E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Fröhlich Ganz ehrlich, Fillipa!
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7526-7716-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Wunschhundwette
E-Book, Deutsch, 240 Seiten
ISBN: 978-3-7526-7716-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
"Wetten, dass du es nicht schaffst, eine Woche lang nichts als die Wahrheit zu sagen?" Damit fordert Cooper Filippa heraus. Der Cooper mit den Hundebabys, der normalerweise kein Wort spricht. Und während alle in der Klasse den neuen "Schweiger" immer cooler finden, macht sich Filippa mit dem Nichts-als-die-Wahrheit-Sagen richtig unbeliebt. Eine Freundschaftsgeschichte voller Humor, Originalität und Herzenswärme. Großer Lesespaß, der "ganz nebenbei" das Thema Inklusion erzählt.
Anja Fröhlich, geboren 1964, verbrachte ihre Kindheit zur Hälfte im sonnigen Rom und zur anderen Hälfte im kalten Sauerland. Nach dem Abitur studierte sie Filmwissenschaft, Kunstgeschichte und Psychologie in Köln. Sie arbeitete als Werbetexterin, Filmkritikerin und Autorin. 2001 erschien ihr erster Roman. Es folgten zahlreiche Kinder- und Jugendbücher, die mehrfach übersetzt und ausgezeichnet wurden. Mehr Infos zur Autorin unter www.anja-froehlich.de.
Autoren/Hrsg.
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Kapitel 1
Ich glaube, es wird Zeit, dass ich etwas über Cooper erzähle. Auch wenn ich ihn gar nicht mag und am liebsten kein Wort über ihn verlieren würde. Schon allein, weil er auch nie ein Wort sagt. Er verliert keins, er findet keins und er gibt auch keins von sich. Denn Cooper ist so was Ähnliches wie stumm. Und man kann sich nur fragen, warum seine Eltern ihrem schweigsamen Kind einen Namen gegeben haben, bei dem die Leute immer nachfragen: »Was? Wie? Cooper? Echt jetzt? So wie Mini Cooper?«, während Cooper bei all den Fragen blöd rumsteht und innerlich versteinert. Wenn einer stumm ist, sollte man ihn wenigstens Karl oder Paul nennen. Na ja, vielleicht wussten Coopers Eltern bei seiner Geburt ja nicht, dass ihr Sohn nicht reden wird. Denn er hat, glaube ich, genauso geschrien wie alle anderen Babys auch. Seine Stimme ist angeblich völlig in Ordnung. Darum ist Cooper auch nur so was Ähnliches wie stumm. In Wirklichkeit kann er reden, aber er tut es nicht. Frau Tja, unsere Klassenlehrerin, hat uns Cooper erklärt, bevor er von einer Förderschule neu zu uns in die Klasse gekommen ist. Sie heißt eigentlich Tatjana Hintertür und sagt an den blödesten Stellen im Leben »tja«. Wenn sich jemand richtig wehgetan hat zum Beispiel. »Tja, das kommt davon, wenn man immer so wild ist.« Oder wenn sie jemanden ganz zu Unrecht bestraft hat: »Tja, das kann schon mal passieren.« In der ersten Stunde nach den Ferien hat Frau Tja ein paar Mal ihre Hände geknetet und meinte: »Tja, der neue Junge wird nichts sagen. Da müsst ihr euch schon mal drauf einstellen. Aber er kann nichts dafür. Es ist wie eine Art Krankheit.« Das Wort »Krankheit« hat sie so ausgesprochen, als wäre es etwas sehr Wertvolles. Mindestens so wertvoll wie ihre Wildleder-Handtasche, die immer an einem Haken am Pult hängt, damit sie nicht den dreckigen Klassenboden berührt. Es hörte sich ein bisschen so an, als wäre sie stolz darauf, dass es sich bei Coopers Besonderheit um eine ärztlich anerkannte Sache handelt und nicht um schlechtes Benehmen. »Also ist der jetzt stumm oder was?«, wollte Kilian wissen. »Kann der gar nicht sprechen? So wie ein Kaninchen? Oder eine Schlange?« Frau Tja schien auf die Frage gewartet haben. Denn sie nickte ganz aufgeregt, obwohl sie die Frage dann mit »Nein« beantwortet hat. »Nein, eigentlich kann er sprechen. Aber er spricht zurzeit nur mit seinen Eltern. Und auch nur, wenn er mit ihnen alleine ist. Tja, das ist vollkommen in Ordnung so. Ihr braucht also nicht zu probieren, ob er vielleicht doch mit einem von euch spricht. Das macht für Cooper alles nur noch schlimmer.« Seltsam, dass etwas, das eigentlich »vollkommen in Ordnung« ist, auch »noch schlimmer« gemacht werden kann. Kein Wunder, dass einige aus unserer Klasse sich nicht mit Frau Tjas Antwort zufriedengeben wollten. Sie erfanden immer neue Situationen, in denen es besser wäre, wenn dieser Cooper doch den Mund aufmachen würde. Wenn er überfallen wird oder mal über Bord geht zum Beispiel. Wenn ihn jemand in einen Schrank sperrt, er ungerecht behandelt wird. »Kinder, Kinder«, meinte Frau Hintertür, die nur Fragen mag, auf die sie sich vorher eine tolle Antwort ausgedacht hat. Das war vor zwei Wochen. Seitdem sitzt Cooper neben mir. Und genau das ist auch der Grund, warum ich ihn nicht mag. Ich fühle mich total ungerecht behandelt. Und zwar seinetwegen. Und weil ich das noch nicht mal sagen darf, um nicht selber als ungerecht dazustehen. Nur, weil Cooper bei mir zu Hause nebenan wohnt, soll ich mich in der Klasse um ihn kümmern. Ich soll mit ihm zur Schule gehen, und in der Schule soll ich dann neben ihm sitzen, bis wir zusammen wieder nach Hause gehen können. Selbst Verheiratete müssen nicht so viele Dinge gemeinsam machen. Und die lieben sich wenigstens. Frau Tja meinte, es würde Cooper bestimmt guttun, wenn jemand ihm hilft, sich in der Schule zurechtzufinden. »Weißt du, Filippa, und dir tut das vielleicht auch mal ganz gut«, hat sie gemeint. Als ich sie angeguckt habe wie ein Kaninchen und eine Schlange gleichzeitig, hat Frau Hintertür mir zugezwinkert. »Tja, wegen deiner großen Klappe. Das gleicht sich dann vielleicht ein bisschen aus«, meinte sie. Das sollte wohl ein Spaß sein. Ich fand es allerdings kein bisschen witzig! Ich finde, Leute, die behaupten, man hätte eine große Klappe, haben selber eine. Das hätte ich ihr am liebsten gesagt. Und aus ihrer großen Klappe kommt auch immer noch so ein komischer Geruch raus. Genauer gesagt, Mundgeruch. Aber wenn ich das sagen würde, dann gäbe es bestimmt einen Eintrag ins Klassenbuch. Wegen Beamtenbeleidigung. Es ist so ungerecht, dass Lehrer einfach gemeine Witze machen dürfen und niemand bestraft sie dafür. Nicht mal der liebe Gott lässt ihre Handtaschen vom Haken rutschen oder macht, dass sie sich an einem ihrer vielen Tjas verschlucken. Ich soll also auch noch dankbar sein, dass ich diesen Schweiger neben mir habe. Ich glaube übrigens, dass ich Cooper kein bisschen guttue. Er interessiert sich noch nicht mal für mich. Meistens sieht er mich den ganzen Tag nicht an, selbst wenn ich ihn aus nächster Nähe beobachte. Cooper ist übrigens ein durch und durch unauffälliger Typ. Die nicht besonders blonden Haare, die nicht besonders blauen T-Shirts … Auf einem Klassenfoto wäre er der Letzte, den man entdeckt. Selbst seine Augen haben das blasse Blau von mittelmäßigem Wetter. Man könnte glauben, dass er am liebsten gar nicht da wäre. Aber durch sein Schweigen fällt er natürlich ständig auf. Zum Beispiel gestern, im Biounterreicht. Unser Biolehrer Herr Lamprecht, der aussieht wie ein fleischfarbener Frosch, war in den ersten zwei Wochen nach den Ferien krank und hat deswegen wohl vergessen, dass wir jetzt einen Schweiger in der Klasse haben. Man muss dazu sagen, dass viele von uns in Herrn Lamprechts langweiligem Unterricht vor sich hin dösen. Damit wir nicht ganz einschlafen, nimmt er immer mal jemanden dran, der sich gar nicht meldet. Das ist seine Art, Spannung zu erzeugen. Als mal wieder alle mit ihren eigenen Gedanken beschäftig waren, zeigte er plötzlich auf Cooper. »Da, der Neue da, was sagst du denn dazu?«, quäkte er und blies die Froschbacken ein bisschen auf. Cooper ist auf der Stelle versteinert, so wie die Säbelzähne und Schneckenhausabdrücke im Glasschrank hinter uns. Das konnte ich richtig spüren. »Er heißt Cooper und er kann nicht sprechen«, hab ich schnell für ihn geantwortet. In dem Moment erinnerte sich Herr Lamprecht wohl, dass er von dem beinah stummen Jungen in der Klasse schon gehört hatte. Jedenfalls wurde er rot, begann zu stottern, ruderte mit den Froschärmchen in der Luft herum und entschuldigte sich bei Cooper. Aber der hat trotzdem den Rest der Stunde als Stein verbracht. Komisch, eigentlich scheint Cooper sich doch sowieso für niemanden zu interessieren. Aber wehe, jemand sagt ein falsches Wort. Dann ist der Ofen aus. Die einzige Cooper-freie Zeit ist die Pause. Die verbringe ich immer mit Elli und seit Neuestem auch mit Linabell. Elli ist meine beste Freundin und Linabell ist uns eigentlich nur zugelaufen. Genauer gesagt läuft sie Elli jede Pause hinterher. Sie wurde in unsere Klasse strafversetzt, nachdem sie in der 5a zusammen mit Jasmin Hase den Bockmist ihres Lebens gebaut hatte. Die beiden waren beim Sport heimlich in die Umkleide der Jungs geschlichen und hatten Juckpulver in den Hosen verteilt. In der nachfolgenden Biostunde wollten dann sämtliche Jungs plötzlich aufs Klo oder nach Hause, was Herr Lamprecht gar nicht witzig fand. Und dass Lukas Krautwurst mit Tränen in den Augen meinte, er habe nach dem Sport »untenrum« eine schlimme Krankheit bekommen, hat die Situation der Jungs nicht verbessert. Herr Lamprecht, der sowieso immer befürchtet, reingelegt zu werden, hat einfach die Tür abgeschlossen und mit seinem Langweilerunterricht weitergemacht. Die Folge war, dass es durch den langen Juckpulverkontakt mit der Haut tatsächlich bei den meistens Jungs zu fiesen Ausschlägen gekommen ist. Irgendwie ist dann rausgekommen, wer für die Sache verantwortlich war, und Linabell wurde von Jasmin Hase getrennt. Jedenfalls im Unterricht. Dass Linabell nun auch in den Pausen nichts mehr von ihrer Komplizin wissen will, ist eigentlich komisch. Zumal Jasmin sich keine neue Freundin gesucht hat und uns seit drei Wochen mürrisch aus der Ferne beobachtet. Aber Linabell denkt gar nicht daran, das zu bemerken. Im Gegenteil, sie kümmert sich lieber um fremde Trauerklöße als um ihre ehemals beste Freundin. »Guck mal, dieser Cooper sitzt da hinten ganz alleine und sieht irgendwie traurig aus«, meint sie und schaut mich so an, als wäre ich für Coopers Glück zuständig. Wahrscheinlich wäre es ihr ganz recht, wenn ich auch noch Cooper-Pausendienst machen müsste. Dann hätte sie Elli ganz für sich alleine. Als ich einfach nicht antworte, winkt uns Linabell ein bisschen näher zu sich ran. Ich nehme an, sie will jetzt über Cooper lästern. Aber dann...