E-Book, Deutsch, 173 Seiten, Format (B × H): 165 mm x 240 mm
Göttlicher Auf der Suche nach dem gerechten Preis
1. Auflage 2004
ISBN: 978-3-86234-004-0
Verlag: V&R unipress
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection
Vertragsgerechtigkeit und humanitas als Daueraufgabe des römischen Rechts. E-BOOK
E-Book, Deutsch, 173 Seiten, Format (B × H): 165 mm x 240 mm
Reihe: Osnabrücker Schriften zur Rechtsgeschichte.
ISBN: 978-3-86234-004-0
Verlag: V&R unipress
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In zwei Reskripten hat Diokletian es als Ausdruck der humanitas angesehen, dass ein Kaufvertrag dann anfechtbar sei, wenn nicht einmal die Hälfte des gerechten Preises gezahlt worden ist. Die Entscheidungen und ihre entsprechende Begründung werden gegen die bisher herrschende Ansicht als authentisch angesehen. Auf die humanitas zurückführende Begründungen finden sich, wie Cicero zu erkennen gibt, bereits bei den Juristen des letzten vorchristlichen Jahrhunderts. Ihnen liegen rechtsphilosophische und rechtstheoretische Konzepte zugrunde, die die sabinianische und prokulianische Rechtsschule der klassischen Zeit beeinflusst hatten. Insofern stehen die diokletianischen Entscheidungen in einer Rechtstradition.Doris Göttlicher zeigt die zugrunde liegenden rechtstheoretischen Konzepte und deckt ihre Wurzeln in der republikanischen Rechtswissenschaft auf. Für die aktuelle Diskussion um die geistigen Grundlagen des klassischen Rechts und der Rechtsschulen des Prinzipats werden so neue Argumente gewonnen.
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1;Dank;9
2;Inhalt;11
3;Abkürzungen;13
4;1. Einleitung;15
5;2. Grundlagen der Preisgerechtigkeit in der römischen Republik;27
5.1;2.1 Die Diskussion bei Cicero;27
5.2;2.2 Gegenüberstellung der philosophischen und juristischen Pflichtenlehre bei Cicero mit den zeitgenössischen Käufer- und Verkäuferpflichten;75
5.3;2.3 Leitlinien der juristischen Pflichtenlehre beim Kauf und ihre Ergänzung durch die actio de dolo;91
6;3. Die Preisgerechtigkeit im Prinzipat;93
6.1;3.1 Schulenentwicklung;93
6.2;3.2 Äußerer Schulengegensatz;96
6.3;3.3 Inhaltlicher Schulengegensatz;97
6.4;3.4 Einfluß des republikanischen Rechts auf die Preisgerechtigkeit im Prinzipat;120
7;4. Die Preisgerechtigkeit im Dominat unter Diokletian;123
7.1;4.1 Bürokratie und Rechtswissenschaft;123
7.2;4.2 Preisgerechtigkeit bei Diokletian;125
7.3;4.3 Interpolationenkritik;138
7.4;4.4 Die äußeren Umstände der Entscheidungen;149
7.5;4.5 Die Rolle der humanitas bei Diokletian;153
8;5. Ergebnis;159
9;Literatur;165
"4. Die Preisgerechtigkeit im Dominat unter Diokletian (S. 121-122)
4.1 Bürokratie und Rechtswissenschaft
In der Zeit des beginnenden Dominats unter Diokletian sind die Gegensätze zwischen den Rechtsschulen überwunden, wenn auch auf deren Rechtsliteratur unverändert zurückgegriffen wurde. Diokletian förderte die Vereinheitlichung der Rechtsprechung dadurch, daß er auch im griechischsprachigen Osten des Reiches Latein als Amtssprache einführte. Da die überlieferten klassischen Juristenschriften ebenfalls lateinisch geschrieben waren, war Latein im gesamten römischen Reich zur (Kunst-)Sprache der Jurisprudenz geworden.333 Die Jurisprudenz des frühen Dominats knüpfte an die des Prinzipats an. Man könnte daher vermuten, daß sie für Kaufpreisvereinbarungen Korrektive nach dem Maßstab des iustum pretium allenfalls in Ausnahmefällen zugelassen hatte.
Unter Diokletian spielt das iustum pretium jedenfalls als taxmäßige Preisfestsetzung im öffentlichen Recht eine Rolle. Denn aus noch zu erörternden Gründen ist es unter Diokletian zur Abfassung eines Preisedikts gekommen, in dem für eine Fülle von Dienstleistungen und Waren (mit Ausnahme von Grundstücken) das iustum pretium durch autoritative Setzung festgelegt worden war. Diokletian hatte damit eine Tradition fortgeführt, die ihren Ursprung schon in der Republik hatte und auch im Prinzipat aufrechterhalten worden war. Immer wieder kam es zu kaiserlichen Preisfestsetzungen und Änderungen des Geldwertes.
Die Obrigkeit hatte es sich seit jeher zum Ziel gemacht, die Preise für die Grundnahrungsmittel jedenfalls in der Stadt Rom gering zu halten335. Schon Cicero sah sich während seiner Zeit als Quästor auf Sizilien dem Erfordernis gegenüber, Getreidepreise verbindlich festzulegen. Seine Aufgabe war es u.a., den Zehnten als Naturalsteuer einzutreiben und bei Getreideknappheit in Rom für entsprechende Nachlieferungen zu einem von ihm zu bestimmenden Preis zu sorgen. Dies tat er zur allgemeinen Zufriedenheit, wobei sowohl die sizilianischen Gemeinden als auch die römischen Bürger mit dem von ihm festgesetzten Preis einverstanden gewesen sein sollen.
Im Jahre 6 des ersten nachchristlichen Jahrhunderts erließ Augustus eine lex Julia de annona, die die Getreideversorgung Roms durch Übertragung der cura annonae auf kaiserliche Beamte (praefecti annonae) sichern sollte und auch eine verbindliche Festsetzung der Getreidepreise enthielt338. Als das römische Volk sich über eine allzu große Teuerung beklagte, schrieb Tiberius die Getreidepreise fest339. Nach dem Brand Roms senkte Nero die Getreidepreise. Hadrian versprach jedem, der einen Verstoß gegen das Ölausfuhrverbot anzeigte, den halben (!) Wert der betroffenen Menge Öls als Prämie.
Ulpian erörtert in De officio praefecti urbi die Zuständigkeit des praefectus urbi, gerechte Fleischpreise festzusetzen342. Diese Regelungen hatten den Zweck, den Händlern die Möglichkeit zu nehmen, in Notsituationen zur Mehrung ihres Gewinns die Preise für bestimmte lebensnotwendige Mangelwaren unangemessen zu erhöhen. Regelungen und Erwägungen wie diese könnten Diokletian veranlaßt haben, sich auch der im Prinzipat erörterten zivilrechtlichen Fallgruppen zu erinnern. Denn die Aufgabe der Daseinsvorsorge, die ursprünglich eine allgemeine Aufgabe der Gesetzgebung gewesen ist, war im Zuge der Konzentration auf den Kaiser immer mehr zu seiner eigenen Aufgabe geworden. Überhaupt gewannen Kaiserkonstitutionen immer stärker an Gewicht gegenüber anderen Rechtsquellen.
Es ist daher keineswegs überraschend, wenn derartige allgemeine Aufgaben auch Einzelfälle beeinflußten, die dem Kaiser zur Entscheidung vorgelegt wurden. Neben diesen allgemeinen politischen Zielen wird man aber auch erwarten dürfen, daß sie eine besondere Legitimation erhielten, die mit der allgemeinen Legitimation des Dominats als neuer Verfassungswirklichkeit in Beziehung standen. In diesem Zusammenhang ist Diokletians Rückbesinnung auf die Ideale des mos maiorum und Werte wie die humanitas zu sehen."