E-Book, Deutsch, 386 Seiten
Frank / Schwenk Turn Over
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-593-41018-0
Verlag: Campus
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Cultural Turns in der Soziologie
E-Book, Deutsch, 386 Seiten
ISBN: 978-3-593-41018-0
Verlag: Campus
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Inhalt
Einleitung
Sybille Frank und Jochen Schwenk
QUERWÄRTS - Eine Collage
Urs Jaeggi
Kultur - Soziologie: Mode und Methode?
Helmuth Berking (1989)
I. Rückblicke
Konjunkturen und Wandlungen des Kulturbegriffs in der deutschen Soziologie
Jochen Schwenk
Erinnerungen an meinen Cultural Turn
Wolfgang Eßbach
Tales of the City or Städte ohne Grenzen
Anthony D. King
II. Ausblicke
Jenseits des Cultural Turns: Die Renaissance der Gesellschaft
Hermann Schwengel
Die Kulturwissenschaften in der Krise
Lutz Musner
Abfall & Eleganz: Materialität vs. Kultur?
Lars Frers
III. Stadt
Schwarzsein als kollektive Praxis in Salvador de Bahia - Stadtsoziologie aus kulturtheoretischer Perspektive
Martina Löw
Wahrzeichen des Geschmacks: Anmerkungen zur Stadt als Geschmackslandschaft
Rolf Lindner
Der sinnhafte Aufbau der gebauten Welt - Eine architektursoziologische Skizze
Silke Steets
Knowledge Turn in der Stadtforschung - Begriffscocktail mit Rezeptur
Ulf Matthiesen
IV. Vergangenheit
Nostalgie - Kreative Effekte eines problematischen Gefühls
Erhard Stölting
Warten auf den Cultural Turn: Das Ende der Geschichte und das Schweigen der Soziologie
Sybille Frank
Wie viel Geschichte braucht das Ich? Normative Implikationen der psychoanalytischen Auffassung von Lebensgeschichtlichkeit
Gunter Weidenhaus
V. Dezentrierung
Reinventing the Commons
Carlo Caduff and Shalini Randeria
Anpassung und Kreativität - Über afrikanische Variationen politischer Heterarchie
Trutz von Trotha und Mario Krämer
Wissenssoziologische Ursprünge der Ungleichheitstheorie: Das Tocqueville-Paradox
Sighard Neckel
VI. Event
Das Ereignis als Aufgabe - Zur Trajektstruktur der "Kulturhauptstadt Europas Ruhr 2010"
Ronald Hitzler und Arne Niederbacher
Basler und Mainzer Fas(t)nacht, Kölner Karneval und Münchner Fasching vor allem - Eine transdisziplinäre Tour d'Horizon
Richard Faber
Autorinnen und Autoren
Tabula Gratulatoria
Nostalgie (S. 215-216)
Kreative Effekte eines problematischen Gefühls
Erhard Stölting
»Nostalgie« verweist ähnlich wie »Kitsch« gemeinhin auf angeblich unauthentische, verlogene oder illusionäre Gefühle. Der Begriff enthält also eine kritische Intention und benennt die entsprechenden Objekte, Bilder, Gebäude oder Aufforderungen, von denen alle umstellt sind. Nostalgie auslösende Objekte sind auf den entsprechenden Märkten stark nachgefragt und damit wichtiger Teil des Wirtschaftslebens.
Für den Tourismus sind sie essenziell. Im politischen Leben sind offene und verdeckte Appelle an nostalgische Empfindungen besonders wichtig und präsent. Sie können sich in rational scheinende Argumente kleiden, wenn es um die Mobilisierung von Zustimmung geht. Sie können ebenso gut in Form von Symbolen wie von schönen Ensembles das Empfinden ansprechen.
Nostalgie ist – so die hier vorgeschlagene Bestimmung – die Sehnsucht nach etwas, das irgendwie erinnert wird und so nicht mehr existiert oder verborgen ist. Sie ist also eine Form emotional positiv besetzten historischen Bewusstseins. Ob das, was erinnert wird und Sehnsucht auslöst, tatsächlich so existiert hat, wie es ersehnt wird, oder ob es überhaupt existiert hat, ist dabei gleichgültig. Der erinnerte Zustand kann auch gänzlich fiktiv sein; die Nostalgie kann sich auf etwas beziehen, was es nie gegeben hat (vgl. Coontz 1992).
Oft wird zwar der nostalgisch erinnerte Gegenstand für eine vergangene Realität gehalten werden. Das muss aber nicht so sein, bereits hier ist eine Brechung möglich. Es ist denkbar, dass der Nostalgiker weiß, dass sich seine Gefühle auf eine Fiktion richten; er schaltet dieses Wissen aber für den Augenblick aus. Das allerdings setzt seine Distanzierung gegenüber den eigenen Gefühlen voraus, die sich als »ironisch« bezeichnen ließe. Der Nostalgiker würde sich in diesem Fall nur wohldosiert täuschen.
Die Möglichkeit eines ironischen Umgangs mit nostalgischen Gefühlen macht deutlich, wie problematisch es ist, von »unechten«, »verlogenen« oder »illusionären« Gefühlen zu reden. Gefühle haben keinen Wahrheitswert, sie sind in variabler Intensität da oder nicht. Sie können ambivalent sein, oder es können die Worte fehlen, sie hinreichend genau zu bezeichnen. Auch die Sehnsucht nach einem Trugbild ist echte Sehnsucht.