E-Book, Deutsch, 270 Seiten
Reihe: PsychoMed compact
Godde / Voelcker-Rehage / Olk Einführung Gerontopsychologie
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-8463-4567-2
Verlag: UTB
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 270 Seiten
Reihe: PsychoMed compact
ISBN: 978-3-8463-4567-2
Verlag: UTB
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das Lehrbuch zur Gerontopsychologie gibt einen verständlichen Überblick über die Grundlagen und Mechanismen des Alterns und zeigt Ansatzpunkte für erfolgreiches und gesundes Altern im Sinne der Lebensspannenpsychologie auf. Theorien zur Gerontopsychologie, empirische Befunde und Anwendungsbeispiele aus verschiedenen Disziplinen (Psychologie, Neurowissenschaften, Bewegungswissenschaften, Biologie u. a.) beleuchten den Alternsprozess in all seinen Facetten.
Dabei werden pathologische Alterungsprozesse und altersbedingte Krankheiten ebenso beschrieben wie Strategien der Prävention und Intervention. Berücksichtigt wird immer auch der soziale Kontext (Arbeit, Familie, Gesellschaft) der Altersentwicklung.
Didaktisiert mit Marginalienspalte, Definitionen, Merksätzen, Kästen, Glossar.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Hinweise zur Benutzung dieses Lehrbuches 7
Vorwort 8
1 Alter und Altern 10
1.1 Definition von Alter und Altern 10
1.2 Zusammenfassung 16
1.3 Fragen zum Kapitel 16
2 Theorien des Alterns 17
2.1 Altern aus Sicht der Biologie 17
2.2 Altern aus Sicht der Psychologie: ein lebenslanger Entwicklungsprozess 31
2.3 Zusammenfassung 37
2.4 Fragen zum Kapitel 38
3 Methoden der Altersforschung 40
3.1 Untersuchungsdesigns 41
3.2 Methoden der Datengewinnung auf der Verhaltensebene 49
3.3 Methoden der Hirnforschung 55
3.4 Zusammenfassung 61
3.5 Fragen zum Kapitel 62
4 Physisches Altern 64
4.1 Sensorische Funktionen 66
4.2 Motorische Funktionen 74
4.3 Herz-Kreislauf-Funktionen 85
4.4 Zusammenfassung 87
4.5 Fragen zum Kapitel 88
5 Altern des Gehirns und Neuroplastizität 89
5.1 Einführung in den Aufbau des Gehirns 89
5.2 Veränderungen des Gehirns über die Lebensspanne 90
5.3 Strukturelle und physiologische Veränderungen des Gehirns 92
5.4 Alterungsprozesse führen zu Veränderungen in der Funktionsweise des Gehirns 99
5.5 Die Plastizität des Gehirns ermöglicht Kompensation 105
5.6 Zusammenfassung 110
5.7 Fragen zum Kapitel 111
6 Psychologisches Altern: Kognition 113
6.1 Das Zwei-Komponenten-Modell der Intelligenz 113
6.2 Einflussfaktoren auf kognitive Leistungen 116
6.3 Alterseffekte auf kognitive Funktionen 118
6.4 Zusammenfassung 137
6.5 Fragen zum Kapitel 138
7 Psychologisches Altern: Persönlichkeit, Emotion und Motivation 139
7.1 Persönlichkeit 139
7.2 Emotion und Motivation 144
7.3 Zusammenfassung 153
7.4 Fragen zum Kapitel 153
8 Pathologisches Altern 155
8.1 Körperliche Erkrankungen im Alter 155
8.2 Psychische Erkrankungen im Alter 162
8.3 Zusammenfassung 181
8.4 Fragen zum Kapitel 182
9 Interventionen für erfolgreiches Altern 183
9.1 Gesundheitsverhalten – das Präventionspotential des Lebensstils 183
9.2 Körperliche Aktivität zur Förderung der Kognition 193
9.3 Ausgewogene Ernährung als Maßnahme zur Förderung der Kognition 209
9.4 Kognitives Training zur Förderung der Kognition 211
9.5 Zusammenfassung 218
9.6 Fragen zum Kapitel 219
10 Das alternde Individuum im Kontext 221
10.1 Alter(n) und Arbeit 222
10.2 Alter(n) und Gesellschaft 229
10.3 Zusammenfassung 235
10.4 Fragen zum Kapitel 236
Anhang 238
Glossar 238
Linksammlung 246
Literatur 249
Sachregister 268
1 Alter und Altern Alter(n) ist mit einer Reihe körperlicher und kognitiver Funktionseinbußen sowie mit Veränderungen der Persönlichkeit und der sozialen Beziehungen verbunden. Altern birgt aber nicht nur Defizite und damit auftretende Probleme, es ist auch durch Kompetenzen, Potenziale und Chancen gekennzeichnet. Dementsprechend wird seit den 1970er-Jahren das Stereotyp eines durch Defizite und Verluste geprägten Alter(n)s von der Entwicklungsforschung und der Gerontologie als zu einseitig und unvollständig zurückgewiesen und durch ein differenzierteres Altersbild ersetzt, das auch die Facette des „produktiven“ und „erfolgreichen“ Alter(n)s umfasst. Neben den unbestrittenen Krisen und Verlusten werden in dieser Sicht auf das Alter(n) auch die Chancen und Optionen eines erfolgreichen Alterns betont. Natürlich verschiebt sich die Balance zwischen Zugewinn und Abbau, besonders im hohen Alter (ab ca. 80 Jahren), zugunsten des Letzteren. Aber dennoch kann eine gesunde ältere Person nach dem Renteneintritt noch einige gesunde Lebensjahrzehnte erwarten, verbunden mit einer Reihe körperlicher und kognitiver Herausforderungen, aber auch vielen neuen Erfahrungen. 1.1 Definition von Alter und Altern Altern als unidirektionaler Prozess Die traditionelle, bis in die 1960er Jahre dominierende biologische Perspektive auf das Altern beschreibt dieses als eine Phase zunehmender Seneszenz und stellt es der Reifung in der frühen Entwicklungsphase und einer Phase relativer Stabilität im frühen und mittleren Erwachsenenalter gegenüber. Demzufolge wäre das Altern ein unidirektionaler Prozess, der durch einen Verlust an biologischen und psychologischen Funktionen gekennzeichnet ist. Altern als lebenslanger Prozess Diesem Ansatz wurde in der Mitte des letzten Jahrhunderts die von K. Warner Schaie, Paul B. Baltes, James E. Birren, John R. Nesselroad und anderen begründete Lebensspannenperspektive gegenübergestellt. Damit veränderte sich die Entwicklungsforschung insbesondere in der Psychologie. Die bis dahin vorherrschende biologisch- und psychologisch-reduktionistische und an Altersgruppen ausgerichtete Sichtweise wurde abgelöst. Im Mittelpunkt steht die Erforschung der Entwicklung über die Lebensspanne und der Interaktion von biologischen und kulturellen Faktoren mit individuellem Verhalten (Lerner & Overton, 2010). Dieser Ansatz beruht auf der Beobachtung, dass Entwicklungsprozesse über die Reifung hinaus das ganze Leben lang bis zum Tod andauern können. Demzufolge ist Altern ein lebenslanger Entwicklungsprozess, der durch Veränderungen gekennzeichnet ist, die mehr oder weniger zwangsläufig mit zunehmendem Alter auftreten. Diese Veränderungen sind in verschiedenen Lebensphasen unterschiedlich stark ausgeprägt und geschehen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Altern beginnt also nicht etwa erst in der Lebensmitte oder gar am Ende des Lebens und Entwicklung ist nicht auf den Anfang des Lebens beschränkt (Baltes, 1990). Obwohl innerhalb einer Spezies alle Individuen ähnliche und vorhersagbare Entwicklungsschritte durchlaufen, führt die Tatsache, dass mit zunehmendem Alter die Umwelt einen immer größer werdenden Einfluss auf Entwicklungs- und Alterungsprozesse bekommt, zu einer hohen Individualität dieser Entwicklungs- und Alternsprozesse. Nach Johnson und deHaan (2011) ist genetisch und evolutionär bedingt ein Teil der Entwicklungsprozesse für alle gleich. Ein anderer, sehr vom sozialen Umfeld abhängiger Teil ist für Personen in diesem Umfeld sehr ähnlich. Ein dritter Teil schließlich hängt vom individuellen Umfeld und dessen Einflüssen ab. Alle drei Teile bestimmen unsere Individualität. Dabei ist das soziale Umfeld zum Beispiel der Ort, in dem man lebt, die Schule, die Einkommensstruktur. Das individuelle Umfeld betrifft Personen im selben sozialen Umfeld unterschiedlich: die eigene Familienstruktur, der Freundeskreis, das eigene Einkommen. Plastizität von Altern und Entwicklung Nach Hertzog et al. (2008) wird der individuelle Altersverlauf durch die biologisch-physiologischen, psychologischen und kulturellen Ressourcen bestimmt, die uns zur Verfügung stehen. Auch der eigene Lebensstil, das Ernährungsverhalten und die berufliche Tätigkeit beeinflussen das Altern. Das Altern ist also plastisch, d. h. sein Verlauf und damit der Zeitpunkt, zu dem Funktionseinbußen im Alltag wirksam werden, kann positiv und negativ beeinflusst werden (Abbildung 1.1). Die Begriffe Alter und Altern sind dabei zu unterscheiden. Altern beschreibt die zeitgebundenen Veränderungsprozesse eines Menschen, die sich aus der Wechselwirkung von biologischen Prozessen, Umwelteinflüssen und individuellen Entscheidungen ergeben. Das Alter hingegen bezeichnet einen Zustand zu einem gegebenen Zeitpunkt und ist folglich als Ergebnis des Alterns oder der Entwicklung zu verstehen. Die Vielgestaltigkeit der Einflüsse, aus denen sich das Altern speist, führt über den Lebensverlauf zu wachsenden Unterschieden zwischen den Menschen und reduziert damit den Informationswert des kalendarischen Alters (Kapitel 2). Abb. 1.1: Plastizität von Entwicklungsverläufen und ihre Beeinflussbarkeit durch interne und externe Ressourcen (nach Hertzog et al., 2008). Gezeigt sind vier Beispiele (A – D) für mögliche hypothetische Entwicklungsverläufe. Normative und nicht-normative Einflüsse In der Lebensspannenpsychologie spricht man von normativen und nicht-normativen Determinanten von Entwicklungs- und Altersverläufen. Normative altersbedingte Einflüsse sind Faktoren, die alle Individuen eines bestimmten Alters in ähnlicher Weise betreffen (z. B. biologische Reifung, Hörverlust im Alter, Verlangsamung der Informationsverarbeitung im Gehirn). Normative historisch-bedingte Einflüsse sind Faktoren, die mit bestimmten historischen Ereignissen oder Perioden verknüpft sind bzw. in historischen Perioden auftreten (z. B. durch Kriege). Nicht-normative oder idiosynkratische Faktoren sind individuelle Lebensereignisse (z. B. Unfälle, Heirat, Beruf). Intrinsische und extrinsische Faktoren In der biologischen Altersforschung wird eher von intrinsischen und extrinsischen Faktoren gesprochen, die das Altern beeinflussen. Unter intrinsischen Faktoren verstehen wir unveränderliche mit einer Person verknüpfte Faktoren, wie z. B. genetisch festgelegte Eigenschaften und Prozesse. Extrinsische Faktoren werden noch einmal unterteilt in Lebensstile oder Verhaltensweisen (z. B. Ernährung, körperliche Aktivität, Stress) und Umweltfaktoren (z. B. Umweltgifte, Temperatur, Traumata). Primäres und sekundäres Altern In diesem Zusammenhang spricht man auch von primärem und sekundärem (biologischem) Altern. Das primäre Altern wird als ein Prozess betrachtet, der überwiegend genetisch gesteuert wird. Er ist von intrinsischen Faktoren abhängig und trotz guter Gesundheit und der Abwesenheit von Krankheiten üblicherweise mit dem Älterwerden eng verknüpft. Sekundäres Altern demgegenüber wird durch die externen Faktoren bestimmt. Demzufolge treten primäre Alterseffekte eher zwangsläufig mit dem Älterwerden auf, während sekundäre Alterseffekte häufig durch entsprechende Maßnahmen und Verhaltensweisen vermieden oder zumindest verringert werden können. Nature-Nuture-Debatte Der wechselseitige Einfluss von internen und externen Faktoren auf das Altern und die Entwicklung kommt auch in der sogenannten „Nature-Nuture“-Debatte zum Ausdruck. Hierbei geht es darum, wie hoch im Verhältnis zu Umwelteinflüssen der Einfluss der genetischen Information auf die Entwicklung ist. Besonders heftig diskutiert wird diese Frage seit Jahrzehnten in Bezug auf die Intelligenz. Mal sehen sich die Befürworter einer starken Rolle der Genetik bestätigt, z. B. durch Zwillingsstudien, mal schlägt das Pendel eher zur Seite der Verfechter starker Umwelteinflüsse aus. Was wir jedoch mit Sicherheit heute wissen ist, dass beide Faktoren die Entwicklung, auch beispielsweise der Intelligenz, maßgeblich beeinflussen. Mehrdimensionalität Das Alter und Altern sind nicht einsondern mehrdimensional. So lässt sich beispielsweise das kalendarische (oder chronologische) Alter vom biologischen, psychologischen, sozialen und subjektiven Alter unterscheiden. Während das biologische (oder auch funktionale) Alter(n) vor allem die biologischen und physiologischen Funktionen und Prozesse im Körper betrifft, umfasst das psychologische Altern Facetten wie etwa die Entwicklung und Alterung des Geistes, der Persönlichkeit oder auch der sozialen Bezogenheit (Kessler et al., 2010). Das soziale Alter hingegen bezeichnet die Zugehörigkeit zu einer Alterskategorie und drückt die damit einhergehende Übernahme oder den Verlust von altersgebundenen Rollen und Positionen aus (Settersten & Mayer, 1997). Im Arbeitskontext wird die Kategorie „alt“ anders als im Alltag vergeben. Man würde im Alltag niemals eine 50-jährige Person als alt bezeichnen. Im Arbeitskontext passiert dies jedoch schon ab einem Alter von 45 Jahren (Kessler et al., 2010). Das subjektive Alter schließlich beschreibt, ob ich mich selbst jünger oder älter fühle, als es meinem tatsächlichen kalendarischen, biologischen, psychologischen oder sozialen Alter entspricht, und wird häufig im Vergleich zu Personen gleichen kalendarischen Alters bestimmt. Der...