Frey | Optimismus und Overkill | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 538 Seiten

Frey Optimismus und Overkill

Deutsche Science Fiction in der jungen Bundesrepublik
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-948616-57-1
Verlag: Memoranda
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Deutsche Science Fiction in der jungen Bundesrepublik

E-Book, Deutsch, 538 Seiten

ISBN: 978-3-948616-57-1
Verlag: Memoranda
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Im dritten Band seiner Reihe entfaltet Laßwitz-Preisträger Hans Frey das widersprüchliche Panorama der SF in der jungen Bundesrepublik (1945-1968). Wie gewohnt bettet er plausibel, sachkundig und spannend-unterhaltsam den Neustart des Genres in den ebenso fortschrittsgläubigen wie angstbesetzten Zeitgeist ein. Die Transformation des alten deutschen Zukunftsromans, die Fandom-Entstehung, der starke angloamerikanische Einfluss und sich verändernde Medien gaben der West-SF eine vitale Dynamik. Vertieft wird das Bild durch eine Fülle wiederentdeckter SF-Originaltexte und zahlreiche Portraits der »Macher«. Oft trashig, aber auch anspruchsvoll verwandelte die zeitgenössische SF das Atomthema, den Kalten Krieg, die beginnende Weltraumfahrt u.v.a.m. in wirkmächtige Mythen der Moderne. Heftserien wie UTOPIA, TERRA und PERRY RHODAN, wichtige Verlage und SF-Neuland stehen neben der SF-affinen Mainstreamliteratur. Viele seltene Abbildungen und ein ausführliches Literatur- und Stichwortverzeichnis ergänzen das Werk. OPTIMISMUS UND OVERKILL ist ein wichtiges Literaturkompendium, das erneut begeistert.
Frey Optimismus und Overkill jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


3. Psychogramm der frühen West-SF Obwohl es nicht an polemischen Anfeindungen mangelte, lag die SF im Nierentisch-Zeitalter in der Luft. Die Vorarbeit leisteten natürlich die realen Entwicklungen der Industriegesellschaft mit ihren Motoren Wissenschaft und Technik. Ihre kulturelle Verarbeitung in Literatur, Film und bildender Kunst tat ihr Übriges. 3.1. Das mediale Umfeld Immer mehr Menschen interessierten sich für Dinge, die evtl. kommen würden, und seismografisch registrierten die Medien einen neuen Markt. Druckerzeugnisse entstanden, die es vorher so noch nicht gegeben hatte. Sie alle hatten zwar mit der SF direkt nichts zu tun, bereiteten aber durch ihre Orientierung an Zukunftsfragen den Boden für die SF. Sie verstärkten Stimmungen in der Öffentlichkeit, die die SF gewollt oder ungewollt förderten. Vier Beispiele derartiger Printmedien seien vorgestellt: KRISTALL, HOBBY, ORION und POPULÄRE MECHANIK. KRISTALL Vorläufer der heute weitgehend vergessenen Illustrierten KRISTALL waren die stark politisch motivierten NORDWESTDEUTSCHEN HEFTE, die die damaligen Chefredakteure des NWDR Axel Eggebrecht (1899–1991) und Peter von Zahn (1913–2001) nach dem Vorbild des britischen THE LISTENER ab 1946 herausgaben. Der Jungverleger Axel Springer (1912–1985) erhielt die Vertriebslizenz, machte ein einträgliches Geschäft und gründete »so nebenbei« die Zeitschrift HÖRZU, um Werbung für den Rundfunk zu machen, der wiederum kostenlos für die HEFTE warb. 1948 löste sich Springer vom NWDR und gründete die Illustrierte KRISTALL. DIE ZEITSCHRIFT FÜR UNTERHALTUNG UND WISSEN (wechselnde Untertitel). Die KRISTALL präsentierte sich als lockere Mischung aus unterhaltenden Artikeln und vielen großformatigen, attraktiven Fotos und Zeichnungen, die immer wieder die Raumfahrt, aber auch andere Bereiche des modernen Lebens thematisierten. Allerdings war die KRISTALL nicht ganz so harmlos, wie es sich bis jetzt anhörte, bot sie doch in einem Nebenstrang alten Militaristen die Gelegenheit, die Wehrmacht zu glorifizieren. Nur die Einmischungen Hitlers seien für Niederlagen und »Missgriffe« verantwortlich, die Wehrmacht selbst stehe ohne Makel da, so die Auffassung der einschlägigen Autoren. Dass Springer diese Meinung teilte, glaube ich eher nicht. Ausschlaggebend für ihn waren wohl geschäftliche Gründe (was die Sache nicht besser, sondern schlimmer macht), denn derlei Geschichtsklitterungen verkauften sich bei vielen überlebenden Soldaten gut, die die Verbrechen der Wehrmacht nicht einsehen wollten. Dennoch rechnete sich die Zeitschrift auf Dauer nicht. Ende 1966 wurde das Blatt aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt. HOBBY HOBBY. DAS MAGAZIN DER TECHNIK hatte einen anderen Charakter als KRISTALL. Es konzentrierte sich gezielt auf ein wissenschaftlich-technisch interessiertes Publikum, das auch selber handwerklich aktiv werden wollte. Zahlreiche Bastel- und Modellbauanleitungen für Flugzeuge, Schiffe etc., die die Hefte enthielten, sprechen eine klare Sprache. Ein weiterer Schwerpunkt waren bebilderte Artikel, die fortschrittsgläubig und technikverliebt entsprechende Sachthemen abhandelten. Dabei ging es nicht nur um die Raumfahrt. Die Atomenergie, die Veränderung des Alltagslebens durch moderne Technologien und auch schon Computer setzten neben anderem weitere Schwerpunkte. Bei einem Magazin, das sich dezidiert der Zukunft zuwandte und dabei des Öfteren recht schräge Zukunftsprognosen wagte, waren bemühte Absetzbewegungen von der SF nicht von vornherein zu erwarten. Trotzdem war es so – das galt zumindest für die 50er-Jahre. So konnte man im Oktober 1957 lesen: »Seit einigen Jahren tauchen auch im deutschen Sprachraum immer häufiger Romane auf, die die selbstverständlichen Gesetze der Schriftstellerei völlig außer Acht lassen. Sie tragen den Untertitel ›science fiction‹, was wörtlich übersetzt soviel wie ›wissenschaftlicher Roman‹ heißt. Doch wer glaubt, darin ein wenig von der exakten Logik der Naturwissenschaften wieder zu finden, irrt sich gewaltig. Diesen Geschichten wird der Mantel der Wissenschaft oft nur darum umgehängt, um in ihnen alle Dimensionen, die für normale Menschen gelten, (…) ignorieren zu können. Die Wissenschaft wird kurzerhand (und oft in recht primitiver Form) als Schutzschild für dichterische Spielereien benutzt, für Geschichten, die man als normale Romane niemandem vorzusetzen wagen dürfte.« (zit. n. G1, S. 16) Da hatte der HOBBY-Redakteur wohl übersehen, dass sein eigenes Produkt auf einer Welle schwamm, die gerade durch das Ausklammern der als Wert beschworenen Normalität ihren Reiz bezog. Wahrscheinlich derselbe Journalist echauffierte sich in selbiger Ausgabe über die Atomgegner. »Mit welchen unsinnigen Argumenten wird nach wie vor gegen den Karlsruher Atommeiler und andere in Deutschland im Bau befindliche Atomreaktoren polemisiert und prozessiert. Man kann oft nicht glauben, dass es wirklich Menschen gibt, die so unsinniges Zeug für wahr halten.« Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, macht er die SF-Fans dafür verantwortlich. »Es liegt mir fern, zu behaupten, dass an diesem Dilemma allein die science fictions [sic! H. F.] schuld sind. Sicher aber haben sie zu dieser Verwirrung beigetragen, vor allem bei jungen Menschen.« (zit. n. G3, S. 52/53) Es reichte dem Schreiber offensichtlich nicht, die SF als Genre insgesamt zu diffamieren. Die SF bzw. ihre Leser mussten auch noch dazu herhalten, dass seine Atomgläubigkeit nicht überall auf Gegenliebe stieß. Das Manöver war durchsichtig. Seinem Magazin sollte der Nimbus einer besonderen Seriosität verliehen werden. Dabei hängte er sich an den Umstand an, dass die SF in den 50er-Jahren noch nicht salonfähig war, sondern sich oft heftiger Kritik und beißender Häme ausgesetzt sah. In der Sache lag er übrigens falsch, weil die damaligen SF-Anhänger durchaus für die sog. friedliche Nutzung der Atomenergie eintraten, allerdings vehement vor der Atombombe warnten. Doch dieses Maß an Differenzierung überstieg wohl das geistige Vermögen eines kleinen HOBBY-Redakteurs. HOBBY erschien von 1953 bis 1991 hauptsächlich im Ehapa Verlag. Von 1964 bis 1972 wurde die Sonderreihe HOBBY BÜCHEREI im Taschenbuchformat mit insgesamt 31 Bänden herausgegeben. In Band 15 mit dem Titel Report 1998 – so leben wir in 30 Jahren (1968) von Ernst Gehmacher konnte man sich für 4,80 DM über die Ergebnisse der noch jungen Wissenschaft der Futurologie informieren. Immerhin gab der Autor die Hardcore-Position seines früheren Kollegen gegenüber der SF auf, wobei Gehmacher lieber und unexakt von Utopie sprach. Zu Beginn seines Buches blättert er die Utopiegeschichte auf und konstatiert überraschend einsichtig: »Am Anfang waren Träume und Ahnungen.« (Gehmacher, Report 1998, S. 7) So war es über die Jahre zu einem Umdenken breiterer Schichten in Sachen SF gekommen, was auch an der HOBBY-Redaktion nicht spurlos vorüberging. ORION Zumindest erwähnt werden soll die Publikation ORION. ZEITSCHRIFT FÜR NATUR UND TECHNIK, die von 1946 bis 1960 herausgegeben wurde. Erster Chefredakteur von ORION war Erich Laßwitz (1880–1959), der Sohn des berühmten Kurd Laßwitz, welcher in der deutschen SF eine überragende Rolle spielt. POPULÄRE MECHANIK Die Vierte im Bunde war die Zeitschrift POPULÄRE MECHANIK. DAS NEUSTE AUS TECHNIK UND WISSENSCHAFT. Sie hatte ihren Ursprung in den USA. Am 11. Januar 1902 erschien dort die erste Ausgabe von POPULAR MECHANICS, ein Magazin, das populärwissenschaftlich die neusten technischen Entwicklungen aufbereitete. Schon bald gab es auch Ausgaben in anderen Ländern. Von 1956 bis 1962 war eine Version unter dem Titel POPULÄRE MECHANIK in Westdeutschland erhältlich. Es ging um Themen wie das Auto, neue Geräte oder das Heimwerken, aber auch um Weltraum, Raketentechnik und die Geheimnisse der Erde. Generell bemühte man sich um eine lebensnahe Darstellung. So wurden z. B. Teenager beim Basteln einer Rakete dargestellt. Trotz dieses Konzepts traf POPULÄRE MECHANIK wohl nicht den deutschen Geschmack, sodass der deutschen Ausgabe keine lange Lebensdauer beschieden war. Ungeachtet dessen war die Reihe ebenso wie die anderen Ausdruck einer Gefühlslage, die untergründig die SF beförderte. Weitere Signa der Zeit Generell nahm im bundesrepublikanischen Blätterwald die Berichterstattung über wissenschaftliche und technische Entwicklungen erheblich zu. Das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL, Massenillustrierte wie der STERN, die QUICK und die BUNTE ILLUSTRIERTE, aber auch regionale und überregionale Tageszeitungen informierten vermehrt oder gar regelmäßig über erstaunliche Fortschritte, die aus den Laboratorien, Forschungsinstituten, Fabriken, Flug- und Raumfahrtzentren usw. zu vermelden waren. Im akademischen Bereich etablierte sich die schon im Abschnitt über das Magazin HOBBY genannte Futurologie (Zukunftsforschung), die den Anspruch erhob, mit wissenschaftlichen Methoden halbwegs valide Aussagen über die Zukunft machen zu können. Bezeichnend ist, dass bereits Anfang der 1950er-Jahre eine scharfsichtige und scharfzüngige...


Frey, Hans
Hans Frey, Germanist, Lehrer, Ex-NRW-Landtagsabgeordneter, Ruhrgebietsfan und Büchernarr, nutzt seit einigen Jahren den sogenannten Ruhestand, um seine alte Vorliebe für die Science Fiction publizistisch aufzuarbeiten. Zu den Ergebnissen gehören unter anderem die umfangreiche Monographie »Der galaktische Voltaire – Die Welten des Isaac Asimov«, das Sachbuch »Philosophie und Science Fiction« und drei Ausgaben der Reihe SF PERSONALITY: »Alfred Bester – Tycoon der Science Fiction«, »J. G. Ballard – Science Fiction als Paradoxon« und »James Tiptree Jr. – Zwischen Entfremdung, Liebe und Tod« und natürlich die ersten drei Bände der Geschichte der deutschen Science Fiction: »Fortschritt und Fiasko« (1810–1918), »Aufbruch in den Abgrund« (1918–1945) und »Optimismus und Overkill« (1945–1968).
Hans Frey wurde 2021 für seine Sachbücher zur Geschichte der deutschsprachigen Science Fiction »Fortschritt und Fiasko« und »Aufbruch in den Abgrund« mit dem Kurd Laßwitz Preis ausgezeichnet.

Hans Frey, Germanist, Lehrer, Ex-NRW-Landtagsabgeordneter, Ruhrgebietsfan und Büchernarr, nutzt seit einigen Jahren den sogenannten Ruhestand, um seine alte Vorliebe für die Science Fiction publizistisch aufzuarbeiten. Zu den Ergebnissen gehören unter anderem die umfangreiche Monographie »Der galaktische Voltaire – Die Welten des Isaac Asimov«, das Sachbuch »Philosophie und Science Fiction« und drei Ausgaben der Reihe SF PERSONALITY: »Alfred Bester – Tycoon der Science Fiction«, »J. G. Ballard – Science Fiction als Paradoxon« und »James Tiptree Jr. – Zwischen Entfremdung, Liebe und Tod« und natürlich die ersten drei Bände der Geschichte der deutschen Science Fiction: »Fortschritt und Fiasko« (1810–1918), »Aufbruch in den Abgrund« (1918–1945) und »Optimismus und Overkill« (1945–1968).
Hans Frey wurde 2021 für seine Sachbücher zur Geschichte der deutschsprachigen Science Fiction »Fortschritt und Fiasko« und »Aufbruch in den Abgrund« mit dem Kurd Laßwitz Preis ausgezeichnet.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.