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E-Book, Deutsch, 312 Seiten
Goodall Maggie Blue - Das Portal zur Düsterwelt
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-446-28352-7
Verlag: Hanser, Carl
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 312 Seiten
ISBN: 978-3-446-28352-7
Verlag: Hanser, Carl
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Maggie und Kater Hoagy, nur zusammen können sie die Dunkelheit besiegen. Der packende Auftakt einer neuen Fantasy-Reihe – atmosphärisch, aufwühlend und fesselnd bis zur letzten Seite
Maggies erstes Abenteuer in der geheimnisvollen Düsterwelt. Maggie Blue sieht, wie ihre Mitschülerin Ida durch ein magisches Portal in eine Parallelwelt entführt wird. Natürlich muss sie da helfen! Mit dem sprechenden Kater Hoagy an ihrer Seite betritt sie die Düsterwelt, einen Ort voll seltsamer Wesen und Gefahren. Auf der Suche nach Ida durchwandert Maggie finstere Wälder und Täler, muss sich vor lauernden Gestaltwandlern verstecken und entkommt nur knapp einer Horde Mondhexen. Schließlich erreicht sie die imposante Sonnenstadt und den Hof des schillernden Herrschers Eldrow. Als Maggie realisiert, welche unheilvollen Pläne er verfolgt, ist es beinahe zu spät: Es bleibt nur noch wenig Zeit, Ida zu retten und die riskante Flucht nach Hause zu wagen.
Weitere Infos & Material
1 West Minchen
Maggie saß im Café vor einer Tasse Tee, die langsam kalt wurde. Das Riesenstück Schokokuchen, das sie dazu bestellt hatte, war längst vertilgt, nur noch ein paar Krümel lagen auf dem Teller. Draußen auf der Einkaufsstraße mit ihren Ein-Pfund-Läden, Wettbüros, Imbissbuden und Zeitungsständen herrschte das übliche Nachmittagstreiben, aber Maggie war zu abgelenkt, um viel davon mitzubekommen. Ihre Augen wirkten noch größer als sonst, und auf ihrer Stirn hatte sich vor lauter Konzentration eine steile Falte gebildet. Am Nebentisch hielt gerade eine Frau ihrem kleinen Sohn eine Standpauke, weil er ihre Tasse umgestoßen hatte. Sie klang aufgebracht und verärgert, und der Junge weinte. In Wahrheit jedoch regte die Frau sich gar nicht über den verschütteten Kaffee auf. Wenn irgendjemand Maggie beachtet hätte — aber die wenigsten Erwachsenen finden Kinder sonderlich beachtenswert —, dann hätte dieser Jemand womöglich gesehen, wie die Falte auf ihrer Stirn noch tiefer wurde, während sie die Szene einzuordnen versuchte. Das hier war nicht die wilde, schäumende Wut, wie Maggie sie bei ihrer Mum gespürt hatte, nachdem ihr Dad sie beide sitzengelassen hatte. Im Grunde war es gar keine Wut, nicht so wirklich jedenfalls. Die Frau wirkte eher verzweifelt. Und plötzlich, mit einem eigenartigen Klick irgendwo in Maggies Kopf, kristallisierte sich ein so unverkennbarer Schnipsel Wahrheit heraus, dass sie auf einen Schlag alles durchblickte, es regelrecht greifen konnte. Diese Frau hatte eine Freundin verloren oder irgendeinen anderen Menschen, der ihr sehr nahestand. Die beiden mussten sich gestritten haben oder verstanden sich nicht mehr so wie früher oder … sonst etwas in der Art. Tief unter ihrem ungehaltenen Gehabe war die Frau einfach nur einsam. Tränen stiegen Maggie in die Augen. »Was glotzt du denn so?« Jetzt war die Frau doch auf sie aufmerksam geworden. Maggie öffnete den Mund, aber sie brachte keinen Ton heraus — wie hätte sie das alles auch erklären sollen? Ihre Achseln wurden feucht, und Hitze schoss ihr in die Wangen. Die Frau legte den Arm um ihren Sohn. »Unverschämtheit. Lass uns bloß in Ruhe.« Im Nu war der Streit zwischen ihnen vergessen, und die beiden bildeten eine vereinte Front gegen Maggie. In dem Moment spürte Maggie, wie ein allzu vertrautes Rot von ihr Besitz ergriff. Warum mussten manche Leute einen immer gleich so runterputzen? Maggie schob ruckartig ihren Stuhl nach hinten, sodass nur der Nachbartisch ihn vor dem Umkippen bewahrte, und stapfte aus dem Café. »Mit der stimmt doch was nicht«, hörte sie die Frau noch murmeln, kurz bevor sie die Tür hinter sich zuknallte. Maggie eilte durch die Straßen, vorbei an dicht zusammengedrängten Reihenhäusern. Sie war spät dran. Aber nicht für ihre Tante Esme, die es nicht zu kümmern schien, wann sie nach Hause kam, sondern für ihr allwöchentliches Telefonat mit ihrer Mum: jeden Donnerstag um fünf. Sie nahm die Abkürzung vorbei an der Kirche und durch eine bogenförmige Seitenstraße mit schicken, komplett identischen Häusern, bevor ihr Weg sie zurück auf die Hauptstraße und weiter zur Milton Lodge führte. So lautete der Name des imposanten, etwas nach Spukschloss aussehenden Anwesens, in dem ihre Tante ein Einliegerapartment bewohnte. Maggie trottete die lange, vermooste Einfahrt hinunter, die nach dem Regen voller riesiger Pfützen war. Es wurde jetzt schon früher dunkel, und das Außenlicht funktionierte nicht mehr. Trotzdem erkannte Maggie die dickliche Silhouette des einäugigen, braun getigerten Katers, der niemandem zu gehören schien und es sich mal wieder auf der Fußmatte bequem gemacht hatte. Maggie strich ihm im Vorbeigehen über das warme Fell. Der Kater reagierte mit einem kurzen, aber lauten Schnurren und sah hoffnungsvoll zu ihr hoch. Vielleicht würde sie ihn ja heute aus der Kälte mit ins Haus nehmen? »Tut mir leid, mein Lieber. Ich würde dich sofort reinlassen, aber du weißt ja, dass Esme dich nicht ausstehen kann.« Schon komisch, dass Esme, die ansonsten alles sehr locker nahm, ausgerechnet in Bezug auf den Kater so kompromisslos war. Zugegeben, er wirkte ganz schön mitgenommen mit seinen zerfledderten Ohren, ein richtiger alter Haudegen mit reichlich Kampferfahrung. Aber dadurch, dass er nur ein Auge hatte, sah es immer ein bisschen aus, als würde er Maggie gut gelaunt zuzwinkern. Und manchmal hätte sie schwören können, dass er eine leise Jazzmelodie vor sich hin summte. Allerdings bildete sie sich gern mal Sachen ein, die gar nicht real waren. »Morgen vielleicht.« Das stellte ihn offenbar zufrieden. Er senkte den runden Kopf und beobachtete weiter die vorbeifahrenden Autos. Schon als Maggie den tristen Hausflur betrat, hörte sie das Telefon klingeln. »Mist!« Hastig öffnete sie die Wohnungstür. Oder zumindest versuchte sie es, denn man musste den Schlüssel beim Umdrehen auf eine ganz bestimmte Weise rütteln, sonst blieb er stecken. Was in ihrer Eile natürlich prompt passierte. Das Klingeln schien unterdessen immer schriller und schriller zu werden. Maggie konnte regelrecht hören, was ihre Mutter dachte: Auf dieses Mädchen ist einfach kein Verlass. Nichtsnutziges Ding. Endlich sprang die Tür auf. Maggie raste ins Wohnzimmer und griff nach dem Hörer des alten schwarzen Wählscheibentelefons, vermutlich dem einzigen auf der ganzen Welt, das noch in Gebrauch war und nicht in einem Museum stand. »Hallo?« »Aha, da bist du ja. Ich dachte schon, du gehst nicht dran.« »Ich war … in der Badewanne.« Maggie wusste selbst nicht so recht, warum sie log, aber das tat sie ihrer Mum gegenüber ziemlich oft. Aus Gewohnheit oder vielleicht Selbstschutz. »Wir telefonieren doch jeden Donnerstag um fünf. Das ist ja wohl wirklich nicht zu viel verlangt.« »Mir war nicht klar, dass es schon so spät ist.« »Und wieso badest du eigentlich mitten am Nachmittag? Da hat Esme am Abend ja kein warmes Wasser mehr.« »Tut mir leid.« »Bei mir musst du dich nicht entschuldigen. Ist schließlich Esmes Wasser.« Eine lange Pause folgte, während der Cynthia Brown sich vermutlich in Erinnerung rief, was die Therapeutin ihr zum Thema konstruktive Kommunikation erklärt hatte. »Wie läuft’s in der Schule?«, fragte sie schließlich. »Prima.« »Macht der Unterricht Spaß?« »Ja.« Maggie unterbrach sich kurz, das Ganze musste ja zumindest annähernd glaubwürdig rüberkommen. »Nur Mathe nicht. Und Französisch finde ich auch doof. Aber ansonsten ist es ganz okay.« »Und wie sieht’s mit deinen Noten aus?« »Och, ganz gut.« Es reichte, wenn ihre Mum die Wahrheit am Ende des Halbjahrs erfuhr. »Hast du schon Freundinnen gefunden? Ist sicher nicht leicht, in der sechsten Klasse die Schule zu wechseln, und dann auch noch mitten im Schuljahr.« Es klang, als würde Cynthia ihren Text von einer Karteikarte ablesen. »Alle sind sehr nett«, antwortete Maggie papageienhaft. »Tja, sei froh.« An dieser Stelle schimmerte kurz die Cynthia Brown durch, mit der Maggie es in letzter Zeit am häufigsten zu tun gehabt hatte, aber ihre Mum riss sich schnell wieder zusammen. »Du würdest es mir doch sagen, wenn irgendwas nicht in Ordnung wäre, oder? Du weißt ja, du kannst über alles mit mir reden.« Maggie stöhnte innerlich auf. Warum sagten Erwachsene so was immer? Na schön: Ich find’s schrecklich hier. Mir fehlt unser Zuhause. Mir fehlt das Meer. Ich hasse die Schule. Ich hab keine einzige Freundin, und weißt du was? Ich will auch gar keine. Ich hocke hier in diesem trostlosen Vorort, in einer winzigen Wohnung mit meiner verrückten Tante, von der Dad gesagt hat, keiner aus der Familie kann sie leiden. Und das alles nur, weil du nicht mal die einfachsten Sachen auf die Reihe kriegst, wie zum Beispiel aufstehen und dich anziehen und zum...