Gennerich / Göppel | Die Jugendlichen und ihr Verhältnis zu Glaube, Religion und Sinnsuche | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 191 Seiten

Gennerich / Göppel Die Jugendlichen und ihr Verhältnis zu Glaube, Religion und Sinnsuche


1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-17-030330-0
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 191 Seiten

ISBN: 978-3-17-030330-0
Verlag: Kohlhammer
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Das Jugendalter weist eine besondere Disposition für Fragen des Glaubens, der Religion und des Lebenssinns auf. Um die Bedeutung von Glaube, Religion und Sinnsuche der Jugendlichen für den pädagogischen Diskurs zu erschließen, klärt der Band zentrale Begriffe und behandelt das Verhältnis von Religion und Werten, religiöse Entwicklung und die Bedeutung von Religion für die Emotionsregulation. Außerdem werden die religiösen Einstellungen Jugendlicher - abhängig vom Lebensalter, in einem historischen Rückblick im Vergleich zu heute sowie im internationalen Vergleich - aufbereitet. Mit einem besonderen Gewinn für die Förderung Jugendlicher beschreibt der Band die Sinnkonstruktionen der Jugendlichen anhand von vier Lebensstiltypen, die sich in ihrer Akzeptanz religiöser Semantiken wie auch in der Komplexität ihres Weltzugangs unterscheiden.
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3 Allgemeine empirische Befunde, Entwicklungen im Jugendalter und gesellschaftlich-kulturelle Veränderungen
Dieses Kapitel gibt einen vierfachen Überblick zum Verhältnis von Jugend und Religion. (1) Es werden aktuelle Einstellungen Jugendlicher zum Themenfeld Glaube, Religion und Sinnsuche berichtet. (2) Entwicklungen im Verlauf des Jugendalters als biographischer Ort einer Neubestimmung des eigenen Verhältnisses zur Religion werden dokumentiert. (3) Orientierungen deutscher Jugendlicher im internationalen Vergleich schärfen im dritten Abschnitt das Bewusstsein für die kulturelle Bedingtheit des adoleszenten Verhältnisses zur Religion. (4) Schließlich werden für Deutschland die religionskulturellen Veränderungen bezogen auf das Verhältnis von Jugend und Religion beginnend mit der ersten Shell-Jugendstudie von 1953 bis heute analysiert. 3.1 Einstellungen zu Glaube, Religion und Sinnsuche im Jugendalter
Der folgende Überblick nutzt unterschiedliche Datensätze zu den Einstellungen über Religion, Glaube und Sinnsuche im Jugendalter. Instruktiv ist dabei die Analyse der Zustimmungsgrade zu den auswählten Items. Jedes Item repräsentiert dabei eine unterschiedliche Vorstellung, zu der sich die Befragten positionieren. Es zeigt sich dabei, dass häufig die Semantik des Items bedeutsamer ist als das jeweilige Erhebungsjahr der betreffenden Studie. Es werden daher auch ältere Studien genutzt, um die Einsichten zum Themenfeld der Religion zu schärfen. Glaube Der Begriff des Glaubens kennzeichnet eine Sinnkonstruktion, bei der Menschen häufig auf den Begriff »Gott« zurückgreifen. Dem Glaubensverständnis Jugendlicher kann man sich daher nähern, indem man nach ihren Gottesbildern fragt. Es ist daher zunächst eine Frage, was sich Jugendliche überhaupt zum Wort »Gott« vorstellen. Eine erste Annäherung an diese Frage ist mit einer Studie von Jörns (1997; Jörns & Großeholz, 1998) möglich, der Berliner Jugendliche differenziert nach ihrem Gottesbild fragte. Das Ergebnismuster der Jugendlichen in Tabelle 3.1 repräsentiert ein Gottesbild, das deutlich den eigenen Bedürfnissen zu entsprechen scheint: Gott ist primär für die Reichen da und wird als gütig, vergebend und mütterlich in Kombination mit dem Attribut der Allmächtigkeit beschrieben. Wenig Zustimmung findet die Vorstellung eines strengen, zerstörerischen, ängstigenden und sexfeindlichen Gottes. Schweitzer et al. (2018, S. 78) fragen 2015 danach, was Gott oder das Göttliche für die Jugendlichen persönlich ist. Am meisten Zustimmung erfahren die Items »etwas, das Sicherheit gibt« (49?%) und »jemand, zu dem man sprechen kann« (47?%), wohingegen die Kategorien »die Natur« und »eine Energie« mit 29?% am wenigsten Zustimmung erfahren. Auch hier spiegelt sich der Sachverhalt, dass Gott mit positiven Funktionen bezogen auf die eigenen Bedürfnisse beschrieben wird und abstrakte non-personale Kategorien weniger überzeugend erscheinen. Tab. 3.1:Gottesbilder von 17- bis 19-Jährigen in der Studie von Jörns – prozentuale Verteilung bei bipolaren Begriffsangeboten (N = 278; 199?–?208 Befragte haben sich jeweils für eine der drei Kategorien entschieden; eigene Berechnung*) Pol 1 beides Pol 2 streng – liebevoll 7 36 57 rächend – gütig/vergebend 33 5 62 zerstörerisch – schöpferisch 5 60 35 väterlich – mütterlich 26 6 68 allmächtig – ohnmächtig 61 8 31 tröstend/nah – unbeteiligt/fern 42 19 39 einengend – befreiend 11 45 44 sexfeindlich – sexfreundlich 8 37 55 ängstigend – beruhigend 6 57 37 für die Armen da – für die Reichen da 13 3 84 Verschiedene Aspekte des Glaubens werden auch in der fünften Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU 5) von 2012 für Jugendliche im Alter zwischen 14 und 25 Jahren erfasst. Zur Einordnung: 64,2?% der Befragten sind evangelisch und 35,8?% sind konfessionslos. Bedenkt man, dass die religiösen Einstellungen von evangelischen und katholischen Jugendlichen weitgehend vergleichbar sind (vgl. Feige & Gennerich, 2008, S. 35?–?105) und dass sich 65?% der Jugendlichen als evangelisch, katholisch oder unter »andere Christen« kategorisieren, dann ist die Stichprobe insgesamt etwas weniger religiös als der repräsentative deutsche Durchschnitt. Denn lediglich 22?% der Jugendlichen sind ohne Konfession und 9?% sind muslimisch (vgl. Shell, 2019, S. 151), wobei die muslimischen Jugendlichen deutlich religiöser sind als evangelische und katholische Jugendliche (vgl. Feige & Gennerich, 2008, S. S. 35?–?105). Tab. 3.2:Verschiedene Selbsteinschätzungen zu Aspekten des Glaubens in der KMU 5 (2012) Trifft überhaupt nicht zu Trifft voll und ganz zu Ich hatte Situationen, in denen ich das Gefühl hatte, mit Gott oder einer spirituellen Macht in Kontakt zu sein. 61,3 12,4 11,2 11,2 3,8 Gott greift in mein Leben ein. 56,4 13,4 13,2 12,3 4,7 Mein Glaube gibt mir ein Gefühl der Geborgenheit. 50,7 14,7 14,9 10,9 8,8 Ich glaube an ein Leben nach dem Tod. 29,6 11,2 18,9 22,9 17,5 Gott ist wie ein Richter. 57,2 15,3 12,6 11,0 4,0 Ich glaube an Gott, obwohl ich immer wieder zweifle und unsicher werde. 51,3 14,5 16,8 13,3 4,2 Ich bin religiös auf der Suche. 63,5 16,0 11,2 7,5 1,8 Ich hatte schon das Gefühl, eins zu sein mit der Welt. 59,0 13,1 12,3 10,3 5,4 Tabelle 3.2 zeigt, dass 40?% der Jugendlichen bei Addition der beiden obersten zustimmenden Antwortkategorien an ein Leben nach dem Tod glauben. Dieser Glaube ist ausgeprägter als der Glaube, dass Gott im Leben eingreifen kann (17?% Zustimmung bei Addition der beiden obersten Antwortkategorien) und sogar ausgeprägter als der auch Zweifel umschließende Glaube an Gott selbst (17,5?%). Ein solches offenes Glaubens- und Gottesverständnis, das auch Zweifel umfasst, erhält dabei vergleichbar viel Zustimmung wie ein eher geschlossenes Gottesverständnis, das Gott als Richter versteht (15?%). Auch religiöse Erfahrungen, die nicht zwingend mit der Kategorie Gott beschrieben werden, finden nur eine geringe Zustimmung: »Einssein mit der Welt« (16?%) und »Kontakt mit spiritueller Macht« (15?%). Schließlich ist auch die »religiöse Suche« nicht sehr ausgeprägt (9?%). Das Leben nach dem Tod sichert über die Vorstellung des Weiterlebens die eigene Identität und erhält daher offenbar relativ hohe Zustimmung. In diese Richtung gehen auch Befunde bei Schweitzer et al. (2018, S. 74), wonach 70?% der befragten Jugendlichen dem Item zustimmen »Ich stehe zu meinem Glauben«, wohingegen nur 52?% sagen »Ich glaube an Gott« und 40?% »In schwierigen Situationen hilft mir mein Glaube an Gott«. Primär wird hier der Begriff »Glaube« also auch als etwas gedacht, was elementar mit der eigenen Identität verbunden ist. Insgesamt fühlen sich Jugendliche demnach insbesondere von der Vorstellung eines Lebens nach dem Tod angesprochen, was ihr Bedürfnis nach Kontinuität...


Dr. Carsten Gennerich ist Professor für Evangelische Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind empirische Religionspädagogik, Werte- und Lebensstilforschung sowie Jugend und Religion.



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