E-Book, Deutsch, 128 Seiten
Reihe: Beck kompakt
Grannemann Führen von unten
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-406-75510-1
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Cheffing - die Kunst, als Mitarbeiter den Chef zu lenken
E-Book, Deutsch, 128 Seiten
Reihe: Beck kompakt
ISBN: 978-3-406-75510-1
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
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37B Vertrauen gewinnen
Cheffing kennt zwei Wege, den Chef zu lenken und den eigenen Einfluss auszubauen. Ich überzeuge meinen Chef von meiner Person oder von meiner Idee bzw. Vorhaben. Kapitel B stellt die Punkte zusammen, die helfen, meinen Chef für mich einzunehmen Was kann ich tun, um meinen Chef davon zu überzeugen, sich für mich einzusetzen? B1 Wir werden nicht nach unseren Leistungen beurteilt
Wir werden nicht nach unseren Leistungen beurteilt, sondern danach, ob wir Erwartungen erfüllen! Es ist einer der schwerwiegendsten Fehler, die Erwartungen des eigenen Chefs nicht zu kennen. Oder die eigenen Erwartungen an uns selbst mit denen des Chefs an uns zu verwechseln. Natürlich gehört es zu den zentralsten Aufgaben von Führungskräften, gut und genau zu delegieren. Die Führungsbücher sind voll von Akronymen wie SMART (spezifisch, messbar, akzeptiert, realistisch und terminiert) oder ähnlichen, die die Formulierung konkreter Erwartungen anmahnen. In der Praxis sieht das leider ganz anders aus. Dort findet man eher ein „Machen Sie mal!“ oder „Sie machen das schon“. Wenn es dann nicht richtig war, bekommt man vielleicht ein „Dann mach ich das eben selbst“. Delegieren ist mühsam und häufig sind es die Mitarbeiter selbst, die viel zu schnell bei der Detaillierung abwinken mit dem Hinweis „Ich weiß schon.“ Vielleicht, weil sie klug und 38erfahren rüberkommen möchten. Die Folge ist allerdings, dass Sie die Erwartungen Ihres Chefs nicht wirklich kennen und sich an den eigenen orientieren. Einfluss bekommen Sie durch Vertrauen, Vertrauen durch Zuverlässigkeit. Und zuverlässig können Sie in den Augen Ihres Chefs nur dann sein, wenn Sie seine Erwartungen kennen. Die Erwartungen des Chefs haben eben nichts damit zu tun, was wir persönlich als Leistung erachten. Leistung entsteht nicht bei uns, sondern bei denen, die sie erhalten. Viele Mitarbeiter scheitern nicht an ihrer Leistungsfähigkeit oder an ihrer fachlichen Kompetenz, sondern am Management ihrer Aufgaben. Überspitzt könnte man formulieren: Wir werden nicht nach unseren Leistungen beurteilt, sondern danach, ob wir Erwartungen erfüllen. Treffen Sie die Erwartungen Ihres Chefs
Damit Sie die Erwartungen Ihres Chefs treffen können, müssen Sie sie kennen. Wenn Sie nicht nachfragen, geht Ihr Chef davon aus, dass das, was er im Kopf hat, auch das ist, was Sie im Kopf haben. Wir alle, nicht nur Chefs, erliegen der sogenannten Verständnisillusion. Solange keine Gegenfragen oder Einwände kommen, gehen wir davon aus, dass der andere die gleichen Bilder und Vorstellungen im Kopf hat, wie wir selbst. In vielen Lebensbereichen können wir mit dieser Illusion mit all den Missverständnissen, die daraus erwachsen können, leben. Aber nicht, wenn es um Aufgaben 39und Aufträge geht, die über das Vertrauen meines Chefs in mich entscheiden. Das gilt weniger für bekannte Aufgaben in einer mehrjährigen Zusammenarbeit. Aber immer, wenn etwas neu ist, sollten wir uns die Mühe machen, den Auftrag zu präzisieren. Machen Sie es Ihrem Chef leicht, seine Erwartungen zu äußern. Um die Erwartungen des Chefs kennenzulernen, brauchen Sie Fragen, die die wichtigsten Eckpunkte der Aufgabe erfassen. „Woran genau, an welchen Punkten kann ich erkennen, dass ich den Job gut gemacht habe?“ „Worauf sollte ich besonderen Wert legen?“ „Worauf kommt es Ihnen oder dem Kunden besonders an?“ „An welchen Details, Symptomen erkenne ich das Erreichen des Ziels?“ Wer die Erwartungen des Chefs nicht kennt, kann ihn auch nicht lenken. Die Erwartungen des Chefs nicht zu kennen und sie nicht zu erfragen, ist einer der größten Fehler. Bei wem liegt die Verantwortung für das Abgleichen der Erwartungen, das Erwartungsmanagement? Bei Ihnen oder beim Chef? Schwierige Frage, aber eines ist klar: Gedanken lesen können Chefs nicht. Im Grunde sind es vier Punkte einer Aufgabe, die Sie durch Fragen klären müssen. 40Vier Punkte einer Aufgabe
Content Woran genau erkenne ich, dass ich den Job gut gemacht habe? Was sind die Erfolgskriterien oder Zielerreichungserkennungsphänomene? Kontext Wozu ist das wichtig? Welchen Sinn, Nutzen, Wert hat diese Aufgabe? Wie ist sie eingebettet in die Gesamtstrategie? Ressourcen Was steht mir an Zeit, Geld, Informationen zur Verfügung? Auf welche anderen Kollegen kann ich zurückgreifen? Regeln Wann und in welchen Abständen schauen wir auf den Fortschritt? Welche Feedback- und Controllingpunkte gibt es? Wen frage ich um Rat oder Erlaubnis/Placet? Warten Sie nicht darauf, dass Ihr Chef gut delegiert. Sorgen Sie selbst dafür. Mit Hilfe der Fragen zu Content, Kontext, Ressourcen und Regeln. 41B2 Jung, dynamisch, erfolglos. Die unsichtbaren Fettnäpfchen
In der Regel ist der Chef derjenige, der die Kultur bestimmt. Was aber ist Kultur? Auf diese Frage gibt es eine pragmatische Antwort. Definition Kultur ist die Summe aller – meistens nicht niedergeschriebenen – Regeln, die beschreiben wie kommuniziert, informiert und entschieden wird. Kultur ist die Summe der K. I. E.-Regeln, der Kommunikations-, Informations- und Entscheidungsregeln. Sie wollen zeigen, wie gut Sie sind, nehmen einen Auftrag an, machen ein Angebot, schicken es los, zeigen, wie selbstständig Sie sind, wie aktiv und dass Sie Ihre Entscheidungsspielräume zu nutzen wissen. Das kann gut gehen, wenn Sie wissen, dass das genau die Erwartungen Ihres Chefs erfüllt. Es gibt aber viele junge und ehrgeizige Mitarbeiter, die hier ins Fettnäpfchen treten. Wenn Sie Glück haben, spricht Ihr Chef mit Ihnen darüber, welche Regeln Sie nicht eingehalten haben. Häufige Beispiele hierfür wären, wenn Sie ihn nicht um sein Einverständnis oder sein Veto gefragt haben, die Kollegen A und B nicht mit einbezogen und ihre Meinungen nicht eingeholt haben oder den Kollegen Y aus der anderen Abteilung nicht mit ins Boot genommen haben. Weniger Glück haben Sie, wenn Sie nichts mehr gesagt bekommen. Die erfahrenen Kollegen, die Sie nicht um Rat gefragt haben, stellen die Zusammenarbeit mit Ihnen ein und 42Ihr Chef denkt nicht mehr an Sie, wenn es darum geht, neue und interessante Projekte und Aufträge zu delegieren. Es wäre ein fataler Irrtum zu glauben, dass nichts geschwätzt genug gelobt sei. Es kann nämlich gut sein, dass Sie längst „die Ruhe des Abstellgleises“ genießen. Sie hören erst dann wieder von Ihrem Chef, und das kann durchaus Jahre dauern, wenn das Gleis anderweitig gebraucht wird (man braucht neue Strukturen, neue Mitarbeiter und eine neue Ausrichtung). Das stückweise Aufdecken dieser unsichtbaren Regeln ist vielleicht das A und O des Cheffings. Beispiel eines Modulleiters aus der Automobilbranche Die Mitarbeiterin, die mich mit Abstand am stärksten gelenkt und geführt hat, war Frau S. Sie gehörte nicht zu den einfachsten Mitarbeiterinnen und sie wurde auch nicht von allen geliebt, aber alle haben sehr gerne mit ihr zusammengearbeitet. Immer wenn etwas neu war, gab es eine Frage von ihr, die mich als Chef zum Nachdenken gebracht hat und mich nachhaltig geprägt hat. Ihre Frage: „Wie gehen wir damit um?“ Auf meine Gegenfrage „Was meinst du damit?“, führte sie weiter aus: „Geht es über meinen Tisch oder über deinen? Auf wen kann ich zurückgreifen? Wie willst du informiert werden? Gibt es bestimmte Punkte, bei denen du dein Veto einlegen möchtest? Gibt es jemanden, den ich um Rat fragen sollte?“ 43B3 Das Grundgerüst der Entscheidungs- und Kommunikationsregeln
Das Grundgerüst ist ganz einfach. In der Regel haben wir es mit mindestens drei Menschen zu tun, mit einem Kunden (intern oder extern), mit einer Kollegin oder einem Kollegen (dessen Input oder Hilfe ich brauche) und mit dem Chef (der den Rahmen festlegt). Die Zusammenarbeit mit diesen Personen wird geprägt durch einen Satz von Regeln, die sich über Wochen und Monate und durch viele Transaktionen entwickeln und verändern. Wenn Sie und Ihr Chef die gleichen Regeln im Kopf haben, ist alles gut. Die meisten Konflikte entstehen nicht bei Routine- oder Standardaufgaben, sondern bei neuen Aufgaben und zeitlich begrenzten Projekten. Man kann diese Regeln vereinbaren („Wie wollen wir damit umgehen?“), aber die meisten Regeln entstehen durch Aktion und Reaktion, durch Versuch und Irrtum. Sie schicken ohne Rücksprache ein Angebot an den Kunden heraus. Der Chef lobt oder sagt nichts, dann lernen wir, dass die reine Info an den Chef bei dieser Klasse von Angeboten in Ordnung ist. Diese Regel entsteht nicht, wenn der Chef sagt, dass das Angebot zwar in Ordnung war, aber er es besser fände, wenn er vorher noch mal darüber schauen könnte. So entstehen im Grunde mit dem Regelwerk nicht nur eine, sondern mehrere Nahtlinien, die das Maß an Abstimmung markieren. 1....