E-Book, Deutsch, Band 2, 320 Seiten
Reihe: Eddie Beelitz
Flebbe Jenseits von schwarz
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-89425-749-1
Verlag: GRAFIT
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 2, 320 Seiten
Reihe: Eddie Beelitz
ISBN: 978-3-89425-749-1
Verlag: GRAFIT
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eine Suchtklinik wird zur Todesfalle
Securitymann Jo Rheinhart alias ›Zombie‹ wird während seiner Schicht vor einer Suchtklinik überfallen und niedergeschlagen. Aber warum? Nichts wird gestohlen, niemand sonst kommt zu Schaden. Am nächsten Abend wird Zombie an selber Stelle von zwei bewaffneten Männern
angegriffen und tötet sie in Notwehr – behauptet er jedenfalls. Kommissarin Eddie Beelitz glaubt ihm, obwohl sie weiß, wozu Zombie fähig ist. Der taucht ausgerechnet in der Suchtklinik unter, während Eddie herauszufinden versucht, was in Wahrheit geschehen ist …
Der zweite Teil der Trilogie von Friedrich-Glauser Preisträgerin Lucie Flebbe
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
EDDIE
»Sorry, Eddie. Ria hat Jaz und Jo mitgenommen. Was sollte ich machen? Sie ist ja die Oma.« Mütze zuckte entschuldigend die Schultern. »Sie wollte unbedingt wissen, wo Zombie steckt. Aber der hat mir ja verboten, ihr irgendwas zu erzählen. Jetzt ist sie auf dreitausend.« »Was? Und wo ist sie hin?« Mütze deutete mit dem Finger in Richtung von Zombies Wohnung im Nachbarhaus. »Wirst du allein mit ihr fertig oder soll ich Dana Bescheid sagen?«, wollte sie wissen. Gleich darauf stand ich mit Lotti an der Hand vor der Wohnungstür und überlegte, dass ich wahrscheinlich nicht hier zu übernachten brauchte, wenn Zombies Mutter sich weiter um die Kinder kümmern wollte. Aber ich musste zumindest nach ihnen sehen, denn Zombie selbst hatte ja nicht gewollt, dass Ria Rigowski auf Jaz und Jo aufpasste. Weil sie ein ›echter Pflegefall‹ war, wenn ich seine Wortwahl richtig erinnerte. Ich ließ den Schlüssel in der Jackentasche und drückte die Klingel. Jo riss nur Sekunden später die Tür auf. »Na endlich! Ich hab doch gesagt, dass Lotti jetzt bei uns wohnt, Oma!« »Schuhe aus!«, rief ich noch schnell, bevor die beiden davonflitzten. Im nächsten Moment verdunkelte Ria Rigowskis großer Schatten den Flur. Die stämmige Blondine war nicht mehr so blond, wie ich sie in Erinnerung hatte. Sie hatte sich ihre Haare seit Längerem nicht nachgefärbt, was zur Folge hatte, dass die oberen vier Zentimeter dunkelgrau nachwuchsen und wie eine Mönchskappe ihren Kopf bedeckten, während die blondierten Fransen rund um ihr Gesicht herunterfusselten. Sie war noch dicker geworden und stemmte die Arme wie ein Racheengel in die Seiten ihrer Leoprintbluse mit draufgedrucktem Raubkatzengesicht. Jaz streckte neugierig den Lockenkopf aus der Küche. »Sie sind seine Neue?« Rigowski musterte mich abschätzend. »Mensch, Oma.« Jaz schob sich neben die Dicke und knuffte sie in die Seite. »Er vögelt sie nicht. Die passt doch gar nicht in sein Beuteschema.« Wie bitte? Dass Jaz schon lange begriffen hatte, dass Frauen nicht mitten im Winter im Minirock herumliefen, weil das so schön kuschelig war, bewies ein Blick in ihren Kleiderschrank. Aber über die Wortwahl würden wir noch mal sprechen müssen. Das verschob ich allerdings auf später, denn Rigowskis von Wimperntusche umkrümelte Augen waren misstrauisch schmal geworden. »Kennen wir uns nicht von irgendwoher?« »Ich bin Eddie«, sagte ich. »Ich passe auf die Kinder auf, bis Joseph zurück ist. Aber wenn Sie jetzt hier sind …« Rigowski hob langsam eine mit goldenen Ringen behängte Hand. Ihre glitzernden Nägel berührten ihre Lippen. »Sie sind …« Okay. Sie hatte mich wiedererkannt. »Sie haben Marleen erschossen«, flüsterte sie entsetzt. Scheiße! Rigowski brach in Tränen aus. Jaz’ Augen wurden groß, sie wich ungläubig vor mir zurück, als hätte ich mich gerade in ein Monster verwandelt. Große Klasse. Und jetzt? »Du hast was?«, quietschte Jaz mit überkippender Stimme. »Verschwinden Sie hier!«, schrie Rigowski. Jaz stürmte in ihr Zimmer und schlug mit einem Knall die Tür zu. Die beiden Kleinen streckten verwundert die Köpfe aus Jos Kinderzimmer. Rigowski packte mich am Arm. Der Griff war schmerzhaft, sie hatte überraschend viel Kraft. Mit der anderen Hand riss sie die Wohnungstür wieder auf und – stand vor Dana. »Mama!« Danas dunkle Augen wurden schmal, als sie den Griff der Frau an meinem Oberarm und die beiden Köpfe der Mädchen hinter mir entdeckte. »Lass Eddie los!«, befahl sie. »Sie wohnt hier. Du hingegen solltest nicht hier sein.« »Die Polizei war in der Firma und sagt, Joseph ist tot! Und dann taucht die Bullenschlampe hier auf, die Marleen erschossen …« »Raus jetzt, Mutter! Sofort!«, unterbrach Dana sie hastig, ihr Blick streifte erschrocken mein Gesicht. »Zombie geht’s gut. Er meldet sich bei dir, sobald er kann. Und er will, dass Eddie auf die Kinder aufpasst und du definitiv nicht. Ich hoffe, du hast sie nicht wieder The Walking Dead gucken lassen.« Sie zerrte ihre Mutter zur Tür. Rigowskis grober Griff lockerte sich, ich zog meinen Arm weg und rieb mir die Schulter. Ganz kurz hielt Dana inne und sah mich noch mal an. »Haben Sie …?« Sie formte die Worte tonlos mit den Lippen. Ich schüttelte den Kopf. Dana zog die Tür hinter sich und ihrer Mutter zu. Jo zupfte zaghaft an meiner Jacke. »Was ist eine Bullenschlampe, Eddie?« Als die Kleinen wieder spielten, sank ich mit einer Tasse Baldriantee aufs Sofa. Mir war zum Heulen zumute. Mit dem Fall kam ich nicht weiter und mein Leben versank erneut im Chaos. Die Stelle, an der Rigowski meinen Oberarm gegriffen hatte, färbte sich zusehends violett, ich hatte schon immer leicht blaue Flecke bekommen. Eine Tür klappte. Ich wischte mir übers Gesicht, bevor ich hochsah. Jaz lugte ins Wohnzimmer. Als sich unsere Blicke trafen, drückte sie sich ganz in den Raum, machte die Tür zu und blieb daran angelehnt stehen. Nervös drehte sie ihr Smartphone zwischen den Fingern, während sie mich misstrauisch musterte. »Papa sagt, dein Kollege hat auf Tante Marleen geschossen«, sagte sie schließlich. Ich begriff, dass das eine Frage war. »Das war so ein Durcheinander, ich habe selbst erst nicht begriffen, was passiert ist«, nickte ich müde. Jaz kaute auf ihrer Unterlippe. »Okay«, knirschte sie dann, was möglicherweise so was wie eine Entschuldigung sein sollte. Sie tastete hinter ihrem Rücken nach der Türklinke, um wieder zu verschwinden. Moment, da war doch noch was. Mir war klar, dass ich höchstwahrscheinlich den nächsten Stress produzierte, aber die Gelegenheit dazu war gerade günstig. »Warte mal, Jaz«, hielt ich sie zurück. Das Mädchen blieb stehen. Heute trug sie Jeans-Hotpants über ihrer Strumpfhose und Lidschatten, der zu ihren silbern glitzernden Fingernägeln passte. »Mach noch mal die Tür zu.« Ich deutete mit dem Kopf auf das Sofa und stellte meine Teetasse auf dem niedrigen Couchtisch ab. Zögernd kam Jaz näher und hockte sich, so weit wie möglich von mir entfernt, auf die äußerste Ecke des Sofas. Sie schob ihr Handy auf den Tisch. »Inhaltlich ist es zwar völlig korrekt, dass ich nicht mit deinem Vater schlafe«, erklärte ich, »aber solange ich auf euch aufpasse, werden vor deiner kleinen Schwester und Lotti in Zukunft weder Kraftausdrücke noch Synonyme für Sex benutzt.« »Was?« Jaz runzelte so verständnislos die Stirn, als hätte ich über lateinische Grammatik geredet. Ich holte tief Luft. Weil ich mich nicht erinnern konnte, dass in meinem Elternhaus je jemand das Wort ›Scheiße‹ in den Mund genommen hätte, fiel es mir bis heute schwer, es über die Lippen zu bekommen. Aber die Situation erforderte Klartext. »Wie du mit deinen Freundinnen in der Schule redest, ist mir herzlich egal. Aber hier zu Hause will ich Scheiße, Pisse, Kacke, Furz, Arsch, Ficken, Vögeln, Nutte, Schlampe, Wichser und Ähnliches ab sofort nicht mehr hören.« Jaz ließ verblüfft die Schultern sinken. »Du kannst mich mal!«, sagte sie dann. Sie zog spöttisch eine Augenbraue hoch und zeigte mir den Mittelfinger. Wunderbar. Zumindest das hatte ihr Vater ihr beigebracht. Mit einem Satz sprang ich auf, langte über den Couchtisch und schnappte mir ihr Smartphone. Jaz schrie wutentbrannt auf und wollte sich auf mich stürzen, doch im gleichen Moment hielt ich bereits meine volle Teetasse über das Gerät und Jaz erstarrte. »Noch mal von vorn: keine Kraftausdrücke, kapiert?« Eine unbeherrschte Aggression, die mir ebenfalls erschreckend bekannt vorkam, flackerte über Jaz’ Gesicht. Doch die Teetasse über ihrem Handy hielt sie davon ab, auf mich loszugehen. »Na toll«, zischte sie wütend. »Heute darf ich nicht mehr ficken sagen und morgen nimmst du mir die Kondome weg, oder was?« Sie schnippte ein viereckiges Plastikpäckchen auf den Tisch. Wie alt war die verdammte Göre? Elf! Oder hatte ich da irgendwas falsch verstanden? Jaz’ dunkle Augen funkelten triumphierend, als sie merkte, dass mir die Worte fehlten. »Und wenn ich schwanger nach Hause komme? Muss ich dir dann erklären, wie das passiert ist?«, schnappte sie nach. Ich fragte mich, ob sie mich nur provozieren wollte oder die Dinger wirklich schon benutzte. Ich wollte gern an die erste Möglichkeit glauben, aber undenkbar war auch die zweite nicht. »Hast du …? Weiß dein …?« Uff. »Ja, stell dir vor, mein Alter weiß, dass ich Sex habe. Der steht ja zufällig auf billige Schlampen.« Ich kapitulierte. Mein Gehirn weigerte sich zu akzeptieren, dass ich dieses Gespräch tatsächlich gerade führte. Mit einer Elfjährigen! »Und …« – letzter Versuch – »… was ist mit deiner Mutter?« Unsere Blicke trafen sich. Mit der Instinktsicherheit ihres Vaters begriff Jaz, dass sie gewonnen hatte. Sie nahm ihr Handy unter der wackelnden Tasse weg und tippte auf das Display. Der heiße Baldriantee schwappte über meine Finger, ich stellte die Tasse ab. Zu meiner Überraschung rutschte das Mädchen auf der Couch an mich heran und hielt mir ihr Smartphone unter die Nase. »Das ist meine Mutter«, sagte Jaz und hielt mir ihr Handy hin. Sie hatte ein Facebookprofil aufgerufen. Es gehörte Janine Joy. Ein Bild oben auf der Seite zeigte...