E-Book, Deutsch, 125 Seiten
Reihe: Beck kompakt
Gerber-Oehlmann Zündstoff Kritik
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-406-68478-4
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
So bleiben Sie gelassen und souverän!
E-Book, Deutsch, 125 Seiten
Reihe: Beck kompakt
ISBN: 978-3-406-68478-4
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Anja Gerber-Oehlmann
Zündstoff Kritik
So bleiben Sie gelassen und souverän!
Jeder von uns hat mehr oder weniger täglich mit Kritik zu tun. Sei es, dass er selbst andere Menschen kritisiert (aktiv), sei es, dass er von anderen kritisiert wird (passiv). Für die meisten von uns ist Kritik eher unangenehm, beinhaltet sie doch oft Punkte, in denen wir uns als Person infrage gestellt sehen.
Dieser Ratgeber wird Ihnen das Leben an Ihrem Arbeitsplatz und in Ihrer Partnerschaft erleichtern: Lernen Sie in wenigen Schritten, wie Sie Ihren persönlichen Kritik-Zündstoff entschärfen und somit gelassener und souveräner reagieren können. Lernen Sie auch, wie Sie Ihrerseits andere auf verträgliche Art und Weise auf Fehler hinweisen können.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
29Typische Abwehrstrategien
Weil wir Kritik häufig als unangenehm oder sogar als schmerzhaft empfinden, arbeiten wir unbewusst mit Immunisierungstaktiken, um uns vor ihr zu schützen. Auch dann, wenn wir bereits wissen, dass uns diese Vorgehensweise nicht weiterbringen wird. Immunisierungstaktiken
Die Maulkorb-Autorität
Eine dieser Immunisierungstaktiken besteht darin, dass wir uns auf (vermeintliche) Autoritäten beziehen: Beispiele Manfred Mager, Inhaber der Mager-Müsliwerke fragte den Softwareberater Lars Lauter von Optimal Solutions: „Und Ihre Software kann das korrekte Verarbeiten unserer Müslisorten tatsächlich lückenlos kontrollieren?“ Darauf Herr Lauter: „Nun, lieber Herr Mager, zumindest hat Ihr Mitbewerber, die Best-Korn-Betriebe, sich auch für unsere Optimal Solutions entschieden.“ Diese Aussage schiebt die Zweifel, die Mager an der neuen Software hatte, in den Hintergrund. Wenn sein Mitbewerber sich für die Software entschieden hat, hat er das ja bestimmt aus guten Gründen getan. So kann er die Einführung der teuren Software sicher auch gut intern vertreten. Der Hinweis, dass eine andere Autorität, der angesehene Wettbewerber A, mit einer bestimmten Software arbeitet, 30kann schon genügen, dass man sich jegliche Kritik an dieser Software verbietet und deren Vorteilhaftigkeit für den eigenen Betrieb nicht mehr in Zweifel zieht. Die Tabuisierung
Eine andere Taktik ist die Tabuisierung, die mit offenen oder verdeckten Kritikverboten arbeitet. Nach dem Motto: „Das haben wir hier schon immer so gemacht“ oder „Das sind die Unternehmensgrundsätze des Firmengründers“. Damit wird ein Hinterfragen oder gar Kritik am bestehenden Zustand rundweg unmöglich. Berufung auf Experten
Eine weitere beliebte Taktik besteht darin, sich auf betriebsinterne Autoritäten zu berufen, also z. B. auf die Geschäftsleitung oder die Kollegen, die ja der gleichen Ansicht seien (auch wenn das gar nicht stimmt), oder auf tatsächliches (oder eingebildetes) Expertentum, das auf Außenstehende beeindruckend wirken soll. Bewältigungsstrategien: So schützt sich das Ego
Kritik erfahren wir unter anderem auch deshalb als so negativ, weil wir sie in der Regel als Angriff auf unsere Identität bzw. unser Ego verstehen. „Darf ich eigentlich so sein, wie ich bin? Bin ich okay?“ sind Fragen, die wir uns (unbewusst) immer neu stellen. Leider 31versäumen wir es meistens, darauf bewusst mit einem „Ja“ zu antworten! In psychologischen Studien wurde herausgefunden, dass wir uns im Laufe der Zeit bestimmte Bewältigungsstrategien aneignen, um mit dem Gefühl, „nicht zu genügen“, besser fertig zu werden und es zu kompensieren. Die sieben häufigsten Kompensationsstrategien oder „Rüstungen des Egos“
Rüstung: „Sich unsichtbar machen“: Als graue Maus im Hintergrund merkt hoffentlich niemand, dass ich nicht gut genug bin! Ich verzichte lieber auf eine eigene Meinung und weiche damit der Kritik meistens aus. Rüstung: „Verpflichtungen schaffen“: Meine (übertriebenen) Hilfsangebote an andere sollen mein Gefühl des Nicht-Genügens kompensieren. Der Trick dabei: Meine Hilfe verpflichtet meine Mitmenschen dazu, mir im Gegenzug auch zu helfen, falls ich irgendwann in Schwierigkeiten geraten sollte. Man wird mich dann hoffentlich nicht kritisieren, weil man mir ja verpflichtet ist. Rüstung: „Everybody’s Darling sein“: Wenn ich mich bei anderen beliebt mache (immer sehr charmant bin oder den Pausenclown oder Alleinunterhalter gebe), dann wird man mich dafür mögen und mich nicht angreifen wollen. Rüstung: „Machtposition anstreben“: Denn wenn ihr mich schon nicht lieben wollt, dann muss ich mich zumindest wehren können, damit mir keiner an den Karren fahren kann. 32Rüstung: „Perfektionist sein“: Denn nur durch perfekte Leistung bin ich ein gutes Kind und werde geschätzt. So, hoffe ich, lassen sich Fehler und daraus resultierende Ablehnung am besten vermeiden. Rüstung: „Den perfekten Partner finden“: Denn wenn schon nicht ich, dann muss wenigstens der Partner an meiner Seite perfekt sein (und so mein Defizit kompensieren) – auf diese Weise kann ich auch etwas (von seinem) Glanz abbekommen. Rüstung: „Angriff ist die beste Verteidigung“, Denn wer es wagt, mich zu kritisieren, der wird das ganz schnell bereuen. Kritik ist so unangenehm, weil wir sie in der Regel als Angriff auf unsere Identität empfinden. Deshalb haben wir Strategien entwickelt, um uns davor zu „schützen“. Leider funktionieren Kompensationen auf Dauer nicht, weil sie nicht „satt“ machen, d. h. sie lösen die Ursache des Problems, nicht gut genug zu sein, nicht! Wenn die Rüstungen versagen – typische Reaktionen auf Kritik
Die Krux mit der Kompensation ist, dass sie das Problem nicht an der Wurzel packt, sondern es lediglich übertüncht. Wir verstecken uns quasi in einer Rüstung, ohne uns unserem Gegner, dem Gefühl, „nicht zu genügen“, zu stellen. Damit bleiben wir unseren Glaubenssätzen über uns selbst und unseren alten Reaktionsmustern aus unserer Kindheit 33verhaftet. Denn falls die oben genannten Strategien nicht greifen sollten und wir dennoch kritisiert werden, dann fühlen wir uns erst recht hilflos. Folgende sechs Reaktionsmuster lassen sich dann (auch in Kombination) am häufigsten beobachten: Massiver Gegenangriff : Wir werden wütend, schlagen verbal zurück, provozieren den anderen, um wieder die Oberhand zu gewinnen. Unterwürfigkeit : Wir geben uns selbst die Schuld, fühlen uns als Versager, machen uns vor dem anderen klein, zweifeln an uns selbst und möchten am liebsten flüchten. Beleidigt sein: Wir sagen nichts, sind eingeschnappt, beleidigt und rächen uns vielleicht später für die „ungerechte“ Behandlung. Rechtfertigung : Wir rechtfertigen uns sofort oder streiten alles rundheraus ab. In jedem Fall schieben wir die Verantwortung von uns. Angst: Wir erstarren jedes Mal vor Angst, versagt zu haben, und wissen nicht, wie wir reagieren sollen. Diese Angst kann sich nach und nach bei ähnlichen Situationen steigern, bis wir völlig handlungsunfähig werden. Dissoziierte Kühle : Wir reagieren extrem sachlich und kühl, als ob uns das alles nichts anginge, zeigen dem anderen die kalte Schulter und lassen uns nicht in die Karten schauen. Alle hier beschriebenen Verhaltensweisen verhindern jedoch, dass wir aus unseren Fehlern lernen und unser Verhalten ändern können. 34Wenn wir uns verändern wollen, dann sollten wir lernen, Kritik anzunehmen. Diese Reaktionsmuster führen dazu, dass wir uns freiwillig in einen Tiefstatus begeben (d. h. einen inneren Zustand, der uns auf die eine oder andere Weise gegenüber dem Kritiker schwächt). Und dadurch wird die Situation für uns meistens noch unangenehmer: Wir fühlen uns selbst als Opfer und haben den anderen als Täter identifiziert. So bleiben wir in unserem Verhaltensmuster stecken, statt herauszufinden, was unser „wunder Punkt“ sein könnte. Dadurch wird eine wichtige Chance zur Selbsterkenntnis vertan. Auf den Punkt gebracht Um Kritik ganz zu vermeiden oder ihre Wirkung abzumildern, haben wir unterschiedliche Kompensationsstrategien oder „Rüstungen“ entwickelt. Wenn diese Abwehrmechanismen jedoch nicht greifen, dann verfallen wir (häufig) in eine der folgenden typischen Reaktionen auf Kritik: massiver Gegenangriff Unterwürfigkeit, sich kleinmachen beleidigt sein, sich zurückziehen rechtfertigen, keine Fehler zugeben können leugnen, ignorieren innerlich erstarren, Angst vor Konsequenzen haben extreme Sachlichkeit 35Kritik als Form der Kommunikation
Wir kritisieren, wenn wir etwas zu beanstanden haben. Insofern ist Kritik eine Form der Kommunikation über Probleme und damit unverzichtbar, wenn wir Probleme beheben wollen. Um das Ziel des souveränen Umgangs mit Kritik zu erreichen, sollte man sich daher vor allem mit dem Thema Kommunikation beschäftigen. Unsere Kommunikation ist, entgegen landläufiger Meinung, sehr selten einfach nur sachlich. Emotionen, Stress, Vorwürfe und eine ungenaue Ausdrucksweise können eine schwere Belastung für die Beziehungen zu unseren Mitmenschen darstellen. Beispiele Sie sagt: „Das war ja mal wieder klasse!“ und meint es auch so. Doch er glaubt, einen ironischen Tonfall gehört zu haben und denkt „Was habe ich jetzt schon wieder falsch gemacht?“ Und deswegen antwortet er patzig: „Du warst auch nicht besser.“ Worauf sie wiederum gereizt reagiert. „Das habe ich auch gar...