E-Book, Deutsch, 308 Seiten
Gabler Mehr Demokratie wagen
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7597-7377-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Sich wehren gegen zunehmende Gefahren für die Demokratie
E-Book, Deutsch, 308 Seiten
ISBN: 978-3-7597-7377-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Seit meiner Jugend interessiere ich mich für gesellschaftspolitische Fragen. Nach meinem Ausscheiden aus meiner beruflichen Tätigkeit konnte ich mich diesen Fragen intensiver widmen. Als Corona im Jahr 2020 begann und die Gesellschaft erschütterte, stellte ich fest, dass dadurch die Schwächen unserer Demokratie sichtbar wurden. Aufgrund des Erstarkens der AfD, internationaler Entwicklungen und des Kriegs Russlands gegen die Ukraine wurde immer deutlicher, dass die Gefahren für die Demokratie zunahmen und damit die Notwendigkeit, sich gegen diese Gefahren zu wehren. So entstand dieser Text.
Hartmut Gabler wurde 1940 in Stuttgart geboren. Nach dem Studium an der Sporthochschule Köln und an den Psychologischen Instituten in Köln und Tübingen war er von 1966 bis 1977 als Assistent und Akademischer Rat und von 1977 bis 2005 am Institut für Sportwissenschaft der Universität Tübingen als Professor für Sportwissenschaft mit dem Schwerpunkt Sportpsychologie tätig.
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2. Die Basis der Demokratie in Deutschland
Wie kam es zur Entstehung der Demokratie? Sie wurde in Deutschland trotz Rückschlägen immer wieder hart erkämpft. So gab es bereits im Jahr 1848/49 in vielen Ländern Europas revolutionäre Bewegungen mit dem Ruf nach Freiheit, gegen die Unterdrückung durch die Herrschenden, für Meinungs- und Pressefreiheit, gegen Polizeigewalt und für Mitsprache. In Deutschland führte die „Märzrevolution“ zu einer verfassungsgebenden Nationalversammlung, die in der Paulskirche in Frankfurt/M zusammentrat. Das vorläufige Parlament des Deutschen Reichs tagte vom Mai 1848 bis zum Mai 1849. Als Folge der „Novemberrevolution“ 1918/19 in der Endphase des Ersten Weltkriegs wurde die Monarchie gestürzt. Es entstand die erste parlamentarische Demokratie. Sie dauerte von 1918 bis zur nationalsozialistischen Machtübernahme 1933. Nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg teilten sich die Siegermächte Frankreich, Großbritannien, Sowjetunion und USA die Hoheitsgewalt in vier Zonen auf. Aus der sowjetisch besetzten Zone entstand die DDR. Im Auftrag der drei westlichen Besatzungsmächte erarbeitete der in Bonn tagende Parlamentarische Rat das Grundgesetz, das bis heute gültig ist. Die zentralen Staatsprinzipien sind: Demokratie, Republik, Sozialstaat und Föderalismus. Die Basis des Grundgesetzes ist die Gewaltenteilung (Legislative, Exekutive und Judikative). In der Deutschen Demokratischen Republik („DDR“) wurde die Demokratie nicht eingeführt. Es handelte sich deshalb nicht um einen demokratischen Staat, auch wenn sich die DDR als demokratische Republik darstellte, sondern um ein undemokratisches politisches System, in dem es keine Gewaltenteilung und keinen Rechtsstaat gab. Am 17. Juni 1953 kam es zu einem Volksaufstand, in dem u.a. freie Wahlen gefordert wurden. Der Aufstand wurde durch die sowjetische Besatzungsmacht gewaltsam niedergeschlagen. Am 9. Oktober 1989 fand allerdings, von Leipzig ausgehend, eine friedliche Revolution mit der Parole „Wir sind das Volk“ statt. Sie führte zum Fall der Berliner Mauer und damit zur politischen Wende sowie zur Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten. Damit war die Demokratie in ganz Deutschland verankert. Die Demokratie in Deutschland ist inzwischen im Vergleich zu anderen Ländern in der EU stabil. Allerdings zeigt sich seit einiger Zeit, dass sie zerbrechlich und vielfältigen Gefahren, die entschieden bekämpft werden müssen, ausgesetzt ist. Der Artikel 20 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland lautet: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“ Ein zentrales Merkmal der Demokratie ist, wie bereits erwähnt, die Gewaltenteilung. Dementsprechend wird zwischen der Gesetzgebung (Legislative), der Gesetzesausübung (Exekutive) und der Rechtsprechung (Judikative) unterschieden. Die Demokratie besteht nicht nur aus Wahlen, denn auch rechtsgerichtete Politiker, wie z.B. Erdogan und Orban, kamen durch Wahlen an die Macht. Ihnen geht es jedoch in erster Linie um die Erhaltung der Macht. Eine liberale Demokratie basiert vielmehr auf Freiheiten, wie die Meinungs- und Pressefreiheit, auf einer unabhängigen Justiz, auf Menschenrechten und Minderheitenschutz sowie vor allem auf Bürger, die bereit sind, die demokratischen Prinzipien und Institutionen zu verteidigen, d.h. auch, nicht einzelne Personen als Machthaber zu akzeptieren. Denn in einem autoritären Staat kann eine einzelne Person zu absoluter Macht gelangen, wie dies am Beispiel Russland und China der Fall ist. Die Legislative wird durch die Regierungen und Parlamente auf der Bundes- und Landesebene sowie durch die politischen Akteure, die an den politischen Entscheidungen mitwirken, bestimmt. Sie organisieren sich in Parteien, politischen Organisationen und Bewegungen. Die Exekutive besteht darin, dass die Verwaltungsbehörden des Bundes, der Länder und der Kommunen sowie andere Institutionen die Gesetze und Verordnungen umsetzen. Dieser Teil der Staatsgewalt wird im folgenden lediglich im Hinblick auf das Thema Polizei und Bürokratie beschrieben. Die Judikative macht schließlich den Rechtsstaat aus. Im Rechtsstaat dürfen die Regierung auf der Bundesebene und die Regierungen auf der Landesebene sowie die entsprechenden Behörden nur handeln, wenn dies den gesetzlichen Bedingungen entspricht. Dem Artikel 20 des Grundgesetzes folgend wird zudem die Staatsgewalt gemeinsam vom Bund und den Ländern ausgeübt. Dieses Prinzip der vertikalen Staatsorganisation kommt im Föderalismus zum Ausdruck. Das heißt, der Staat ist in die Bundesländer, Regierungsbezirke, Landkreise und Kommunen untergliedert. Häufig werden die öffentlichen Medien als „Vierte Gewalt“ bezeichnet. Sie sind die Basis der öffentlichen Kommunikation. Sie sollen über das politische Geschehen berichten, zur Diskussion politischer Fragen beitragen und die Politik durch Zustimmung oder Kritik kontrollieren. In zunehmendem Maß basieren die sozialen Medien eher auf einer privaten als auf einer öffentlichen Kommunikation. Legislative
Parlamente und Regierungen. Die Legislative erfolgt durch die Parlament, d.h. durch den Bundestag und durch die Landesparlamente. Der Bundestag ist für die Gesetzgebung auf Bundesebene und für die Kontrolle der Bundesregierung zuständig. Der Bundeskanzler und die Bundesminister, die vom Bundespräsidenten ernannt werden, bilden die Regierung. Die Landesregierungen sind für die länderspezifischen Vorhaben und Entscheidungen in ihrem jeweiligen Bundesland zuständig. Aktuell stehen die Regierungen und die Parlamente vor großen Aufgaben wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg: Klimawandel, Krieg in der Ukraine, Energiekrise, Transformation der Industrie, wirtschaftliche Entwicklung, Migrationskrise, geopolitische Veränderungen. Bei der Bundestagswahl 2021 stellten die 18- bis 29-Jährigen der potenziellen Wähler nur noch 14 Prozent. Auf der anderen Seite nimmt die Zahl der Senioren zu. 38 Prozent der Wähler waren über 60 Jahre alt. Die Älteren tendieren jedoch eher zum Status quo als zu fortschrittlichen Veränderungen. So ist z.B. der Reformdrang der Jüngeren hinsichtlich des Klimawandels wesentlich größer. Bei der Europawahl 2024 dürfen erstmals 16-Jährige wählen. Dies ist zum einen positiv zu bewerten, da sich angesichts der großen Zahl an älteren Wählern nun auch junge Wähler am politischen Geschehen beteiligen können. Andererseits birgt dies auch Risiken. Denn auf Instagram und TikTok werden gezielt Fakes, Hetze und Falschmeldungen verbreitet. Die Wahlbeteiligung auf Bundesebene nimmt derzeit kontinuierlich ab, das heißt, die Zahl der Nichtwähler nimmt zu. Das Wahlsystem ermöglicht, dass der Bundestag aufgebläht wurde, weil Überhangmandate einer Partei mit Ausgleichsmandaten zu kompensieren sind. Die Bundestagswahl 2021 ergab ein Parlament von 736 Mitgliedern. Unabhängig von der finanziellen Belastung stellte sich die Frage, ob dieses weltweit größte Parlament noch voll funktionsfähig ist. Deshalb wurde 2023 nach jahrelangem Streit eine Wahlrechtsreform beschlossen, so dass das Parlament auf 630 Abgeordnete verkleinert wurde. Die Überhang- und Ausgleichsmandate fallen weg. Nach wie vor gilt die Fünf-Prozent-Klausel. Zudem wird die Frage diskutiert, ob auch das Wahlalter auf der Bundesebene auf 16 Jahre herabgesenkt werden soll. Abgeordnete. Zunächst stellt sich die Frage, ob die Amtszeit auf vier Jahre begrenzt bleiben soll, denn die Zeit zwischen den üblicherweise notwendigen Koalitionsverhandlungen nach der Wahl und dem Wahlkampf vor der nächsten Wahl ist relativ kurz. Grundsätzlich sind Politiker nur auf eine bestimmte Zeit gewählt. Diese Frage ist auch mit der Frage verbunden, ob die politische Elite, also die Parlamentarier, noch „Volksvertreter“ im engen Sinn sind. So sind z.B. im Bundestag 40 Prozent der Mitglieder der SPD Akademiker, in der Bundestagsfraktion der SPD sind es sogar 90 Prozent. Den Parteien fällt es zunehmend schwer, junge Bürger zur Mitarbeit zu finden. Politische Ämter werden häufig von Politikern angestrebt, die an kurzfristigen Erfolgen interessiert sind, das heißt, langfristige und nachhaltige Ziele sind weniger attraktiv. Hinzu kommt, dass viele Politiker, die auf der unteren politischen Ebene neben ihrer beruflichen Tätigkeit einsteigen, danach ihr Mandat zum Beruf machen. Dies trifft vor allem dann zu, je mehr sie die Leiter auf die oberen Ebenen emporsteigen. Dies birgt die Gefahr, dass manche Spitzenpolitiker an ihren Sesseln kleben, weil ihr Mandat zum Beruf geworden ist und ihnen eine Rückkehr zum vorherigen Beruf schwer fällt. Die Verberuflichung ihres Mandats birgt auch die Gefahr, dass sie ihre Unabhängigkeit verlieren, wenn sie das Karrierestreben an erster Stelle vor ihren politischen Überzeugungen und vor der Vertretung der Interessen der Bürger, die sie gewählt haben, stellen. Dies kann auch z.B. dazu führen, dass bei der...