E-Book, Deutsch, 596 Seiten
Goethe / Holtzhauer / Möller Goethe. Gedanken und Aussprüche
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-347-73362-6
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
3000 Zitate
E-Book, Deutsch, 596 Seiten
ISBN: 978-3-347-73362-6
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Sammlung von Zitaten aus Goethes Werken will in erster Linie ein Hilfsmittel sein, ein Nachschlagewerk, dessen man sich bei Bedarf bedient und dessen höchste Leistung darin besteht, dass es den Benutzer zum Lesen verführt
Deutscher Dichter, Naturwissenschaftler, Staatsmann, 28.08.1749 - 22.03.1832 Johann Wolfgang v. Goethe zählt zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der deutschen Kulturgeschichte. Zahlreiche seiner Gedichte, Prosaschriften und Dramen sind Bestandteil des Kanons der deutschen Literatur.
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Vorwort Seit anderthalb Jahrhunderten lösen die Versuche, das Phänomen Goethe umfassend und wahrheitsgemäß darzustellen, einander ab. Den Wandel des auf diese Weise entstehenden Bildes scheint das Goethewort bestätigen zu wollen: „Das Wahre ist eine Fackel, aber eine ungeheure; deswegen suchen wir alle nur blinzelnd so daran vorbeizukommen, in Furcht sogar, uns zu verbrennen“. Nicht geringer sind die Anstrengungen, das Wesen des Dichters und seines Werks gleichsam durch eine Formel auszudrücken oder die Versuche, die vielfältigen Äußerungen und Verhaltensweisen Goethes auf einen Nenner zu bringen. Vom gereimten Knecht und Jugendverderber bis zum Olympier reicht die Skala, und je mehr die Charakterisierung ins Enge gezogen wird, um so einseitiger oder nichtssagender wird sie. Es ist nicht möglich, die Universalität des Dichters, Naturforschers, Kunsttheoretikers, Politikers und Philosophen, die Evolution seiner Ansichten und sein Verhältnis zu einer geschichtlichen Entwicklung, an der er mehr als sechzig Jahre lang handelnd und reflektierend teilnahm, in wenige Worte zu fassen. Am allerwenigsten kann Goethe auf eine einzelne seiner Äußerungen festgelegt werden. Es lassen sich ebensogut für konservative Ansichten Zeugnisse beibringen wie für progressive. Wer zur Bekräftigung der einen sich auf Goethes Aussprüche stützen will, findet genügend Belege, und wer eine entgegengesetzte Meinung vertritt, braucht um Zitate nicht verlegen zu sein. So ist rasch die Frage gestellt, ob Goethe vielleicht eine proteusartige Natur sei, die an keiner Stelle wirklich zu fassen ist und fortgesetzt sich wandelnd, jeden Versuch einer Wesensbestimmung spotte, so dass die Quintessenz seiner Erfahrungen und seiner Reflektionen nicht darstellbar ist. Es hat Meinungen dieser Art gegeben, und sie tauchen auch heutzutage immer wieder auf. Bei näherem Zusehen stellt sich jedoch heraus, dass sich hinter einer derartigen Auffassung eher die Unfähigkeit verbirgt, die vielseitige und vielgestaltige Kunst- und Wissenschaftswelt sowie das praktische Verhalten des Dichters in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Die Methode, sich Goethe nur von einer Seite aus, etwa der des Nur-Literatur- oder des Nur-Kunstwissenschaftlers, Nur-Naturwissenschaftlers usw. zu nähern, ist im Grunde genommen das Eingeständnis, der Universalität des Dichters nicht folgen zu können. Vielleicht liegen die Ursachen im Ungewohnten des dialektischen Denkens, das vor unüberwindbare Schwierigkeiten stellt, oder aber in den tatsächlichen Widersprüchen zur Realität, denen auch Goethe nicht entging. Den ersten Streich spielt jedoch dem Urteilenden gewöhnlich die Neigung, die antike Heiterkeit Goethes, seine Verstandesklarheit, Weltzugewandtheit und sein Trotzalledem eines historischen Optimismus als Widerspruch zu den historischen oder gegenwärtigen Lebensverhältnissen zu sehen. Über das Leben zu urteilen „wie es auch sei, es ist gut“, zeigt ein Maß an Lebens- und Weltfreundlichkeit, das schwer zu verstehen ist, weil es doch aus der Erfahrung eines Dichters stammt, der von sich selbst sagt: „Dieser ist ein Mensch gewesen, / Und das heißt ein Kämpfer sein.“ Aber gerade in diesem Trotzalledem erweist sich die großartige Erkenntnis eines Menschen, dem nichts Menschliches fremd geblieben ist und erst dadurch kann sie zur Maxime für ein positives und damit richtiges Verhältnis zur Welt und zum Menschen werden. Die Eigentümlichkeit Goethes auf eine Formel zu bringen, ist also nicht möglich. So können nur die Darlegung der Vielfalt und ihre kritische Untersuchung das zutreffende Bild geben. Nur in der Gesamtheit seiner Äußerungen ist Goethes Wesen wirklich zu entdecken und können Tendenzen, können charakteristische Merkmale herausgeschält werden. Allerdings sind diese Äußerungen nur im Zusammenhang mit den Bedingungen seines Lebens zu verstehen. „Ein jeder, nur zehn Jahre früher oder später geboren, dürfte, was seine eigene Bildung und die Wirkung nach außen betrifft, ein ganz anderer geworden sein“, heißt es im Vorwort zu „Dichtung und Wahrheit“. Und im gleichen Zusammenhang spricht Goethe von den inneren Regungen, den äußeren Einflüssen, von den theoretisch und praktisch von ihm betretenen Stufen, die es gälte, der Reihe nach darzustellen. Für Goethe, wie für jeden Menschen, wäre die Fixierung seiner Ansichten auf einen bestimmten Punkt seiner Entwicklung ein Verstoß gegen seine tiefste Erkenntnis, nämlich, dass alles im Flusse sei. „Ach, und in demselben Flusse / Schwimmst du nicht zum zweitenmal“. Entwicklung, Bildung und Umbildung, Metamorphose heißt einer der Leitbegriffe, mit dem er der Natur, dem Menschen und sieh selbst beizukommen trachtet. Entwicklung bedeutet für ihn nun nicht etwa Gradlinigkeit, fortgesetzter Aufstieg vom Niederen zum Höheren, nur Vorwärtsbewegung, sondern sie schließt Rückschritt, Umbiegen, Absinken und Absterben und wieder Neubeginnen ein. „Und so lang du das nicht hast, / dieses Stirb und Werde! / Bist du nur ein trüber Gast / Auf der dunkle Erde“. Aus dieser Auffassung von Entwicklung und aus dem Lebensprozess selbst resultieren die zahllosen Sentenzen, die, werden sie aus dem Zusammenhang gerissen und aneinandergereiht, den Eindruck unlösbarer Widersprüche machen. Wer aber, wie Goethe, sich derart den Begriff der Entwicklung, der Herausbildung des einen aus dem anderen zu eigen und zur Grundanschauung seines Lebens gemacht hat, der muss ein Mann des Fortschritts sein, denn ohne Fortschreiten gibt es keine Entwicklung, bestenfalls einen Kreislauf. Für Goethe ist Entwicklung ein dialektischer Prozess. Hatte er seinen Entwicklungsgedanken in erster Linie aus seiner Beobachtung der Natur abgeleitet, so fand er ihn in der menschlichen Gesellschaft bestätigt. In der Notwendigkeit sah er die konsequente Triebkraft, die die Menschheit zwang, ihre einmal erreichten Positionen zu verlassen und sich neue Aufgaben zu stellen. Besonders deutlich wurde ihm dies angesichts des ihn wie ein gewaltiges Naturereignis berührenden Umschwungs aller Verhältnisse im revolutionären Frankreich der Jahre 1789 bis 1794. Er sah in der Revolution die „Folge einer großen Notwendigkeit“. Und wenn er nicht in den Chor der für die Revolution Entflammten (und dann sich bald enttäuscht Abwendenden) einstimmte, dann deshalb, weil er die objektiven Voraussetzungen für eine revolutionäre Umwälzung zu gut verstand, um sie im Deutschland seiner Zelt für möglich zu halten: „Und wiederum ist für eine Nation nur das gut, was aus ihrem eigenen Kern und ihrem eigenen allgemeinen Bedürfnis hervorgegangen, ohne Nachäffung einer andern; denn was dem einen Volk auf einer gewissen Altersstufe eine wohltätige Nahrung sein kann, erweist sich vielleicht für ein anderes als Gift“. Goethe, den die Evolution in Natur, Menschheit und Individuum faszinierte, hatte durchaus Verständnis für ihren Sonderfall: die Revolution, hatte er doch nach seinen eigenen Worten sie auf seinem ureigensten Gebiete, der Literatur, in den siebziger und achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts heraufführen helfen. Wie entschieden sich Goethe als Glied einer Kette, soweit es den geschichtlichen Prozess, als soziales Wesen, soweit es sein Verhältnis zur Gesellschaft betraf, betrachtete, zeigen nicht nur sein praktisches Handeln, sondern auch die Hinweise, er stünde auf den Schultern seiner Vordermänner, oder: im Grunde seien wir alle kollektive Wesen. „Immer strebe zum Ganzen, und kannst du selbst kein Ganzes / Werden, so schließ an ein Ganzes dich an“. In eine Zeit hineingeboren, die sich gewöhnt hatte, Thron und Altar als etwas von Ewigkeit zu Ewigkeit Festgefügtes zu betrachten und diese Unveränderlichkeit in ihrem Glaubensbekenntnis verankert sah, hatte sich der Dichter von Jugend an der Aufklärungsbewegung zugewandt. Die gewaltige, alles Althergebrachte anzweifelnde geistige Bewegung, die als Aufklärung nach und nach ganz Europa erfasste, trat in jedem Lande in verschiedener Gestalt und zu verschiedener Zeit in Erscheinung. In Deutschland wurde, in Zusammenhang mit der Wiederentdeckung der Kunst des griechischen Altertums, der Mensch nicht nur als Maß aller Dinge, sondern als der den Menschen am meisten interessierende Gegenstand in den Mittelpunkt der Betrachtungen und der künstlerischen Tätigkeit gestellt. Humanismus und Realismus sind Hauptmerkmale des Denkens und Schaffens der Zeit. Wie kann es angesichts dieser Tendenz Zweifel daran geben, dass mit der Hinwendung zur Menschen, mit der Lehre, dass der Mensch um seiner selbst willen da sei, eine ebenso deutliche Abwendung von einer Auffassung Hand in Hand ging, nach der der Mensch um Gottes willen auf Erden sei, dass diese Welt ein Jammertal und bloßes Durchgangsland wäre und die Menschheit sich Gott und der Obrigkeit zu unterwerfen habe? „Ach, ihr Götter! große Götter: / In dem weiten Himmel droben! / Gäbet ihr uns auf der Erde/ Festen Sinn und guten Mut - / O wir ließen euch, ihr...