Freund Der Tod des Landeshauptmanns
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-218-00893-8
Verlag: Kremayr & Scheriau
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, 192 Seiten
ISBN: 978-3-218-00893-8
Verlag: Kremayr & Scheriau
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Mit 1,8 Promille im Blut kracht der Landeshauptmann mit seinem Auto in einen Gartenzaun. Er ist auf der Stelle tot. Was geschah wirklich in jener Nacht im Oktober 2008? Die Spurensuche beginnt in Kärnten. Ein Beamter des Heeresnachrichtenamtes ist spurlos verschwunden, seine Freundin, eine erfahrene Journalistin, erhält von ihm jedoch seitenlange Mails: Über einen FBI-Agenten mit österreichischen Wurzeln, der dem Landeshauptmann bei seinem Besuch in Washington zugeteilt wird. Über den Mossad, den israelischen Geheimdienst, der sich eine ausgeklügelte Autobombe für das Fahrzeug des Landeshauptmannes besorgt. Über zwei Ex-Balkansoldaten, die in Zagreb den Auftrag bekommen, den Kärntner Politiker wegen Schmiergeldzahlungen aus dem Weg zu räumen. Doch was ist wahr an diesen Geschichten? Nur der Verschwundene weiß es, doch die Suche nach ihm verläuft lange Zeit erfolglos ... Eugen Freund, erfahrener Außenpolitik-Journalist und selbst Kärntner, greift die Verdachtsmomente auf und verspinnt sie zu einem spannenden Kriminalroman - mit überraschender Auflösung.
Eugen Freund, geboren 1951, aufgewachsen in Kärnten, Journalist und Buchautor. Ab 1986 beim ORF Fernsehen Moderator der ZIB 2, Korrespondent und Moderator des Auslandsreports, 1995-2001 ORF-Korrespondent in Washington, danach ZIB-Auslandsredaktion in Wien. Seit 2010 Moderator des ORF-Weltjournals, seit Mai 2011 auch Moderator der ZIB 1.
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EIN KLIRRENDES GLAS, das der Kellnerin auf den Boden gefallen war, riss Jasmin aus ihren Gedanken. Es war Zeit zu gehen. Sie stand auf, nahm die Kassenzettel, die auf dem Tisch lagen, ihre Handtasche, die hellrote Papiermappe, zahlte und verließ das Lokal. Zurück in die Redaktion war es nur ein kurzer Fußmarsch – sie entschloss sich, die Bahnhofstraße nach Süden zu nehmen und in der Karfreit-Straße links abzubiegen. Als sie bei der Kreuzung ankam, sah sie in der Schaufensterscheibe gegenüber ihr eigenes Spiegelbild und wenige Meter dahinter einen Mann mit einem Trachtenhut, in dem eine Feder steckte. Jasmin nahm ihn kaum wahr, schließlich war sie auf einer belebten Innenstadtstraße unterwegs, oder jedenfalls einer Einkaufsstraße, die früher einmal belebt war. Früher, wenn sie nach der Schule genug Zeit bis zur Abfahrt ihres Zuges nach Hause hatte – die Eltern hatten sie ins slowenische Gymnasium geschickt –, war sie oft durch die Stadt gebummelt. Beim Grüner hatte sie sich im Schaufenster immer die neueste Mode angesehen, in der Buchhandlung Kollitsch besorgte sie sich die Bücher, die sie schon als Teenager verschlang, daneben im Fahrradgeschäft sah sie lange Zeit ein weißes Sportrad, das sie für ihr Leben gerne gehabt hätte, aber die Eltern konnten sich solche Ausgaben nicht leisten. Der Vater hatte bei der Firma Leitgeb in Kühnsdorf gearbeitet, der holzverarbeitende Betrieb war einer der größten Arbeitgeber in der Region. Dass ihr Vater Kärntner Slowene und dennoch in einem Werk beschäftigt war, in dem zwei Brüder des Firmenbesitzers am Ende des Zweiten Weltkriegs von Partisanen nach Jugoslawien verschleppt worden waren und nie wieder auftauchten, war Jasmin erst viel später bewusst geworden. Als sie in der Redaktion ankam, begegneten ihr wieder diese fragenden Blicke. Auch wenn viele der Kollegen und Kolleginnen im Lauf der Zeit gute Freunde geworden waren, es war niemand dabei, dem sie sich hätte anvertrauen können – vielleicht auch aus Sorge darüber, dass der eine oder andere daraus dann doch einen Artikel verfassen würde. Auf das „Jasmin, ist was?“ oder „Jasmin, kann ich dir helfen?“ hatte sie bisher immer mit einem Kopfschütteln reagiert und man hatte sie – noch – in Ruhe gelassen. Jasmin wusste, dass dieser Zustand nicht mehr lange aufrechtzuhalten war. Sie setzte sich an ihren Platz, öffnete die hellrote Mappe und nahm wieder ein paar Blätter heraus. Von: straggerst@aon.at
An: jasmin.koepperl@gmx.at Nach dem kurzen Telefongespräch lief David Krimnick die Stiegen nach oben. Eleanor hatte sich nach dem Duschen nur ein großes Handtuch umgebunden, ihre Haare hingen nass herunter, sie hasste es, wenn man sie bei der Morgentoilette störte. David wusste das nur allzu gut, darum verabschiedete er sich auch nur kurz – „see you tonight“ – und verließ das Haus. In der Einfahrt stand sein Acura, damit fuhr er nach D.C. Vorbei an der Defense Mapping Agency – ein riesiger Komplex für Geheimdienstagenten, die nichts anderes taten, als Satelliten-Fotos auszuwerten. Vor allem nach den Angriffen auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 waren die Computer der DMA heißgelaufen: Irak und Afghanistan wurden genau ins Visier genommen, Saddam Husseins Waffenlager, oder was man dafür hielt, wurde bis ins kleinste Detail observiert. Und danach hatte Außenminister Colin Powell vor aller Welt im UNO-Sicherheitsrat Fotos von genau dieser Agentur vorgelegt, die beweisen sollten, dass der Irak Fahrzeuge mit biologischen Waffen in Stellung gebracht hatte. Es waren jene Dokumente, die auch die letzten Zweifel unter den Alliierten ausräumen sollten, dass Saddam Hussein tatsächlich Böses im Schilde führte. Sie trafen sich in Georgetown. Er hatte die P-Street an der Ecke zur 33. Straße gut in Erinnerung: Jedes Mal, wenn er mit seinem Wagen nach D.C. fuhr, fürchtete er sich vor dem Stau in der 36. Straße – dann bog er meist links ab und kam auf das Kopfsteinpflaster mit den schmalen Straßenbahnschienen, die schon vier Jahrzehnte keine Tramway mehr gesehen hatten. Doch aus unerfindlichen Gründen wollten die Bewohner in ihren kostbaren Einfamilienhäusern daran nichts geändert haben. Weniger aus sentimental-historischen Gründen, eher weil dadurch weniger Autos durchrasten. Von „rasen“ war ohnehin keine Rede, denn jedes nur ein wenig ältere Fahrzeug wurde so durchgerüttelt und durchgeschüttelt, dass man Sorge haben musste, am Ende, wenn es endlich wieder auf Asphalt weiterging, wie Hänsel und Gretel anhand der verlorenen Schrauben den Weg zurückverfolgen zu können. David war schon ein paar Minuten vor dem vereinbarten Termin angekommen, er hatte sogar einen Parkplatz gefunden, hier konnte man noch zwei Stunden stehen, ohne dafür bezahlen zu müssen. Er hatte eine blaue Mappe in der Hand, und er weil noch ein wenig Zeit hatte, spazierte er gemütlich einmal um den Block. An einer Ecke fiel ihm ein geparktes, dunkelblaues Mustang-Cabrio auf. Er erkannte es sofort als Baujahr 1968, die Schnauze war schon ein wenig abgerundet, ebenso die Heckflosse. Das Stoffdach war noch in gutem Zustand, wahrscheinlich ohnehin schon mindestens einmal ersetzt, dachte David. Er kannte sich da gut aus, Oldtimer waren eine seiner Leidenschaften. Auch wenn er selbst noch keinen in der Garage hatte, mit dem hier könnte er einen Anfang machen, er musste nur noch den häuslichen Widerstand überwinden: Eleanor hatte ihm immer gedroht auszuziehen, sollte er einmal mit so einem „Gerümpel“, wie sie es nannte, aufkreuzen. Er schrieb sich die Nummerntafel auf (für ihn war es kein Problem, im Motor Vehicle Department anzurufen und herauszufinden, wem das Kennzeichen gehörte), machte noch eine Runde um den Wagen und ging dann wieder zurück zur P-Street. Schon aus einiger Entfernung sah er Peter etwa in der Mitte des Blocks stehen: Er trug einen grauen Anzug, ein weißes Hemd mit einer einfarbigen, blauen Krawatte, und sein Gesicht wurde von einer dunklen Sonnenbrille halb abgedeckt. Selbst wenn man es nicht wusste, Peter sah aus, wie man sich einen CIA-Agenten vorstellte: Vor allem das kurzgeschnittene Haar ließ keinen Zweifel daran. Die beiden kannten einander noch aus College-Tagen, sie spielten damals beide im selben Football-Team und nach den hitzigen Kämpfen entspannten sie sich gemeinsam in derselben Bar. Einmal stand die Freundschaft auf der Probe, als Peter David ein Mädchen ausspannte, mit dem David schon ein halbes Jahr zusammen war. Samantha war eine attraktive, blonde Schönheit, nur – das fand David dann bald heraus, und nicht aus einem „Saure-Trauben-Komplex“ – legte sie mehr Wert auf Äußerlichkeiten als auf akademische Fortschritte. Aber auch das sorgte damals nur für kurzen Streit, David traf bald darauf Eleanor und die emotionale Ordnung war wieder hergestellt. Selbst als sie dann ihre eigenen Wege gingen und einander für ein paar Jahre aus den Augen verloren, schlossen sie, als sie beide im Großraum Washington beruflich tätig wurden, sofort wieder dort an, wo sie zuvor aufgehört hatten. Sie begrüßten einander freundlich, David erzählte ihm vom Mustang, das war so frisch in seinem Kopf, er musste es einfach loswerden. „Hast du mich hierher bestellt, damit wir über Autos sprechen?“, fragte Peter, halb im Scherz, denn im Anruf vor einer Stunde wollte David nicht einmal andeuten, warum er ihn unbedingt treffen wollte. Und auch jetzt hielt er sich noch zurück. Ein so heikles Thema, dessen war sich David bewusst, konnte man nicht – quasi im Vorübergehen – auf der Straße besprechen. Jasmin legte das Papier zur Seite. Sie stützte den Kopf auf ihre Hände und schloss die Augen. Vor einem Jahr hatte sie mit Stefan eine USA-Reise gemacht. Lange waren sie zuhause vor dem Computer gesessen und hatten alles geplant. Und jetzt fiel es ihr wieder ein: Ursprünglich wollten sie nur nach New York – endlich einmal die Wolkenkratzer sehen und den Central Park. Sie hatten Glück, das Wetter war strahlend, im Park waren die Bäume gerade dabei, die schönsten Herbstfarben anzulegen, sie waren erstaunt, wie riesig diese „grüne Lunge der Stadt“ war. Und auch fürs Shopping hatten sie Zeit eingeplant: Sie hatte vorher extra noch einen New-York-Führer gekauft, „Bloomingdale’s“ wurde besonders empfohlen, und sie war auch begeistert von der Parfümerieabteilung: ein halbes Stockwerk duftend nach den besten Seifen, Badeölen, Eaux de Toilette. Von New York aus wollten sie ursprünglich in den Nordosten – sie hatten so viel vom „Indian Summer“ gehört und gelesen – nach Boston und dann weiter in den „Arcadia National Park“. Aber Stefan wollte unbedingt auch nach Washington, er trommelte ihr geradezu ein, dass eine Reise in die USA ohne Besuch der Hauptstadt das Bild nicht komplett machen würde. Jasmin hatte freilich immer nur Negatives über Washington gehört, so viele Menschen würden dort täglich ermordet, dass sie einfach keine Lust hatte, als Opfer in der Zeitung zu stehen. Sie hatte sich sogar schon die Schlagzeile in der „Washington Post“ ausgedacht: „Austrian Journalist Victim of Gun Violence“. Doch Stefan hatte sich durchgesetzt: Sie fuhren mit dem „Amtrak“ von New York in den Süden: Wenn sie aus dem Fenster blickten, waren sie immer wieder erstaunt, wie viel Schmutz neben den Schienen lag und durch wie viel verkommene Vorstädte sie fuhren, bevor sie in Washington ankamen. Georgetown schien es Stefan besonders angetan zu haben: Er sah sich nicht nur die beiden Hauptstraßen M-Street und Wisconsin Avenue genau an – Jasmin hatte nichts dagegen, schließlich gab es dort interessante Geschäfte, die all das anboten, was sie sich vorgenommen hatte nach Hause mitzunehmen (und vieles, was sie...