Fröhlich / Griesbach | Harte Bandagen. Die Mumien-Anthologie | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 244 Seiten

Fröhlich / Griesbach Harte Bandagen. Die Mumien-Anthologie


1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-95765-991-0
Verlag: p.machinery
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 244 Seiten

ISBN: 978-3-95765-991-0
Verlag: p.machinery
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



'Die Vergangenheit holt einen immer ein - egal, wie sehr man sich dagegen sträubt. Irgendwann kommt der Moment, in dem es nur noch eine Richtung gibt. Plötzlich ist man bereit, sich zu fügen, ist erleichtert, weil man endlich eine Entscheidung getroffen hat - die einzig Richtige.' Und er fragte: 'Worum geht's?' Die Antwort war: 'Mumien!' In seinem Hirn rasselte sofort eine Assoziationskette. Eine österreichische Mumien-Anthologie? Eine österreichische Mumien-Anthologie??? Die ersten Sätze, die ihm in den Sinn kamen, waren ... 'die Wickel mit den Wickel', ... 'willst mi wickeln' ... - und weitergedacht 'willst mi häkeln?' Beim zweiten Nachdenken dachte er sich jedoch: ?Wieso nicht? Das wird bestimmt ein Spaß.? Und er wurde nicht enttäuscht. Aus neununddreißig Geschichten suchten die Juroren die besten Arbeiten heraus, wobei 'die Besten' eine absolut subjektive Einteilung war und ist. Jede Geschichte ist eine Welt für sich und wert gelesen zu werden. Die vorliegenden Storys haben aber alles, was nötig ist, um Leserinnen und Leser zu fesseln.

Die 1967 in Marbella geborene Corinna Griesbach ist Autorin von Kurzgeschichten verschiedener Genres. Zu Thomas Fröhlich fehlen uns leider (noch) einschlägige Informationen.

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Sabrina Z?elezný: Palomas Lächeln
      Die Kühle und das Halbdunkel des Museums waren wohltuend, auch wenn Sergio einen Augenblick brauchte, um sich an die Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Die Straßen von Arequipa waren in gleißendes Sonnenlicht gebadet, verstärkt durch das Leuchten der hellen Kolonialhausfassaden. In die Schatten zu treten war wie der Übergang in eine andere Welt, zumal Sergio nun auch die Geräuschkulisse der Stadt – Motoren, nervöses Hupen, das Dröhnen von Salsarhythmen und Werbeansagen – hinter sich gelassen hatte. Im Museum herrschte nahezu vollkommene Stille, wenn man vom leisen Surren der Kühlanlagen einmal absah. Sergio blieb etwas unschlüssig im Eingangsbereich stehen und drehte seinen Hut zwischen den Fingern. Das hier war so etwas wie der Übergang zwischen zwei gegensätzlichen Welten, und er war nicht sicher, ob er diese neue Welt des Museums wirklich betreten wollte. »Kann ich Ihnen helfen?« Das Lächeln der Museumsassistentin war so perfekt einstudiert, wie es zweifellos auch all die Informationen waren, die sie auf Nachfrage zu den ausgestellten Dingen hätte zum Besten geben können. Sergio musste nicht genau hinsehen, um die bröckelnde Fassade hinter diesem Lächeln zu erkennen. Er wusste nur zu gut, was die junge Frau sah: Keinen hellhäutigen Touristen, von dem sie ein reichliches Trinkgeld erwarten konnte, sondern einen Mann des Hochlands, dessen Haut nicht nur von der Sonne so dunkel war. Bestimmt sah sie die Schwielen an seinen Händen, und vielleicht entdeckte sie trotz des schlechten Lichts die dunklen Ränder, die die Feldarbeit unter seinen Fingernägeln hinterlassen hatte. Für dieses adrette Mädchen mit Hosenanzug und dezentem Make-up war er wirklich ein Fremdkörper aus einer anderen Welt, den sie nur deshalb nicht einfach aus dem Museum schicken konnte, weil die Regeln der Höflichkeit es verboten. Sergio lächelte zurück und fasste die Krempe seines Hutes fester. »Das ist möglich, Señorita. Ich habe eine Verabredung mit dem Professor Otero. Ist er hier?« Sie musterte ihn jetzt unter deutlich hochgezogenen Augenbrauen hervor von Kopf bis Fuß, als erwöge sie, ihn direkt der Lüge zu bezichtigen. Sergio wusste ja selbst, dass es nicht zusammenpasste: Er, dessen Art zu sprechen die Spuren der Quechuasprache an sich trug wie Erdklumpen an der Kleidung, wollte einen der angesehensten Archäologen der Stadt Arequipa treffen. Es war absurd. »Sagen Sie mir Ihren Namen?« »Sergio Pumacahua. Er muss Bescheid wissen. Wir sind wirklich verabredet.« Die Museumsassistentin nickte knapp, schenkte ihm noch einen letzten skeptischen Blick und drehte sich dann um. Die Pfennigabsätze ihrer Schuhe klapperten auf dem Boden und durchbrachen die fast weihevolle Stille. Sergio atmete tief durch. Noch konnte er kehrtmachen und zurück in das hektische Treiben flüchten, von dem das Stadtbild bestimmt wurde. Er konnte sogar noch weiter gehen und das nächste Sammeltaxi nehmen, das zurück nach Hause fuhr – hinaus aus der Stadt, vorbei an Kartoffel- und Zwiebelfeldern. Aber das wäre keine Lösung gewesen, und er wusste es. Daheim wartete nichts außer Elsa, die in den trägen Schatten der Küche auf ihre gefalteten Hände starrte, und die chacra, das kleine Feld, das Stückchen Erde, das seit Monaten unter der unbarmherzigen Sonne schmorte und nichts hergab außer Staub, wenn Sergio bedächtig hindurchstapfte. Es gab kein Zurück. Professor Otero war seine letzte Hoffnung. Absatzklappern kündigte die Rückkehr der jungen Frau an. Sie wirkte ein wenig unbehaglich, als sie Sergio zunickte. »Er ist im Hauptraum. Bei der Vitrine mit der Mumie. Sie können ihn nicht verfehlen.« »Danke, Señorita«, sagte Sergio, deutete eine leichte Verbeugung an und folgte dem Fingerzeig der Museumsassistentin. Wahrscheinlich hätte er den Professor auch ohne Nachfrage gefunden. Es befanden sich kaum Besucher in diesem Raum, und die Vitrine war eindeutig dazu da, alle Blicke auf sich zu ziehen. Im matten Schimmer der Innenbeleuchtung kauerte dort der Grund, warum das Museum sich zu den meistbesuchten Sehenswürdigkeit Arequipas zählen durfte: die Knie angezogen, die Arme vor der Brust angespannt, schwarze Locken, die ein Gesicht umkringelten, das auf ewig in einem morbiden Lächeln erstarrt war. »Juanita.« Der Mann, der diesen Namen so feierlich aussprach, konnte niemand anders sein als Professor Otero. Hochgewachsen, mit einem Anzug und einem ordentlich gestutzten Bart, stand er neben der Vitrine und löste seinen Blick nicht von der Mumie darin, als Sergio näherkam. »Die Prinzessin des Ampato-Vulkans, das Mädchen aus dem Schnee. Das Juwel unseres Museums.« Sergio räusperte sich. »Professor …?« Der Professor lächelte der Mumie zu, als müsse er ein wichtiges Gespräch mit ihr nun Sergios wegen unterbrechen, und sah endlich auf. »Pumacahua, nehme ich an.« Es war keine Frage. Sergio nickte. »Es ist eine große Ehre für mich, Professor. Ich bin sehr dankbar, dass Sie sich die Zeit genommen …« »Reden wir nicht um den heißen Brei herum«, unterbrach Professor Otero ihn, schob beide Hände in die Hosentaschen und musterte ihn. Es war nicht die Art und Weise, wie ihn die junge Frau eben einer eingehenden Prüfung unterzogen hatte. Otero suchte nach etwas, und Sergio war nicht sicher, ob der Professor es in ihm wirklich finden würde. »Sie kennen die Berge, Pumacahua?« Sergios Fingerkuppen schmerzten, so tief grub er sie in die steife Hutkrempe. »Ich denke schon, Professor. Ich komme von dort. Mit den Bergen bin ich aufgewachsen.« »Gut. Sie sind mir aus diesem Grund empfohlen worden.« Otero holte Luft und starrte nun wieder auf die Mumie. So unhöflich Sergio es zuerst gefunden hatte, dass der Archäologe ihn nicht direkt ansah, so dankbar war er jetzt, dass Otero seinen Blick wieder abgewandt hatte, zu unbehaglich fühlte er sich darunter. »Ihnen ist bekannt, wo Juanita gefunden wurde?« Sergio schluckte trocken. »Auf dem Gletscher des Ampato-Vulkans.« »Und Ihnen ist sicherlich ebenfalls bekannt, was sie für Arequipa bedeutet: Tourismus, Einnahmen und Prestige. Dabei mussten wir hart darum kämpfen, dass Juanita zurück zu uns kommt. Die Gringos hatten sie in die Vereinigten Staaten geschafft, ließen sie wie einen Popstar um die Welt touren und wollten sie fast nicht mehr herausrücken.« Otero schnaubte verächtlich. Sergio wartete. Der Professor konnte ihn nicht herbestellt haben, um mit ihm über die allseits bekannte Geschichte der Mumie Juanita zu sprechen. Schließlich nahm Otero ihn wieder fest in Augenschein. »Ich mache es kurz, Pumacahua. Es gibt Gerüchte, dass dort oben noch weitere Mumien zu finden sind.« »Sie meinen … auf dem Ampato?« Das Nicken fiel knapp und beinahe unwillig aus: »Nein, auf dem Turm der Kathedrale. Natürlich auf dem Ampato, verdammt! Ich versuche, Mittel für eine Expedition zu bekommen. Aber die Universität stellt sich quer. Das Kulturministerium sowieso.« Ein verächtliches Lächeln zuckte über das Gesicht des Archäologen. »Und das Schlimmste ist, ich weiß aus sicherer Quelle, dass die Gringos selbst eine neue Expedition planen.« »Das Schlimmste?«, fragte Sergio scheu. »Aber könnten Sie nicht bei dieser …?« »Als Peruaner? Machen Sie sich nicht lächerlich. Wenn die jemanden von hier holen, dann einheimische Bergsteiger, weil die die Wege kennen und billiger sind. Aber einen Archäologen werden sie nie im Leben da ranlassen. Akademischer Futterneid, lassen Sie sich das gesagt sein.« Oteros Augen blitzten. »Ich werde nicht zulassen, dass diese amerikanischen Aasfresser kommen und uns einmal mehr unser Kulturgut entführen. Meine Expedition wird zuerst am Ampato sein. Doch damit ich die Mittel bekomme, brauche ich handfeste Beweise, dass es etwas zu finden gibt.« Er holte tief Luft. »Hier kommen Sie ins Spiel, Pumacahua.« Sergio blinzelte. Er war nicht sicher, dass er wirklich verstand. Otero machte eine ungeduldige Handbewegung. »Sie kennen geheime Trampelpfade und weiß der Geier was. Ich will, dass Sie da hochgehen und fotografieren, was Sie finden. Bringen Sie mir meine Beweise.« »Und wenn ich dort nichts finde?«, flüsterte Sergio. Er wusste es nicht genau, aber er war der Überzeugung, dass die bisherigen archäologischen Expeditionen gründliche Arbeit geleistet haben mussten. »Sie werden dafür sorgen, dass Sie etwas finden.« Ein beinah wölfisches Lächeln spielte um Oteros Lippen, als er demonstrativ nach seinem Portemonnaie fingerte. »Es soll Ihr Schaden nicht sein, Pumacahua. Sind Sie dabei?« Sergio starrte auf das Scheinbündel, das in Oteros Hand erschienen war. Er hatte nie viel für Archäologen übrig gehabt. Es stimmte, dass er mit den Bergen aufgewachsen war, und wenngleich er sich hütete, das vor Otero zu erwähnen, hatte er doch eine sehr klare Meinung zu ihnen. Sie waren nicht einfach nur markante Landschaftsformationen, die man mit geologischen Analysen und Messungen komplett erfassen konnte. Sie waren die alten Schutzherren dieses Landes, und Sergio war damit aufgewachsen, ihnen seinen Respekt...



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