E-Book, Deutsch, 338 Seiten
Grimpo Das Portal nach Ot'rona
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7526-9673-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 338 Seiten
ISBN: 978-3-7526-9673-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Fabelwesen existieren nur in Büchern. Für den achtzehnjährigen Elias ist dies eine unumstößliche Tatsache. Doch als er eines Abends auf seine kleine Schwester Billie aufpassen muss, wird sein Weltbild gehörig auf den Kopf gestellt. Denn in seinem Kleiderschrank öffnet sich plötzlich ein magisches Portal. Und Elias und Billie geraten von jetzt auf gleich in ein Abenteuer, das sie so schnell nicht wieder vergessen werden.
Gina Grimpo, geboren 1988 in Bremen, hatte schon immer eine Vorliebe für Geschichten und alles Fantastische. Nach dem Lesen unzähliger Romane und der Veröffentlichung von Kurzgeschichten wagt sie nun mit "Das Portal von Ot'rona" die Veröffentlichung ihres ersten Fantasy-Romans.
Autoren/Hrsg.
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EINS
Es sollte ein Abend der Merkwürdigkeiten werden. Und dabei hatte der Tag so ereignislos angefangen. So ereignislos, dass jetzt, kurz nach neunzehn Uhr, schon niemand mehr zu sagen vermochte, ob in den vergangenen Stunden etwas Erwähnenswertes geschehen war. Und der Abend hätte gerne so weiter verlaufen können, wenn da nicht die blonde Frau in dem schwarzen, eng geschnittenen Cocktailkleid und der elegant gekleidete Mann mit dem akkurat gestutzten Bart gewesen wären. Sie strich sich verstohlen lächelnd eine Haarsträhne hinter ihr linkes Ohr und ihre Finger wanderten langsam in Richtung des Mannes. Dieser ergriff die ihm dargebotene Hand und seine grünen Augen blitzten. Dies alles geschah unterhalb der Tischplatte, in der festen Absicht, die Berührung zu etwas Persönlichem zu machen, einer Besonderheit, an der niemand sonst teilhaben durfte. Und dennoch ... »Sucht euch ein Zimmer!« Die Reaktion auf diese Worte folgte augenblicklich. Die Hände lösten sich voneinander. Zwei Paar grüne Augen richteten sich auf den achtzehnjährigen Jungen, der den beiden gegenüber saß und seine ebenso grünen Augen mit einer übertriebenen Geste zur Zimmerdecke verdrehte. »Elias!« Der Junge strich sich die blonden Haare aus der Stirn und hob seine Hände zu einer bittenden Geste. »Dann benehmt euch wenigstens so lange, bis ihr das Haus verlassen habt.« Der Mann öffnete den Mund, um mit einer angemessenen Entgegnung zu reagieren. Elias stellte sich augenblicklich taub. Sein Ziel war erreicht. Er hatte dem Geturtel seiner Eltern ein rasches Ende bereitet. Es war für ihn nicht zu fassen, dass die beiden sich an diesem Abend wie ein verliebtes Teenager-Pärchen aufführten. Und das nach zwanzig Jahren Ehe. Elias begrüßte es sehr, dass sich die beiden im Normalfall – nun ja – eben normal verhielten. Doch heute, an ihrem Hochzeitstag, gab es verliebte Blicke, verstohlene Küsse, außerdem – und das war das Seltsame – Karten für ein Theaterstück. Elias vermochte sich nicht zu erinnern, wann seine Eltern das letzte Mal ausgegangen waren. So schick herausgeputzt und nur zu zweit. Bis eben war es ihm sogar als Selbstverständlichkeit erschienen, dass seine Mutter und sein Vater im Laufe der Jahre völlig automatisch das Interesse aneinander und am gesellschaftlichen Leben verloren hatten. Unglücklicherweise zu seinem eigenen Leidwesen, denn die wenigen Abende, an denen er das Haus für sich alleine hatte, waren rar gesät. Und so begann die Zeit der Merkwürdigkeiten. Merkwürdigkeiten, die mit so etwas Belanglosem wie Theaterkarten ihren Anfang nahmen und, er wünschte sich im Nachhinein, das alles vorher geahnt zu haben, sich weit über diesen einen Abend hinausziehen würden. Doch zum jetzigen Zeitpunkt wusste er von alledem nichts und in diesem Moment gab es nur etwas, das seine Freude über den elternlosen Samstagabend trübte. Das Etwas hatte rotblonde Haare, Sommersprossen und saß, mit offenem Mund ein Stück Käse kauend, neben Elias am Tisch. »Regt euch nicht auf. Er ist nur sauer, weil ihr euren Spaß habt und er gestern Nacht Isabell nicht ins Bett bekommen hat.« »Billie!« Die ungeteilte Aufmerksamkeit seiner Eltern galt nun seiner kleinen Schwester. Das Mädchen zuckte ungerührt mit den Schultern und biss von seinem Brötchen ab. »Aber es stimmt«, nuschelte sie mit vollem Mund, »er hat ihr draußen vor der Haustür die Zunge in den Hals gesteckt und hat sie dann überreden wollen noch mit rein zu kommen – auf einen Kaffee … « Billie sah ihren Bruder bedeutungsvoll an und dieser, plötzlich wieder die Aufmerksamkeit seiner Eltern auf sich ziehend, rutschte auf seinem Stuhl ein ganzes Stück weit nach unten. »Sei ruhig!« »Aber sie wollte nicht und als sie gegangen ist, war er total sauer.« »Halt die Klappe!« »Dabei hat er am Abend vorher noch vor seinen Freunden am Telefon angegeben, dass er sie nach der Party klar machen würde.« Billie beendete grinsend ihre Erzählung und schaute in die Runde, als erwartete sie Applaus. Elias hätte seiner Schwester am liebsten den Hals umgedreht – ein Gefühl, dass ihn nicht allzu selten überkam. Billie war nicht unbedingt das, was man als pflegeleicht bezeichnen konnte. »Sybille Kramer, es reicht jetzt!« Die Tatsache, dass ihre Mutter sie mit ihrem richtigen Namen anredete, signalisierte Billie, dass es in der Tat reichte. Billie hasste ihren eigentlichen Vornamen und aus diesem Grund bekam sie diesen nur in besonders ernsten Fällen zu hören. Das war nicht immer so gewesen. Eine Zeit lang stand Billie ihrem Namen sogar ziemlich gleichgültig gegenüber. Er war nun mal da und er gehörte zu ihr, mehr brauchte sie zu diesem Thema nicht wissen. Dann wurde sie eingeschult. Billie befand sich vom ersten Tag an mit ihrer Lehrerin auf Kriegsfuß. Als sie erfuhr, dass Frau Kössler mit Vornamen Sybille hieß, bestand Billie auf ihre Kurzform. Die nachfolgende Zeit war vor allem für Billies Eltern eine Herausforderung, denn ihre Tochter ignorierte ihren richtigen Namen mit Erfolg so lange, bis man auf die von ihr gewünschte Ansprache zurückgriff. Doch jetzt, über sechs Jahre später, hatten sie sich damit abgefunden. Elias spürte die Blicke seiner Eltern auf sich ruhen. Jetzt, da Billie zurechtgewiesen worden war, galt ihre Aufmerksamkeit wieder ihm. »Du musst die Gefühle des Mädchens respektieren. Sie ist ein Mensch und kein Objekt.« »Wenn du sie wirklich liebst, dann lässt du ihr Zeit.« »Du meinst es doch ernst mit ihr, oder?« Elias atmete einmal tief ein und wieder aus und wünschte sich nicht zum ersten Mal in seinem Leben, ein Einzelkind zu sein. Er musste das Gespräch zurück auf seine Schwester lenken. Übertrieben freundlich lächelnd drehte er seinen Kopf in ihre Richtung. Billie sah ihn misstrauisch an und hörte augenblicklich auf zu kauen. Weiterhin übertrieben freundlich fragte Elias: »Warum warst du denn letzte Nacht noch so spät auf?« Der Satz wirkte. Die Köpfe seiner Eltern wandten sich wieder Billie zu, die begann, auf ihrem Stuhl hin und her zu rutschen und mit großer Aufmerksamkeit ein Pfefferkorn aus ihrer Salami pulte. »Ähm … ich…hatte Durst?!« Frau Kramer rieb sich die Schläfen, als hätte sie Kopfschmerzen. »Das regeln wir morgen. Wir müssen jetzt los, sonst verpassen wir das Stück. Elias, bitte sorge dafür, dass deine Schwester heute ausnahmsweise mal früh ins Bett kommt.« Elias verzog das Gesicht. »Warum könnt ihr denn keinen Babysitter beschaffen? Ich meine, ausgerechnet heute.« »Nach dem ganzen Abi-Stress tut dir eine Auszeit ohne zu feiern mal ganz gut«, unterbrach ihn seine Mutter. Elias wollte einwenden, dass feiern das war, was er unter eine Auszeit verstand, doch sein Vater kam ihm zuvor. »Warum kannst du deinen Eltern nicht einmal einen Gefallen tun?« Sein tadelnder Tonfall duldete keinen Widerspruch. Billie protestierte zeitgleich: »Ich bin kein Baby!« Nun war es Elias, der demonstrativ seine Schläfen massierte und sich dann auf sein Zimmer zurückzog. Er sehnte den Tag herbei, an dem er sein Auslandsjahr beginnen würde. Zwölf Monate Irland, zwölf Monate Ruhe, zwölf Monate Unabhängigkeit. Er ließ sich auf sein Bett fallen und starrte ein paar Minuten lang an die Decke. Dann warf er einen Blick auf sein Handy. Kein Anruf, keine SMS, kein Nichts. Wieso auch? Alle würden sich heute auf der Party amüsieren und alle wussten, dass er, der sonst nie eine Gelegenheit zum Feiern ausließ, dazu verdonnert worden war, auf seine kleine Schwester aufzupassen. An einem Samstagabend! Sämtliche Diskussionen hatten nichts genutzt und so sah Elias sich dazu gezwungen, auf die Party des Jahres zu verzichten und stattdessen die Zeit mit einer Zwölfjährigen totzuschlagen. Konnte es schlimmer kommen? Es konnte. Elias hatte es sich mit einer Cola vor seinem Fernseher gemütlich gemacht und zappte gelangweilt durch die Programme. Nur wenige Augenblicke später öffnete sich die Zimmertür. Ohne zu fragen, trat Billie ein, kniete sich direkt vor den Fernseher und schaltete den DVD-Spieler ein. Bud Spencer und Terrence Hill verschwanden vom Bildschirm. »Was - «, begann Elias und setzte sich auf seinem Bett auf, doch Billie unterbrach ihn. »Maeve hat mir einen Film ausgeliehen, den sie morgen unbedingt wieder braucht, deswegen muss ich ihn mir heute ansehen.« Elias atmete einmal tief durch, dann versuchte er es mit Freundlichkeit. »Und warum ausgerechnet auf meinem Fernseher?« Billie hantierte weiter mit dem Gerät. »Weil der DVD-Spieler von Mama und Papa...