Griesbach | Blutmond | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 269 Seiten

Griesbach Blutmond

HALLER-Horrorgeschichten 1
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-95765-971-2
Verlag: p.machinery
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

HALLER-Horrorgeschichten 1

E-Book, Deutsch, 269 Seiten

ISBN: 978-3-95765-971-2
Verlag: p.machinery
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Freude an Horrorgeschichten speist sich meist aus dem Auftauchen übernatürlicher Gestalten, von Geistern, wiedergeborenen Toten und Monstern. Das wahre Grauen aber liegt oft ganz nah an der sichtbaren Oberfläche der Welt. Aus einer großen Fülle an Texten ausgewählt, präsentiert Corinna Griesbach ein Best-of für die Fans der Düsternis und des Grauens. Es sind die Furcht und die Finsternis, die den Leser erfüllen. Das Fleisch, die Asche, die blutige Gier, zum Leben erweckt. 'Blutmond' ist der erste Band dieser Sammlung; Band 2 erscheint unter dem Titel 'Schatten des Grauens'.

Die 1967 in Marbella geborene Corinna Griesbach ist Autorin von Kurzgeschichten verschiedener Genres und arbeitet auch als Herausgeberin und Lektorin.

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Axel Bölling: In der Gruft
  »Der junge Mann verlässt seine Freunde, um zu heiraten und kehrt an dem Stammtisch zurück, wenn die Ehe öde geworden ist.« Sigmund Freud   Der italienische Kellner von der Eisdiele an der Ecke deckte draußen die Tische ab. Es ging auf den Abend zu, düstere Wolken hatten sich am Horizont zusammengezogen; die verhießen Sturm. Katzengleich umtänzelte er die kleinen Tische, kniffte die Tischtücher zweimal und warf sie dann mit einer gekonnten Bewegung hinter sich auf einen Plastikstuhl. Sein knackiger Hintern spannte die schwarze Trevirahose. Schweißperlchen netzen seinen Bartschatten. Sie kann ihn riechen, diesen Schweiß. Da schießt ihr Ulfs dicker Finger ins Bild. – Grün. Gehorsam ließ sie die Kupplung kommen, und der schwere Wagen rollte an. Und es war wieder wie in der Fahrschule. Auskuppeln. Zweiter Gang. Kupplung langsam kommen lassen. Vorschriftsmäßig. Ulfs dicker Finger stocherte nun wieder auf die winzigen Tipptasten des Autoradios ein. – Hier, Jungs, hört euch das mal an. Natürlich hatte die freundliche Ansprache nicht ihr gegolten, sondern Ulfs Freunden Holger und Olli, die auf der Rückbank rumlümmelten und Bierdunst ausströmten, weil sie schon entsprechend vorgeglüht hatten. Patzige Gitarrenakkorde dengelten los, dann setzte ein beleidigter Sänger ein. – Hier, Jungs, so müssen die Kinks klingen. So sauber hat man das noch nie gehört. Und dann geriet er wieder ins Schwärmen, bei diesen alten Songs von damals aus der Zeit, als er noch jung war, noch Haare hatte, dreißig Kilo weniger wog. Und nicht immer schwitzen musste wie ein Schwein, bei jeder kleinsten Anstrengung. Jeden Freitag trafen sich Ulf und seine Saufkumpane an ihrem CD-Stammtisch im Insulaner, wo sie extra ein Holzwappen mit einer aufgeklebten CD auf den Tisch stellten, um für diesen Abend ihr Revier zu markieren. Dort tranken sie dann ihr Bier und prahlten mit ihren musikalischen Neuerwerbungen, die sie sich zugelegt hatten. Aber meistens tranken sie bloß. Früher, als das mit Ulf gerade anfing, hatte sich Siggi auch noch für Musik interessiert, oder was man so interessiert sein nannte. Sie hatte ein paar Platten gehabt, die meisten davon inzwischen verliehen und nie zurückbekommen. Fleetwood Mac, Cat Stevens, Hannes Wader – an viele konnte sie sich kaum noch erinnern. Aber Musik hatte für sie nie die Wichtigkeit gehabt wie für Ulf und seine Freunde. Jungs sind da eben anders. Und jetzt, mit dem Aufkommen der CDs, hatten sie die Gelegenheit, ihre Musikbegeisterung von einst neu zu beleben. Ein Vermögen hatten sie schon dafür ausgegeben, sich ihre alten Vinyl-Schätzchen, die sie alle in der Euphorie der neuen Abspieltechnik auf den Sperrmüll gegeben hatten, neu zu kaufen und sie sich gegenseitig vorzuspielen, endlich ohne Kratzer und Knistern, ohne Sprünge, sondern mit einer Dynamik wie noch nie und alles makellos und fehlerfrei. – Isses noch weit? Mutti, Durst!, wollte der angesoffene Holger von der Rückbank komisch sein. Holger, der wahrscheinlich schwul war und mit dreißig immer noch bei seiner Mutter lebte. Siggi verkniff sich jeden Kommentar über die Saufnudeln dort hinten, das hätte ihr dann doch bloß wieder diesen Fall-doch-tot-um-Blick von Ulf eingebracht. Und den hatte sie heute bereits bekommen, darauf hatte sie weiß Gott keine Lust mehr. Am Nachmittag war Ulf nämlich wieder laut geworden, weil Siggi keine Lust hatte, die Kerle zu einem Besäufnis bei Jens, ihrem vierten Stammtischkumpanen, zu fahren, der sich ein altes Haus in Arkheim gekauft hatte und eine Housewarming-Party feiern wollte. – Was hab ich mit euch besoffenen Kerlen zu kriegen? Und dann hatte Ulf wieder rumgetobt, wie das denn aussehen würde, er wäre ohnehin dran mit Fahren, und außerdem hätte er den Jungs zu diesem besonderen Anlass doch extra versprochen, ordentlich mitzufeiern. Siggi hatte dann bloß eingewandt, dass sie sich doch auch ein Taxi nehmen könnten, aber da war Ulf gleich losgeplatzt, was das wieder kosten würde, und sie sollte doch auch mal an Jutta denken. – Die hängt ja sonst auch nur alleine dumm rum. – Und was ist, wenn ich schon was vorhabe? Sie hätte ihre Freundin Dorle aus der Jazz-Tanz-Gruppe anrufen und einen gemeinsamen Saunagang oder Kinobesuch klarmachen können, den neuen Rohmer-Film vielleicht. Aber der Ruhe und Frieden halber ließ sie sich dann doch wieder breitschlagen. Damit kriegte er sie immer dran. An die weibliche Solidarität appellieren. Sie hatte Jutta einmal flüchtig bei einer Silvesterparty im Insulaner kennengelernt, wo die Kerle sich natürlich wieder über Gebühr abgeschossen hatten. Siggi hatte sie auch nett gefunden. Kunstgeschichte hatte Jutta studiert, aber dann war ihr Jens über den Weg gelaufen, und alles kam, wie es kommen musste: Heirat, zwei Kinder und jetzt das Haus auf dem Lande, weil das billiger war. Dies entsprach nun wirklich nicht Siggis Lebensentwurf. Und nun sollte sie den ganzen Abend mit Jens’ Frau in der Küche sitzen und über Fragen der Kindeserziehung sprechen, während Ulf und die anderen Versoffenen im Wohnzimmer pichelten. Ohne Zweifel, dieses Schwein Jens hatte seine Frau eingegraben, wie in eine Gruft. Bauknecht weiß, was Frauen wünschen, stand an einem Schaufenster geschrieben. Es war unbeleuchtet und glich einer großen leeren Augenhöhle. Die toten Augen von Burtscheid. Siggi lächelte. Die Häuser waren bis zum ersten Stock vollverklinkert, in Grau oder Ocker. Ulf hatte ihr mal erzählt, das käme davon, dass sich die Rheinländer beim Straßenkarneval ständig übergeben und an die Häuser pissen würden. So war er am Anfang gewesen, als er noch komisch war und noch nicht dieser pingelige Oberlehrer mit seinem spitzen Zeigefinger. Kaum ein Mensch auf der Straße. Die saßen alle zu Hause, aßen zu Abend und sahen sich die Vorabendserien an. Erstaunlich viele Rollgitter vor den Läden, noch nicht eingeschaltete Ladenschilder, geradezu nackt und schutzlos, von Loewe Opta und Agfa Color. Bloß ein Coca Cola Schild verhieß weithin erkennbar letzte Einkehr vor den schwarzen Wolken am Horizont. Taverna Nausikaa, konnte Siggi im Vorbeifahren lesen. Ein Gyrosspieß rotierte sprützelnd hinter der Scheibe. Ein junger Mann steht davor. Der wetzt ein langes Messer. – Da braut sich ganz schön was zusammen, bemerkte der fette Olli von der Rückbank. Den Rest der Fahrt schwieg man, Ulf machte missmutig den Discjockey, wohl, weil die Welt, seine Welt, schon drei Drinks im Vorsprung war und er noch warten musste. Irgendwann schließlich hatten sie es dann nach Arkheim geschafft, noch vor dem Sturm. Am Rand des Dorfes hatten sich ein paar Einfamilienhausbungalows breitgemacht, wo die typische Studienrats- oder Oberarztklientel ihren neumodischen grünen Neigungen frönte. Vor einem Bushäuschen standen Jugendliche versammelt, einige hatten Mopeds. Und weiter ging es Dorf einwärts, immer die eine Straße entlang. Die Misthaufen vor den Häusern waren verschwunden, die hatten sie jetzt nach hinten raus. Vorne hatte man kleine Vorgärten mit kniehohen Metallzäunen angelegt, dahinter wuchsen auf wohlgetrimmten Rasenflächen leuchtend bunte Geranien in alten Futtertrögen oder aus großen liegenden Traktorreifen. Bloß im Vorgarten von Jens und Jutta wuchs nichts. Ein paar kleine Rasenflecken waren da, ansonsten wirkte die Erde, als wäre sie mit Salz gedüngt worden. Verdorrte Dornenbüsche wuchsen dicht an den Gehweg zum Haus und man musste aufpassen, dass sie sich nicht an der Kleidung festhakten, um die Besucher am Betreten zu hindern. Ein knallrotes Bobby Car lugte aus dem Gesträuch. Der alte Backsteinbau hockte behäbig und drohend da wie eine warzige Kröte, die das Wasser in einem Brunnen vergiftet, und es schien, als würden ihm alle anderen Häuser des Dorfes die kalte Schulter zeigen. Siggi parkte den Wagen vorschriftsmäßig ohne Probleme am Straßenrand. – Hast du das Geschenk, sagte Ulf zum fetten Olli, der sich daraufhin an die Jacketttasche klopfte. – Alles am Mann. Dann konnte es ja nicht so viel sein; wahrscheinlich wieder eine CD. Gut, dass Siggi noch an einen Blumenstrauß gedacht hatte, sonst hätten sie für Jutta gar nichts gehabt. Den holte sie jetzt noch aus dem Kofferraum, dabei warf Siggi einen Blick auf das Anwesen. Im Erdgeschoss hatte Jens die alten Sprossenfenster herausgeschlagen und brachial durch neue Thermoprenscheiben ersetzt, durch die ein heimeliges gelbes Licht strahlte. Aber dann sah sie auch einen schmalen, sich nach unten verbreiternden Riss im Mauerwerk, der von den oberen Etagen bis tief ins Erdreich hinablief. Wie konnte es Jutta bloß hier aushalten? Im oberen Teil der antiken Eingangstür, einem schweren dunklen Stück, massiv wie ein altdeutscher Kleiderschrank, waren Milchglasscheiben angebracht, in der Mitte ein Klopfer in Form einer Bärentatze, darunter ein Briefschlitz, und in derselben Höhe daneben hatte Jens die...



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