in Bewegung. Zurück im Zimmer kroch ich ins Bett und zog mir die Decke bis ans Kinn. Dann wartete ich. Nach einer Weile begannen meine Hände zu zittern. Ich rollte mich fest in die Bettdecke ein und wartete weiter. Schwester Gundel wuchtete meine Zimmergenossin in einen Rollstuhl, wobei die winzige Krankenschwester beinahe unter Oma Buschs Speckbergen begraben worden wäre. Gundel schob die Dicke ächzend hinaus und brachte sie nach einer Weile frisch geduscht zurück. Gegen neun huschte eine spitzmausgesichtige Ärztin mit dunklem Dutt herein – unschwer zu identifizieren am obligatorischen Kittel und einem auffälligen, vergoldeten Stethoskop, das wie eine Medaille auf ihrem unsichtbaren Busen blinkte. Verfolgt wurde sie von Schwester Gundel und einem höchstens sechzehnjährigen Krankenpflegeschüler mit Pubertätspickeln und einer blond gesträhnten, haargelverkleisterten Igelfrisur. Der Junge schob einen Aktenwagen vor sich her, aus dem Schwester Gundel der Ärztin die Akten anreichen durfte. Ich überlegte, was die Ärztin wohl daran hinderte, selbst zu schieben und die richtige Akte herauszusuchen. Zumindest mischte sich dieser Wagen nicht in das Gespräch ein. Die drei bauten sich vor dem Bett von Oma Busch auf. »Ah, Frau Busch! Wie es gehen heute?«, kauderwelschte die Ärztin mit starkem russischem Akzent drauflos. Frau Busch hangelte nach dem über dem Bett baumelnden Galgen und kämpfte ein paar Sekunden mit ihren Fettfalten, bevor sie sich hochgewuchtet hatte. Die Anstrengung färbte ihr Gesicht dunkelrot. »Ich schon sehen«, nickte die Ärztin. »Wie die Blutdruck, Schwester?« »Hundertsiebzig zu hundertzehn in Ruhe, Ruhepuls hundert«, informierte Gundel sofort. »Ah, wir müssen die Medikamente mehr geben. Mehr von die Digitalis und die Betadrenol.« »Mehr Digitalis?«, vergewisserte sich Gundel. »Die Puls ist noch immer nicht niedrig.« Schwester Gundel notierte die Anweisung mit ihrer Würde-die-Augenbrauen-zusammenziehen-wenn-ich-welche-hätte-Miene. »Und wir gehen von die Heparin zu Markurin.« »Markumar«, korrigierte Gundel, ohne von ihren Notizen aufzusehen. »Ah, Markumar«, papageite die Ärztin. »Auf Wiedersehen, Frau Busch.« Im nächsten Moment stand sie vor meinem Bett. »Ah, Frau … !« Die Ärztin stockte und nahm Gundel die Akte aus der Hand. Ich runzelte die Stirn. Die Ärztin blätterte eine Weile. Ziegler, dachte ich mit einem Blick auf den Pappdeckel des Ordners, auf dem mein Name in Großbuchstaben zu lesen war. »Ziegler«, half Gundel der Russin weiter und deutete mit einem Kopfnicken auf das Plastikschild am Fußende meines Bettes, wo mein Name ebenfalls stand. »Ah, Frau Ziegler, ja ja.« Ich ahnte allmählich, warum die Ärztin die Visite nur unter Aufsicht einer Krankenschwester machen durfte. »Sie hier wegen Alkoholabusus und Drogenmissbrauch. Die einzige Grund, warum Leute unter fünfzig sind auf diese Station.« Ich schwieg. Oma Busch im Nebenbett blinzelte über ihren rosa Rüschenkragen hinweg. Ihre Begeisterung, mit einem Junkie das Zimmer zu teilen, hielt sich in Grenzen. »Blutwerte gut?« »Jawoll!« Gundel salutierte zackig. »Wir noch mal geben die NaCl«, beschloss die Ärztin, deren Namen ich noch immer nicht kannte und die offensichtlich auch gar nicht mit mir reden wollte. Vielleicht hätte sich das geändert, wenn sie gewusst hätte, dass ich kapierte, was sie sagte. Dank meines großen Latinums und der unzähligen Krankenhausaufenthalte, die mir mein Vater verschafft hatte, verstand ich nicht nur das Kürzel der in Infusionen verwendeten Kochsalzlösung, sondern auch die meisten anderen Begriffe der Medizinersprache. »In zwei, drei Tagen sie kann nach Hause«, informierte die Ärztin alle Personen im Zimmer, klappte meine Akte zu und hielt sie Gundel hin, während sie sich schon abwandte. In dem Moment flammte ohne jede Vorwarnung der Schmerz wieder auf. Die Ärztin bemerkte nicht, dass ich zusammenzuckte, sie wieselte bereits auf die Tür zu. Der Pfleger mit der Igelfrisur und Gundel mussten sich beeilen, um nicht zurückzubleiben. Verkrampft hielt ich den Atem an, krallte die Fingernägel meiner rechten Hand in die Innenseite meines linken Unterarms, wo sie blaurote, sichelförmige Abdrücke hinterließen. Ich hatte ein offensichtliches Drogenproblem, ich neigte dazu, mich selbst blutig zu kratzen, und ich hatte die Nacht auf dem Dach eines Hochhauses verbracht – und die wollten mich ernsthaft nach Hause schicken? Ich hatte kein Zuhause, verdammt! Eine junge Putzfrau mit hellblond gebleichten Haaren, Nasenpiercing und für eine Kloreinigung übertriebenem Make-up tauchte auf, wischte den Fußboden, die Nachttische und das Waschbecken und war nach gefühlten drei Minuten wieder verschwunden. Als das Mittagessen gebracht wurde, schob ich das Tablett weg, ohne unter die Warmhaltehaube gesehen zu haben. Am Nachmittag war das Beben meiner Hände so stark, dass mir Schwester Inez von der Spätschicht die verordnete Infusion verabreichte.   In der Nacht wälzte ich mich im Bett hin und her. Ich war schweißgebadet, hatte Magenkrämpfe und die Übelkeit ließ mich ununterbrochen würgen. Daran änderte auch die Magentablette, die man mir in einem Plastikbecher zusammen mit dem Essen hingestellt hatte, nichts. Auf meinen Hinweis, dass meine Beschwerden nichts mit meinem Magen zu tun hätten, dass dieses Organ vollkommen gesund sei, hatte die Schwester geantwortet: »Die kriegt jeder. Ist Standard.« Oma Busch schnarchte, in einem der Nebenzimmer klingelte ein Schwerhöriger mit Blasenschwäche alle halbe Stunde nach der Nachtschwester, um sie anzubrüllen, und um halb drei landete der Rettungshubschrauber. Mein überreiztes Nervensystem ließ mich beim kleinsten Geräusch hochschrecken und atemlos lauschen. Mein Herz klopfte und kalter Schweiß stand mir auf der Stirn, während ich schon wieder am ganzen Körper zitterte. Ich rollte mich unter der Decke zusammen, zog sie mir über...


Lucie Flebbe (vormals Klassen) kam 1977 in Hameln zur Welt. Sie ist Physiotherapeutin und lebt mit Mann und Kindern in Bad Pyrmont.

Mit ihrem KrimidebŸt "Der 13. Brief" mischte sie 2008 die deutsche Krimiszene auf. Folgerichtig wurde sie mit dem "Friedrich-Glauser-Preis" als beste Newcomerin in der Sparte RomandebŸt ausgezeichnet.



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