E-Book, Deutsch, Band 3124, 64 Seiten
Reihe: Perry Rhodan-Erstauflage
Fröhlich Perry Rhodan 3124: Wo die Äonenuhren schlagen
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-8453-6124-6
Verlag: Perry Rhodan digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Chaotarchen-Zyklus
E-Book, Deutsch, Band 3124, 64 Seiten
Reihe: Perry Rhodan-Erstauflage
ISBN: 978-3-8453-6124-6
Verlag: Perry Rhodan digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Autoren/Hrsg.
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Krieger wird man nicht, indem man sich so nennt. Krieger wird man, indem man wie einer handelt. (Zweite Erkenntnis aus dem Kanon der Gen-Cluster) 1. Ein unscheinbares Knirschen Das Leben könnte echt schön sein, wenn wir nicht im Chaoporter gefangen wären, dachte Anzu Gotjian. Sie hielt sich mit ihren Begleitern, dem Haluter Bouner Haad und dem Cyborg Tondar, im Gehöft der Bußfertigkeit auf, und die Navakan hatten sie vor einer Stunde freigesprochen. Anzu lehnte mit dem Rücken gegen eine Säule und gönnte sich ein wenig Ruhe. Einige Schritte vor ihr standen Schüsseln auf dem Boden, gefüllt mit Porla-Brei, einer gelblichen Masse, in der vereinzelte schwarze Punkte schwammen. Wie sie inzwischen wusste, sättigte das Zeug immerhin. Hunger: null, Porla: eins. Und dafür, dass es das Hauptnahrungsmittel von zwei Meter langen intelligenten Würmern war, schmeckte es nicht einmal übel, nämlich nach nichts. Der vage schildkrötenartige Cyborg Tondar aß bereits. Er saß auf dem Boden, die Beine übereinandergeschlagen, den Rückenpanzer leicht nach hinten geneigt. Zwei seiner Arme stützten ihn rechts und links, einer hielt die Schüssel, der vierte schaufelte in atemberaubender Geschwindigkeit mit einem improvisierten Löffel Brei in den kleinen Mund. Anzu und Bouner hatten ihn zunächst für einen Feind gehalten, mittlerweile war er ein Verbündeter, wenn nicht sogar ein Freund. Gleiches galt für die Wurmwesen, die Navakan, die versprachen, sie nun, nach dem Freispruch, zu unterstützen. Also lief alles gar nicht so übel. Verbündete mitten im Feindesland zu finden, war ein guter Anfang. Es hätte weitaus schlimmer kommen können. Negativ schlug zu Buche, dass sie jederzeit mit einem neuen Angriff der Parxen rechnen mussten, diesen ebenso eigenartigen wie kampfstarken Wesen in ihren metallglänzenden Robotkörpern. Diese Gefahr verblasste allerdings angesichts der Vorstellung, dass sie im Chaoporter festsaßen, in FENERIK, dem havarierten Chaotarchenfahrzeug, das angeblich die Ursache einer Menge Probleme war und noch werden würde. Und trotzdem gab es so viele positive Entwicklungen, dass das Leben eigentlich hätte schön sein können. Aber wie so oft, wenn man annahm, man bekäme die Dinge langsam in den Griff, dachte sich das Universum, das Schicksal oder wer-und-was-auch-immer ein neues Schelmenstück aus. Es begann völlig harmlos mit einem leisen Knirschen. Beim vorletzten Schritt auf dem Weg zur Porla-Schüssel zermalmte Anzu etwas unter dem linken Fuß. Sie hob ihn an und sah das zerbrochene Fläschchen auf dem Boden. Eine kaum sichtbare, feine Wolke stieg davon auf. Nein! Das durfte nicht wahr sein! Anzu hastete rückwärts, um nichts von dem Dampf einzuatmen, aber es war zu spät. Es roch penetrant süß, vermischt mit einem harzig-herben Duft, wie nach einem abgestorbenen Baumstamm, in dessen Höhle ein Tier verrottete. So also stank die Droge Saphna, in der die Navakan sechsdimensionale Spurenelemente aus ihrem eigenartigen Himmel verarbeiteten. Das Mittel, das sie aus apathischen, unfassbar langsamen Wesen in aufgeputschte Krieger verwandelte. Anzus Herz schlug schneller. Sie atmete aus, immer weiter aus, um das Zeug aus ihrer Nase und Lunge zu bekommen. Sie wollte seine Wirkung nicht spüren, zumal es keinerlei Erfahrungswerte gab, wie es auf Terraner wirkte. Vielleicht fiel sie in wenigen Sekunden tot um. Ganz davon abgesehen hasste sie Drogen, und sie verspürte nicht die geringste Lust auf die Erfahrung, wie ... Zu spät! Etwas überflutete ihr Gehirn wie eine brausende Welle. Sie konnte kaum atmen, aber nicht, weil sie keine Luft mehr bekam, sondern weil zu viel Luft in sie einströmen wollte. Alles ging mit einem Mal rasend schnell. Oder nahm sie es nur schärfer als sonst wahr, auf bizarre Weise überdeutlich? Die Scherben glitzerten, und Anzu glaubte, das Licht darauf singen zu hören. Sie zwang sich, ruhig zu bleiben. Versuchte es zumindest. Nicht gerade einfach, wenn irgendein Zeug den Körper überflutete und das Unterste zuoberst kehrte. Das Innere nach außen. Eine Droge mit sechsdimensionalen Bestandteilen ... Anzus Phantasie war lebhaft genug, um sich vorstellen zu können, was ein solcher Stoff anzurichten vermochte! Sie rannte los, in acht, neun Richtungen gleichzeitig, und blieb doch stehen. Der Innenraum des Gehöfts der Bußfertigkeit bot zwar einigen Platz, aber nicht, um mit einem Spurt die überschüssige Energie loszuwerden. »Anzu?«, hörte sie. Das war Tondar, der Angler, der Krieger aus dem Gen-Cluster Sieben, der einst selbst von außen in FENERIK geholt worden war, und der ... Egal!, schrie sie in Gedanken. Es spielte keine Rolle, aber auch ihr Verstand arbeitete rasend schnell, bombardierte sie mit Informationen, mit allem, worauf er nur zuzugreifen vermochte. Ging es den Navakan so, wenn sie Saphna nahmen? Falls ja, wie kamen sie damit zurecht? Lernten sie es von Anfang an, wie ein Terraner laufen und reden und schwimmen lernte, bis er diese Bewegungen völlig selbstverständlich beherrschte? Dann, dachte Anzu, konnte sie gut nachvollziehen, dass die Wurmwesen den Rest ihres Lebens, sobald sie nicht unter dem Einfluss der Droge standen, in Ruhe, Langsamkeit und Apathie verbringen wollten, um einen Ausgleich zu schaffen. Sie sah Tondars Rückenpanzer. Sein faltiges Gesicht. Den Schrumpelmund. »Beruhige dich!« Das sagte sich leicht, wenn man nicht selbst betroffen war. Und erst recht, wenn man keine Paragabe hatte, die sich gerne ungefragt zu Wort meldete und alles – gelinde gesagt – durcheinanderbrachte. Mit der man Dinge sah, die in so weiter Entfernung lagen, dass man sie auf natürliche Weise nicht sehen konnte. Eine Gabe, die man nicht vollständig beherrschte. Eine, die von der Droge aufgeputscht zuschlug. Die einem die Augen öffnete. Die einen sehen ließ, was man auf keinen Fall sehen wollte. * Anzu sieht durch die Außenwand des Gehöfts, hinauf in den schwarzen Himmel, über den die ewigen Blitze wandern. Wenn sie mit ihrer Gabe sieht, kommt es gelegentlich vor, dass sie manches über die Dinge weiß, die sie erblickt. Einzelheiten, die sie gar nicht wissen kann. So ist ihr zwar bekannt, dass der Lebensbereich der Navakan, in dem sie sich aufhalten, nur eine von vielen Welten ist, die in ihrer Gesamtheit den Randbereich des Chaoporters bilden. Sie weiß auch, dass sich diese einzelnen Welten auf höherdimensionaler Ebene schlauchförmig winden und verbinden. Aber bislang hat sie nur ein einziges Mal von einem Volk gehört, das einen Weg durch den dunkelflächigen Himmel gefunden und die Blitze als Portal in einen neuen Lebensbereich genutzt hat: die Lerka. Einen dieser kleinen Insektoiden hat sie getroffen, Krarek, und er hat es ihr berichtet. Nun blickt Anzu wie durch ein Fenster in deren Heimat. Sie schaut aus gewaltiger Höhe hinab auf eine gänzlich andere Welt, auf einen wild wuchernden Dschungel, über dessen dampfenden Gipfeln Vögel mit breiten Schwingen fliegen. Sie treiben majestätisch in der Thermik. Ihre Schnäbel öffnen sich zu krächzenden Rufen. Die Flügel schillern dunkelrot, und ein Muster aus schwarzen Linien wirkt wie ein Auge, das beständig nach oben starrt. Anzu weiß, dass dieses Gefilde der Lerka nebenan liegt, aber gleichzeitig weit entfernt, mit vielen Welten dazwischen, denn die Schläuche winden und verknüpfen sich nicht nur in drei Dimensionen. Welch ein unverständliches, herrliches, bizarres, abstoßendes Kunstwerk: der Rand des Chaoporters FENERIK! Der Saum beherbergt etliche Völker, deren Sphären abdriften, bis sie eines Tages herauskippen und zurückbleiben. Einen Gedanken lang versucht Anzu, noch weiter zu gehen. Sie will mit ihrem Fernblick FENERIK verlassen und einen Blick von außen auf das gesamte monströse Gebilde erhaschen, doch die Angst siegt über die Neugierde, sogar in ihrem vom Saphna aufgeputschten Verstand. Stattdessen sinkt sie tiefer, den Vögeln entgegen, lässt sich für einen Moment mit ihnen treiben, fühlt den Luftzug ihres Schwingenschlags, und ein Frösteln rinnt vom Nacken aus den Rücken hinunter. »Anzu«, hörte sie, und diesmal war es der Haluter Bouner Haad, ihr Freund, der sie beschützte, seit sie von der RAS TSCHUBAI hinweggerissen worden waren, hinein in die fremden Welten des Chaoporters. »Warte«, sagte sie oder dachte es nur, während ihre Fernsicht die Wipfel der Dschungelriesen durchbrach und tiefer sank. Ein Tier sitzt auf einem Ast. Drei Augen, kugelrund, mit roten Iriden und irritierend weißer Pupille, glotzen sie an – nein, nicht sie, denn das Geschöpf kann Anzu nicht sehen. Es starrt auf einen Artgenossen, der es mit weit geöffnetem Maul im pelzigen Gesicht anspringt, vier Pfoten ausgestreckt. Anzus Blick erreicht den Boden. Insektoiden wandeln darauf. Sie eilen geschäftig hin und her, Lasten auf ihre Chitinpanzer gebunden. Wie gerne würde Anzu sie ansprechen, ihnen mitteilen, dass Nachfahren der mutigen Abenteurer, die den Weg in eine andere Welt gesucht und gefunden haben, noch immer leben, und dass es ihnen gut ergeht. Aber natürlich kann sie nicht reden; sie sieht und sie versteht, doch ihre Gabe erlaubt es nicht, sich mitzuteilen. Einige Meter entfernt führt eine Öffnung im Boden in eine Höhle. Es geht auf einem...