Frings / Kohlhaas | Ungehorsam | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Frings / Kohlhaas Ungehorsam

Eine Zerreißprobe
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-451-82237-7
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine Zerreißprobe

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

ISBN: 978-3-451-82237-7
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Geschichte von Abraham und Isaak fasziniert und verstört bis heute. Was ist das für ein Gott - und ist das spiritueller Missbrauch? Zugleich ist sie von einer Tiefe, wie wenige biblische Stellen. Thomas Frings und Emmanuela Kohlhaas tauchen in diese Tiefen ein und fördern Überraschendes zu Tage. Sie schildern, was sich Isaak vielleicht gedacht hat, wie er gehadert und geflucht hat - aber warum man gerade von ihm spirituelle Resilienz lernen kann. Sie zeigen einen Abraham in seinem ganzen Zweifel, seiner Zerrissenheit, und schreiben über echten und falschen Gehorsam. Und, das Besondere: Auch Sara, oft vernachlässigt, kommt hier als Mutter und vor allem starke Frau zu Wort. Mehr noch, sie schreit ihre Wut, aber auch ihren Glauben in die Welt hinaus. Sara steht hier für die Frage nach der Rolle der Frau und wie sie das Beispiel für eine grundlegende Reform der Kirche ist. Ein provokantes und mutiges Buch, das genau zur richtigen Zeit kommt. Mit neuen und aufrüttelnden Ansätzen für das, woran Kirche leidet und was es jetzt braucht.
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SARA:
PROTEST FÜR DAS LEBEN
Diese Unruhe macht mich schier wahnsinnig. Fast drei Tage sind sie nun fort. Ich kann an gar nichts anderes denken. Angst. Wie ein würgender Griff um die Kehle. Ohne zu sehen und zu hören, stolpere ich durch den Tag … Mein Gott! Was ist los? Er hat den Jungen doch nicht das erste Mal mitgenommen. Und sie sind ja gar nicht alleine. Die Jungknechte sind stark und wissen zu kämpfen, wenn es nötig ist. Was geschieht da draußen? Ich sehe sie noch, wie sie aufbrechen. Isaak voll Freude und Stolz, dass sein Vater ihn mitnimmt – endlich. Dass er das erste Mal alleine mit ihm gehen darf, um Gott zu opfern. Er ist der Erbe der Verheißung. Will Abraham ihn lehren, so wie er selbst Auge in Auge Gott zu begegnen? Was für ein prächtiger Junge doch unser Sohn ist, fast schon ein Mann. Und wie er seinem Vater ähnelt. O ja, ich erinnere mich noch so genau, wie Abraham damals ausgesehen hat. Was für ein starker und schöner junger Mann! Wie stolz ich von klein auf war, dass er der meine sein würde. Es wird bald an der Zeit sein, dass wir Ausschau halten nach einer Frau für Isaak. Irgendwas war mit Abraham in den letzten Tagen. Er sah gar nicht froh aus, als sie gingen. Beginnt er die Last seines Alters zu spüren? So langsam wäre es für ihn an der Zeit, einfach im Lager zu bleiben und einem Jüngeren solche Aktionen zu überlassen. Kommt er denn nie zur Ruhe? Was treibt ihn immer weiter? Der Hunger nach Leben? Abenteuerlust? Woher nimmt er diese Kraft? Was haben wir in unserem Leben für Wege zurückgelegt. Was war ich schockiert, damals, als er mir mit seinen fünfundsiebzig Jahren verkündete, wir würden unsere Heimat verlassen. Weg von Haran. Alles hinter uns lassen, um aufzubrechen in ein fremdes, unbekanntes Land, das Land Kanaan. Er konnte noch nicht einmal sagen, wohin genau der Weg uns führen sollte. Das war so untypisch für ihn. Er, der so besonnen handelte, der immer wusste, was er tat. Auf sein Wort war immer Verlass, so wie die Götter es forderten. All das geschah kurz nach dem Tod seines Vaters Terach. Zunächst dachte ich, dies habe ihn verwirrt. Aber dann verstand ich. Er fühlte sich nun endlich frei. Jetzt, als neues Sippenoberhaupt, durfte er endlich selbst entscheiden. Darauf hatte er lange warten müssen. Aber dann sagte er etwas Ungeheuerliches. Fast fürchtete ich, er habe den Verstand verloren. Redete irgendetwas von einem Segen. Er habe ihn von Gott empfangen. Von was für einem Gott? Wie schon in Ur in Chaldäa ist Sîn, der Mondgott, der Gott unserer Sippe. Auch in Haran, der großen Stadt im Norden des Zweistromlandes, wird er verehrt. Deshalb lebten wir nun schon so lange vor den Toren der Stadt in unseren Zelten. Wer aber ist er, dieser fremde, namenlose Gott Abrahams? Heimlich machte ich mich auf den Weg hinein in die Stadt zum Ehulhul, dem „Haus, das Freude spendet“, um Sîn zu besänftigen. Er war so ein guter Gott, der uns Wohlstand und Gesundheit schenkte, wenn wir unsere Abkommen treu hielten. Er und sein Sohn, der Sonnengott Schamasch. Am liebsten aber war mir Nikkal, die Gefährtin Sîns. Sie ist die Göttin der Fruchtbarkeit. Ich hatte eine kleine Statue von ihr. Oh, was habe ich zu ihr gebetet. Und nun kommt Abraham und sagt, es gebe nur den einen Gott, dessen Namen er nicht kennt, und der habe mit ihm geredet? Und wir sollten zu keinem anderen Gott mehr beten. Ich war sprachlos. Ich konnte es nicht fassen. Reden die Götter denn mit uns Menschen von Angesicht zu Angesicht? Ich war so voller Angst. Die Götter würden uns strafen. Nikkals Statue versteckte ich heimlich in meinen Kleidern … Wie glücklich waren wir in Haran gewesen. Wir hatten alles. Vor allem aber hatten wir einander, Abraham und ich. Ja, wir hatten alles bis auf eines: Kinder. Wieder und wieder sprach Abraham die Worte, die er – so sagte er – von seinem Gott gehört hatte. Er hatte folgende Botschaft von Gott vernommen: „Geh fort aus deinem Land, aus deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde! Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein. Ich werde segnen, die dich segnen; wer dich verwünscht, den werde ich verfluchen. Durch dich sollen alle Sippen der Erde Segen erlangen.“[1] Natürlich wünschten wir uns sehnlichst ein Kind. Aber irgendwie war das zu schön, um wahr zu sein. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Aber ich bekam die Konsequenzen zu spüren. Abrahams Entschluss stand unwiderruflich fest: Wir brechen auf und folgen dieser Verheißung. Egal, wohin sie uns führt. Und sein Neffe Lot glaubte ihm und wollte mitgehen.   So brachen wir also auf. Tag für Tag wartete ich auf die Katastrophe. Aber nichts geschah. Und dann, eines Tages, kamen wir an. Kanaan lag vor uns. Das Gelobte Land. Abraham war sich ganz sicher. Ich schaute enttäuscht in die trockene, graubraune Landschaft. Wie schön und fruchtbar und grün war das Zweistromland gewesen! Und jetzt das. Sahen wir mit so verschiedenen Augen? Abraham zweifelte auch nicht, als wir eine Hungersnot erlebten. Es fiel ihm sichtlich schwer, wieder aufbrechen zu müssen, damit wir nicht verhungerten. Wir mussten weiterziehen nach Süden und kamen nach Ägypten. Ein seltsames Land mit seltsamen Menschen und seltsamen Sitten. Ein Beamter ihres Königs – sie nennen ihn Pharao, und er ist für sie ein Gott – sah mich. Abraham kam ganz erschrocken zu mir: Du bist eine schöne Frau. Pharao will dich. Wenn ich nein sage, ist das mein Tod! Ist Schönheit ein Segen oder ein Fluch? Wir wuchsen in derselben Sippe auf, Abraham und ich. Sein Vater war auch mein Vater; aber meine Mutter war bloß eine Nebenfrau und ich nur ein Mädchen. So beachtete mich Terach nicht, sondern entschied lediglich, dass ich später seinen Sohn Abraham heiraten solle. Als ich ein kleines Mädchen war, hat Abraham mich auch noch nicht beachtet. Aber eines Tages ruhten seine Augen voll Bewunderung auf mir. Keine andere schaute er mehr an. Da wollte er nicht länger warten … Seitdem höre ich immer wieder, ich sei eine schöne Frau. Nicht nur von ihm. Und wann immer ich als junge Frau mein Spiegelbild sehen konnte, gefiel es auch mir. Nie hätte ich gedacht, dass diese Gabe zum Problem werden könnte. Wir waren voller Angst, und die ganze Sippe mitsamt den Tieren hatte Hunger. Also sagten wir, ich wäre Abrahams Schwester. Da brachten sie mich an den Hof des Pharao. Was für eine seltsame Welt. Zahllose Frauen und Kinder lebten dort. Da verstand ich ganz neu, wie außergewöhnlich Abrahams Treue mir gegenüber war. Wozu brauchte Pharao mich? Musste er denn jeden Sinnenreiz sofort befriedigen? Wie bei einem Baby, das schreit, wenn es Hunger hat oder ein Spielzeug will, das es bald wieder in die Ecke wirft. Ich war heftig empört. Der sollte es bloß nicht wagen, mir zu nahe zu kommen! Kann ein so mächtiger Mann ein solches Kind sein? Wie sollte es nun aber weitergehen? Ich konnte doch nicht in diesem goldenen Käfig gefangen bleiben. Doch da geschah das Unglaubliche! Abrahams Gott griff selber ein – so erfuhr ich später. Zur Strafe schlug er Pharao mit Plagen und ließ ihn so wissen, was wir nicht zu sagen gewagt hatten: Das ist Abrahams Frau. Da gab mich Pharao zurück und verwies uns des Landes. Immerhin hatten wir jetzt genug zum Leben und konnten ins Land Kanaan zurückkehren. Wer ist dieser Gott Abrahams, dass er sich für eine Frau interessiert und unsere Liebe schützt? Will er wirklich das Glück der Menschen? Jahre später passierte fast das Gleiche noch einmal. Abimelech hieß dieser andere König. Der allerdings reagierte ganz anders als Pharao. Es gab auch keine Plagen, sondern Abimelech sagte, Abrahams Gott habe ihn in einem Traum gewarnt. Er lud uns ein, in seinem Land wohnen zu bleiben, und entschuldigte sich persönlich bei mir: „Siehe, ich gebe deinem Bruder tausend Silberstücke. Siehe, das soll allen Leuten in deiner Umgebung die Augen zudecken und vor allen erfährst du Genugtuung.“[2] Wie ungewöhnlich für so einen König, eine Frau in dieser Weise zu ehren. Richtig edel. Das hat mir gutgetan. Ich träume vor mich hin. Wie nahe mir diese fernen Tage doch sind. Wie lebendig, als wäre es erst gestern gewesen. Sie lenken mich von den quälenden Sorgen der Gegenwart ab. Was aber hat Abraham vor seinem Aufbruch bedrückt? Oder war es mehr als das? Eine große Anspannung. Ein innerer Kampf. So habe ich ihn lange nicht mehr erlebt. Aber natürlich sagte er kein Wort. Hatte er wieder eine seiner Begegnungen mit Gott? Ist es wirklich das? Über seine Begegnungen mit Gott konnte Abraham immer reden. Warum diesmal nicht? Eigentlich war es erstaunlich, wie viel er darüber sprach. Sonst merkte ich eher an seinem Schweigen, wenn etwas Besonderes war. Wie eine Schnecke, deren Fühler ein Hindernis berühren, blitzartig ganz in ihrem Häuschen verschwindet, zog er sich dann zurück. Anfangs erschrak ich darüber. Hatte ich etwas falsch gemacht? Als ich erfahrener wurde, verlor sich diese Unsicherheit. Wenn er das braucht. Er kommt schon ganz von alleine wieder aus seinem Schneckenhaus hervor … Aber dieses Schweigen jetzt? Es ist mehr als nur das. Er hat etwas vor, das ich nicht wissen soll. Was geschieht heute da draußen? Sara, frage dein eigenes Herz! Du kannst in...


Thomas Frings, geb. 1960, wurde 1987 zum Priester geweiht. Von 2009 an war er Pfarrer der Heilig-Kreuz-Gemeinde in Münster, seit 2010 Mitglied und seit 2014 Moderator des diözesanen Priesterrats. Durch seine Amtsniederlegung im Frühjahr 2016 wurde er national bekannt, sein Buch "Aus, Amen, Ende?" wurde ein Bestseller. Zwischenzeitlich wohnte er in einem Benediktinerkloster in den Niederlanden, jetzt lebt er in Köln. Aufgrund seines Buches wird er in ganz Deutschland als Redner und für Vorträge eingeladen. Thomas Frings ist Großneffe des Kölner Erzbischofs Kardinal Joseph Frings.
Emmanuela Kohlhaas, geb. 1961, Studium der Musikwissenschaft, Psychologie und vergleichende Religionswissenschaften. Von 2002 bis 2009 lehrte sie an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln, außerdem absolvierte sie den Masterstudiengang "Beratung in der Arbeitswelt. Coaching, Supervision, Organisationsberatung" an der FH Frankfurt. Seit 2010 ist Schwester Emmanuela Priorin der Benediktinerinnengemeinschaft Köln.



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