E-Book, Deutsch, Band 6, 285 Seiten
Reihe: Lila Ziegler
Flebbe Tödlicher Kick
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-89425-156-7
Verlag: GRAFIT
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Lila Zieglers sechster Fall
E-Book, Deutsch, Band 6, 285 Seiten
Reihe: Lila Ziegler
ISBN: 978-3-89425-156-7
Verlag: GRAFIT
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Männerdomänen? Lila Ziegler pfeift auf Grenzen!
Bochum im Fußballrausch, der Aufstieg in die erste Liga ist möglich. Doch Nachwuchsstürmer Oran Mongabadhi schießt vorbei - und am nächsten Tag ist er tot. Rache eines Fans oder gar eines Mitspielers? Aber warum ist dann die Kleidung seiner Freundin, der ehemaligen Prostituierten Moesha ›Curly‹ Schmidtmüller voller Blut? Die junge Detektivin Lila Ziegler und ihr Partner Ben Danner ermitteln in Kreisen, in denen echte Kerle noch was zählen. Doch ausgerechnet jetzt zeigt sich Danner verwundbar und Lila unterschätzt die Gefahr …
Was mit Fußball anfängt, hört mit Fußball auf. Dazwischen liegen mehr als 90 Minuten beste Unterhaltung mit Intelligenz und Witz.
Autoren/Hrsg.
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1. Mein Name ist Lila, ich bin zwanzig Jahre alt und ich hätte, wäre es nach meiner Mutter gegangen, Konzertpianistin werden sollen. Oder Primaballerina. Oder wenigstens Dressurreiterin. Mein Vater wollte eine Staranwältin aus mir machen, doch meine Mutter hatte davon geträumt, dass ich einen musisch-künstlerischen Beruf ergriff. Denn so hätte ich legitimen Zutritt zum Blingbling der Glitzerwelt der Reichen und Berühmten erhalten. Um mir dort einen noch reicheren und berühmteren Ehemann zu angeln, zwei bis fünf blonde, begabte Enkel in die Welt zu setzen und mich den Rest meines Lebens deren künstlerischer Förderung zu widmen. »Tooooor!« Danner und Staschek rissen jubelnd die Arme in die Höhe. Gemeinsam mit 29.922 anderen, überwiegend blau gekleideten Menschen. Ehe ich realisierte, was passierte, hatte Danner mich hochgehoben. Bier schwappte aus dem Plastikbecher in meiner Hand. Musik übertönte den ohrenbetäubenden Applaus. »Das Tor schoss für uns Justiiiiiiin …?«, fragte der Stadionsprecher. »Jankowski!!!«, antworteten die Fans, während Danner mich küsste. Der Bierbecher fiel zu Boden und kullerte die Betonstufen hinunter, zwischen die Füße der VfL-Fans in der Ostkurve des Bochumer Rewirpowerstadions. Das Stadion drohte zu bersten. Der Jubel schäumte weiter hoch, die Trommeln, die sich irgendwo zwischen den Fans befanden, übertönten alles. Konfetti flog in Richtung Spielfeld. Unten auf dem Rasen schlug der glückliche Schütze einen Salto, bevor sich seine Mannschaftskameraden auf ihn stürzten. Meine Mutter hätte vor Entsetzen einen Herzinfarkt vorgetäuscht, hätte sie gewusst, dass ich mit einem Fanschal um den Hals und einem Brötchen mit Bratwurst in der Hand den Ausgleichstreffer einer zweitklassigen Fußballmannschaft bejubelte. Doch ich musste zugeben: Der erste Stadionbesuch meines Lebens gefiel mir besser, als ich erwartet hatte. Während die Spieler unten im Regen um den Ball kämpften, saßen wir auf den Tribünen im Trockenen. Und der Spielverlauf war nervenzerfetzend. Für den Verein ging es um alles: Der VfL hatte es als Tabellendritter endlich in die Relegation geschafft. Ein Sieg bedeutete den lang ersehnten Aufstieg zurück in die erste Liga! Mit dem Argument, auch wir müssten die Bochumer Jungs moralisch unterstützen, hatten mich Danner und Staschek ins Stadion geschleppt. Dabei zählten die beiden selbst nicht zu den hartgesottenen Dauerkartenbesitzern, deren Treue auch die dreihundertsechsundfünfzigste Heimniederlage in Folge nicht wanken ließ. Heute werde jeder Fan gebraucht, hatte mich Danner aufgeklärt, denn der Gegner würde ebenfalls mit ›Rückendeckung‹ anreisen. Die Bedeutung dieser Worte hatte ich massiv unterschätzt, bis ich die ›Rückendeckung‹ seitlich vom gegenüberliegenden Tor sah: Die andere Mannschaft war mit der kompletten eigenen Fankurve angereist. Okay, das war kein allzu großes Kunststück, denn von Gelsenkirchen bis zur Castroper Straße brauchte man mit der Straßenbahn keine halbe Stunde. Und wenn Schalke heute verlor, ging es für den Traditionsklub abwärts. Die zweite Liga winkte ihnen zu. Allerdings reichte den Schalkern, die im weißen Auswärtstrikot spielten, ein Unentschieden, um den Klassenerhalt zu schaffen. Bochum hingegen musste gewinnen. Selbstverständlich war das Stadion ausverkauft. Danner fügte sich in die Fanreihen der Ostkurve ein, als wäre er an der Castroper Straße so lange zu Hause wie der Fußballverein selbst. Und das lag nicht nur an der Mütze mit Glück-auf-Aufdruck, die er sich über seine Glatze gezogen hatte, und dem blauen Shirt mit der Aufschrift Bochumer Junge, das in der Fankurve die Wirkung einer Chamäleonhaut zeigte. Danner war nur unwesentlich größer als ich, durchtrainiert und unrasiert – mit dem biergefüllten Plastikbecher in der Hand konnte es leicht passieren, dass ihn die Fußballhooligans zu einer fröhlichen Schlägerei einluden. Das würde Danners Kumpel Kriminalkommissar Lennart Staschek garantiert nicht passieren. Der wirkte trotz des blauen VfL-Buttons an seinem Achthundert-Euro-Kaschmirmantel, als hätte er sich auf dem Weg zum Golfplatz verirrt. Sein kastanienfarbenes Haar war wie immer perfekt geföhnt, das schmale Gesicht glatt rasiert und der Duftwolke von teurem Parfum, in die er sich hüllte, konnte nicht einmal der Geruch von verschüttetem Bier etwas anhaben. »VfL, wir werden immer zu dir stehen!«, hatten die Anhänger des Vereins vor Spielbeginn optimistisch gesungen. Doch bereits knapp zehn Minuten nach dem Anpfiff war die Stimmung gekippt: Schalke machte das 0 : 1. Schlagartig war es totenstill geworden. Sogar das elektronische Werbebanner, das gerade eine Kreditwerbung der örtlichen Bank zeigte, schien innezuhalten. Und während auf den Rängen noch fassungslose Schockstarre herrschte, wäre um ein Haar das zweite Tor für den Gegner gefallen. Das grau-weiße Leder mit den orangefarbenen Applikationen donnerte unter die Latte, prallte dann mit Wucht auf die Torlinie und sprang wieder aus dem Kasten. Unser Teil der Tribüne schien einen kollektiven Herzstillstand zu erleiden. »Der war doch nicht drin«, hatte Danner gemurrt. »Wenn der Schiri das Ding gibt, fress ich meine Mütze.« Klang, als wollte er sich selbst überzeugen. In dieser Situation wäre der Schiedsrichter früher todsicher gelyncht worden, die Frage war nur, von welcher Seite. Doch die Unparteiischen verfügten neuerdings über eine Entscheidungshilfe. Der Mann im neongelben Dress warf einen Blick auf das Ding an seinem Handgelenk, das wie eine Armbanduhr aussah. »Diese Bälle sind seit Beginn der Saison im Einsatz«, hatte Staschek mir erklärt. »Eine Tor-Kontrolltechnologie erzeugt ein Magnetfeld, das wie ein unsichtbarer Vorhang vor dem Kasten hängt. Im Ball ist eine Kupferspule eingebaut, die vom Magnetfeld registriert wird, sobald der Ball die Linie überquert. Das entsprechende Signal empfängt die Armbanduhr des Schiedsrichters per Funk.« Nicht der Schiri hatte also das letzte Wort, sondern der Ball: kein Tor. Es war beim 0 : 1 geblieben. Rückstand. Die Stimmung der heimischen Fans war trotzdem weiter ins Bodenlose gesackt. Während die Schalker fröhliche Lieder anstimmten, hatte es unter den VfL-Anhängern zu rumoren begonnen. »Der Scheißschiri ist doch gekauft!«, brüllte der rotgesichtige Dicke neben mir. Die Fußballfreunde um ihn herum stimmten sofort ein. Trommler gaben den Takt des Protestes vor. Der Fanblock erhitzte sich spürbar. Auf der anderen Stadionseite stieg plötzlich schwarzer Qualm auf. »Liebe Gäste, bitte unterlasst das Abbrennen jeglicher pyrotechnischer Mittel. Vielen Dank«, bat der Stadionsprecher die Fans. Angesichts der im Regen aufsteigenden Rauchsäule in bemerkenswert höflichem Ton. Mir wurde etwas mulmig. Die Treppen, die zu den Ausgängen führten, würden in einem Tumult schnell verstopfen. Was passierte, wenn Bochum heute wirklich verlor? Was, wenn die Fans der beiden Lager vor dem Stadion auf der Castroper Straße ohne Sicherheitsgitter aufeinandertrafen? Doch so abrupt die Stimmung beim 0 : 1 gekippt war, so plötzlich fegte jetzt beim »Tooor!« für den VfL der Begeisterungssturm über die Ränge. Der Ausgleich! Alles war wieder möglich! Der blau-weiße Dicke neben mir hopste unbeholfen auf und ab, kam gar nicht mehr zur Ruhe. Erstaunlich, welch starke Emotionen Fußball bei Menschen auslösen kann. Die Großbildleinwand zeigte den Torschützen. Der erst neunzehnjährige Nachwuchsspieler Justin Jankowski hatte den Schalkern den Ball abgeluchst und war zusammen mit einem zweiten jungen Spieler namens Mongabadhi durch die Abwehr des Gegners geschlüpft. Zwei Mal war der Ball hin und her gegangen, dann hatte Jankowski auf den Kasten geschossen. Halb hoch. Der Torwart hatte keine Chance gehabt. »Und da behaupten manche, dass Mongabadhi für die nächste Saison bei Schalke unterschrieben hätte.« Staschek tippte sich an die Stirn. »Der hat super vorgelegt«, nickte Danner. Die Fans tobten immer noch. »Die sollen bloß den Ball flach halten«, murrte Staschek. »Ich will das Spiel sehen, keine Hooligans in den Knast schleppen müssen.« Seine Worte ließen mich grinsen. Mein Lieblingspolizist hatte bereits ein Sixpack Fiege-Bier vernichtet, was ihm das Erklären der Rechte bei der Festnahme von Hooligans nicht leicht machen würde. Das Spiel ging weiter und in der Ostkurve herrschte Erstliga-Laune. »Auf geht’s!«, stimmte Danner in den Gesang ein. »VfL-Bochum, schieß ein Tor!« Nur noch ein einziger Treffer trennte Bochum vom Aufstieg! Und der schien plötzlich gar nicht mehr unmöglich. Entweder hatte das Tor den Spielern den nötigen Kick gegeben oder der Energydrink, für den auf den VfL-Trikots geworben wurde, zeigte Wirkung: Torschütze Jankowski, sein flinker Kollege Mongabadhi und ein mutig gewordener Mittelfeldspieler namens Gutschenk schossen jetzt im Minutentakt auf das gegnerische Tor. Schließlich verlor ein Schalker Abwehrspieler die Nerven und grätschte Gutschenk von hinten in die Beine. Der wälzte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht im Gras. Der Schiedsrichter kam mit einer gelben Karte in der Hand angerannt. Der Schalker Torwart und der gefoulte Gutschenk sahen aus, als wollten sie die Sache im Boxring klären. Der Bochumer Trainer am...