Grimm / Heinzl / Hainzl | Antisemitismus in Österreich nach 1945 | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 300 Seiten, Format (B × H): 160 mm x 233 mm

Grimm / Heinzl / Hainzl Antisemitismus in Österreich nach 1945


1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-95565-542-6
Verlag: Hentrich & Hentrich
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 300 Seiten, Format (B × H): 160 mm x 233 mm

ISBN: 978-3-95565-542-6
Verlag: Hentrich & Hentrich
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



„Antisemitismus in Österreich“ bildet die Vielgestaltigkeit der heterogenen Antisemitismen in Österreich ab. Die Beiträge widmen sich dem Antisemitismus in religiösen und politischen Milieus, im Kontext erinnerungspolitischer und -pädagogischer Auseinandersetzungen, in unterschiedlichen Medien sowie in staatlich-institutionellen Kontexten.

Die Autorinnen und Autoren schließen eine Publikationslücke: Bisher existiert kein Überblickswerk oder Sammelband über die Facetten des Antisemitismus in Österreich.

Mit Beiträgen von Karin Bischof, Marion Löffler Barbara Serloth Mouhanad Khorchide Hasan Softic Helga Embacher Stephan Grigat Margit Reiter Bernhard Weidinger Klaus Davidowicz Bernadette Edtmaier Heinz P. Wassermann Florian Markl Ben Dagan Matthias Falter

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Weitere Infos & Material


Antisemitismus im Parlament seit 1945 – Legalistischer Antisemitismus im Kontext der Kunstrestitution – Antisemitismus unter Muslimen – Antisemitismus in der bosnischen Community – Positionierungen der FPÖ zu jüdischen Gemeinden und Israel – Antisemitismus in der Linken – Antisemitismus in der FPÖ bis 2010 – Antisemitismus in den Burschenschaften – Antisemitismus im Film – Antisemitismus unter Jugendlichen – Antisemitismus im Spiegel der Meinungsumfragen – Antisemitismus in den Qualitätsmedien – Antisemitismus in Sozialen Medien – Antisemitische Codes in der politischen Kommunikation


Jüdischsein ist keine Selbstverständlichkeit
Christina Hainzl Einleitung
Antisemitismus und jüdisches Leben sind in Europa und Österreich nicht zuletzt durch zahlreiche Angriffe auf jüdische Einrichtungen und Personen präsente Themen. In den letzten Jahren sind insbesondere zu Antisemitismus zahlreiche Studien erschienen, aber auch viele Berichte zu jüdischer Kultur in Europa. Studien zu Antisemitismus befragen zumeist die Gesamtbevölkerung, also jüdische wie nichtjüdische Personen. Die vorliegende Interviewstudie basiert auf der Überlegung, mit jüdischen Personen zu sprechen, um ihre Erfahrungen, Sichtweisen und Einschätzungen im aktuellen Kontext kennen zu lernen. Ziel ist eine Bestandsaufnahme: Welche Themen bewegen? Wie bewerten jüdische Personen das alltägliche Leben, aber auch Erfahrungen mit Antisemitismus? Für diesen Beitrag wurden aus den Interviews vor allem jene Aspekte entnommen, welche sich mit den Erfahrungen von Antisemitismus beschäftigen. Gleichzeitig geht es dabei auch sehr oft um Fragen der Identität, um biographische Faktoren und Erlebnisse. An dieser Stelle möchte ich jenen danken, die sich die Zeit genommen haben, mit mir zu sprechen. Es waren fast immer sehr lange und offene Gespräche. Diese wurden in ganz Österreich geführt, die meisten jedoch in Wien, da hier die überwiegende Mehrheit der jüdischen Personen in Österreich lebt. Die interviewten Personen haben sehr unterschiedliche Hintergründe. Einige kommen aus Israel, andere aus europäischen bzw. osteuropäischen Ländern; die Anzahl der interviewten Frauen sowie älteren Personen unter den Befragten ist etwas höher. Der Bezug zur Religion und jüdischen Kultur variiert deutlich. Mit allen Personen wurde Anonymität vereinbart, daher wird auch in Folge auf die Angabe soziodemographischer sowie biographischer Daten verzichtet (und in der Folge immer mittels der Bezeichnung „InterviewpartnerIn“ (IP) anonymisiert). Methode
Im Zeitraum von Dezember 2018 bis März 2020 wurden über 30 Interviews mit jüdischen Personen in Österreich zum Thema „Jüdisches Leben in Österreich“ geführt. Einige davon waren Hintergrundgespräche, deren Input in die Auswertung miteingeflossen ist, 22 davon wurden aufgezeichnet, transkribiert und mittels sequentieller Codierung analysiert. Die Interviews selbst wurden offen zum Thema gestaltet; meist begannen diese mit autobiographischer Erzählung und thematisierten dann verschiedene Facetten und Erfahrungen. Nachstehend sind nun ausgewählte Aspekte dargestellt, die sich durch die Auswertung ergeben: Gemeindeleben in Wien und den Bundesländern
Die Zahlen, wie viele Jüdinnen und Juden heute in Österreich leben, variieren. Generell geht man davon aus, dass es etwa 15 000 Personen sind. Etwa 8000 davon sind Mitglieder der Israelitischen Kultusgemeinde. Die Interviews wurden sowohl mit religiösen als auch mit nichtreligiösen Jüdinnen und Juden geführt. Auffallend ist dabei, dass in Wien das Leben in der jüdischen Gemeinde als florierend wahrgenommen wird. Viele InterviewpartnerInnen betonen, dass sie sich in Wien im Großen und Ganzen sicher fühlen und dass sie das vielfältige jüdische Leben mit all seinen Veranstaltungen und Möglichkeiten zum Einkaufen koscherer Lebensmittel in Wien schätzen: „Wenn man das Leben heute betrachtet, es ist eine unglaublich lebendige, spürbare Gemeinde die so stark vertreten ist in jedem Bereich … von der Kultur, der Tradition, der Religion. Es ist alles so sichtbar, es ist präsent, es wird wahrgenommen, es wird geschätzt, das war alles nicht der Fall.“ (IP 16) IP 11 berichtet: „Es sind alle überrascht, welch tolle Einrichtungen wir hier haben. Es wurden Einrichtungen geschaffen, die wirklich einzigartig sind hier in Europa … und wir haben schon ein florierendes Gemeindeleben und es ist auch bekannt, dass etwa Mitglieder der Gemeinde von München oder von Frankfurt zu den Feiertagen nach Wien kommen und hier koscheres Essen kaufen, weil die Qualität und der Preis hier sensationell ist im deutschsprachigen Raum.“ In den Bundesländern existieren nur relativ kleine Gemeinden; hierzu wird von den GesprächspartnerInnen oft darauf hingewiesen, dass es jüdisches Leben nur eingeschränkt oder je nach Bundesland kaum gibt. IP 4 etwa meint: „Wie ich es wahrnehme, sieht man auch im Zustand der Gemeinde selber. Es gibt sie eigentlich gar nicht.“ Die hebräische Sprache wird verstärkt gesprochen und schafft nicht nur eine Verbindung für Jüdinnen und Juden aus verschiedenen Ländern, sondern nimmt auch eine symbolische Funktion ein. „Hebräisch ist, innerhalb der Gemeinde, auch von den jungen Leuten so eine Art Lingua franca geworden, auch unter Jugendlichen und das hat noch einmal etwa Verbindendes, kulturell Verbindendes“ (IP 10). Umgang mit der Shoah
Problematisch wird vielfach der Umgang mit der Shoah wahrgenommen. Viele berichten, dass ihre Eltern und Familien früher dazu geschwiegen hätten. Die zweite und dritte Generation hingegen beschäftigt sich damit intensiver und „seit den 80er, Anfang der 90er Jahre ist ganz viel aufgebrochen“, so IP 16. „Es war dieses Schweigen, am besten nichts mit irgendetwas zu tun zu haben, auf jeder Seite, und ja nur nicht über die Vergangenheit reden. Das war so etwas von präsent.“ Einige empfinden auch Angst, wenn sie sich mit der Shoah beschäftigen: „Ich muss auch sagen, dass mit dieser Beschäftigung mit der Geschichte eigentlich meine Angst und meine Unsicherheit definitiv mehr geworden sind. Und mich das schon immer wieder sehr beunruhigt.“ (IP 2) Einige Personen weisen auch darauf hin, dass es an Wissen über die Shoah, aber auch über die Geschichte nach 1945 fehlt. IP 16 berichtet aus dem Arbeitsalltag: „Es fehlt sehr viel an Wissen und zwar die jüngere österreichische Geschichte wird ausgeblendet. Waldheim, Kreisky, Vranitzky, Wiesenthal … Namen, die nicht bekannt sind. Und, das würde man nicht glauben, auch auf höheren Schulen“. IP 4 formuliert es so: „Viele Menschen haben keine Vorstellung, was jüdisches Leben bedeutet. Sie haben Filme gesehen, wo Menschen im Konzentrationslager sterben, aber in Wahrheit ist es ja nicht jüdisches Leben, das ist jüdisches Sterben.“ Vorurteile
Auch von Stereotypen berichten einige Interviewte. IP 11 erzählt: „Wir haben verhandelt und dann hat ein Geschäftspartner gesagt: ‚Das ist ja fast jüdisches Verhandeln, was du da machst.‘ Und ich habe gesagt: Naja, ich bin halt Jude. Und er meinte dann: ‚Das habe ich nicht gewusst … aha … aber so viel Geld wie die Juden hast du nicht?‘ … Der Stammtisch-Antisemitismus, den gibt es.“ IP 22 meint: „Ich denke, etwa 15 % haben tiefe Vorurteile. Dieses Festmachen von Geldgier und Reichtum und was auch immer, das sitzt tief drinnen, in dem was sie von den Eltern, von den Großeltern, in der Schule gelernt haben … das sitzt tief.“ Andere wiederum sehen aber auch Veränderungen: „Wo viele Dinge früher einfach so hingenommen wurden, habe ich heute das Gefühl, das geht nicht.“ (IP 16) Heimat Österreich?
Auf die Frage, ob Österreich als Heimat empfunden wird, sind die Antworten zwiespältig. IP 15 hält fest: „Kulturell bin ich hier, aber emotional … ich glaube, es ist schwer, sich in Österreich als JüdIn zu Hause zu fühlen“. Einige GesprächspartnerInnen teilen mit, dass sie auf Unverständnis gestoßen seien, als sie nach Österreich gezogen oder zurückgekommen sind. IP 18 berichtet, aufgrund einer Heirat nach Österreich gekommen zu sein, und erinnert sich an die Frage einer/eines FreundIn: „Wie kannst du auf Deutsch lieben?“ IP 15 drückt es so aus: „Wir sind irgendwie Luft-Menschen, aber wenn man sich damit abfindet, dann kann man so leben. Sich als Österreicher zu fühlen, zu leben, geht.“ In diesem Zusammenhang wird auch deutlich, dass zahlreiche Interviewte Erfahrungen mit Othering (Stuart Hall) gemacht haben: „Man hat immer gewusst, man ist anders, man gehört eigentlich nicht dazu zu dieser Gesellschaft“ (IP 21). IP 1 berichtet von Erfahrungen mit Philosemitismus: „In dem Moment, wo Lehrer wussten über meinen Background, habe ich eher eine positive Diskriminierung erlebt.“ Erfahrungen mit Antisemitismus sind vielfältig
Die Wahrnehmung von Antisemitismus zeigt sich sehr unterschiedlich. Einige InterviewpartnerInnen sagen, sie selbst hätten Antisemitismus nie persönlich erlebt: „Wenn Sie mich als Person fragen, habe ich nicht viel Antisemitisches erlebt“...



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