E-Book, Deutsch, 224 Seiten
Reihe: Johanna Miebach
Gruber Mandelblütenmord
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-96041-334-9
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Mallorca Krimi
E-Book, Deutsch, 224 Seiten
Reihe: Johanna Miebach
ISBN: 978-3-96041-334-9
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Detailliert recherchiertes Lokalkolorit von Ballermann bis Felanitx.
Schock in Llucmajor: Auf einer Finca wird die Leiche einer bekannten Krimi-Autorin entdeckt. Der Fall ruft die besten Undercover-Ermittlerinnen Mallorcas auf den Plan, die vierundsiebzigjährige Johanna und ihre einundzwanzigjährige Enkelin Gemma. Gemeinsam mit Héctor Ballester, Inspector bei der Policía Nacional in Palma, dringen sie tief in das Leben der Toten ein – bis weitere Morde geschehen ...
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1
Der Streit hatte schon am Flughafen von Palma begonnen, auf dem Weg vom Gate zum Mietwagenschalter. Es war neun Uhr morgens an einem sonnigen Februartag, und Claudia Groth hatte das deutliche Gefühl, dass ihre Ehe mit Matthias ein Fehler gewesen sein könnte. Doch Claudia Groth wusste nicht, dass sie heute noch sterben sollte. Und so nahm sie sich ausreichend Zeit, um sich erst leise, dann immer lauter mit Matthias zu zanken. »Warum muss immer alles groß und protzig sein?«, fragte sie genervt, während sie ihren grauen Rollkoffer ärgerlich hinter sich herzerrte. »Warum?« Sie hatte einen kleinen Flitzer reserviert, einen Fiat 500 mit Verdeck. Sie mochte die wendigen Wägelchen und fand, sie wirkten von innen viel größer, als man von außen meinen sollte. Doch Matthias hatte die Buchung heimlich auf die größte und teuerste Limousine geändert, die die Mietwagenfirma im Angebot hatte. Das hatte er ihr gestanden, während sie an der Kofferausgabe warteten. »Wir sind nur zu zweit, was sollen wir bitte mit diesem Monster von Auto?«, zischte Claudia. »Wo willst du damit parken? Wir wollen doch Ausflüge machen.« Matthias blickte mürrisch geradeaus. »Ich gurke doch nicht mit so einer Zwergenkarre durch die Gegend, das solltest du wissen. Dein Spartick grenzt schon an Geiz.« »Du weißt genau, dass ich mit diesen großen Dingern nicht gern fahre«, flüsterte Claudia. »Hier ist alles voller enger Gassen und winziger Sträßchen, da kommt man doch kaum durch.« »Wenn man Auto fahren kann, kommt man da durch.« Der junge Angestellte der Autovermietung verfolgte den Streit gelassen und nutzte die Gelegenheit, um noch eine vollkommen sinnlose Zusatzversicherung auf der Rechnung unterzubringen. »Unterschreiben Sie hier, hier und hier. Die Kreditkarte bitte.« Claudia riss ihre Platin-Card aus dem Portemonnaie und schob Matthias den Autoschlüssel in die Hand. Sie fühlte sich elend und älter als ihre achtundvierzig Jahre. Schweigend fuhren sie über die Landstraße Ma-19A vom Flughafen in Richtung Llucmajor, vorbei an Wiesen voll saftig gelbem Sauerklee und prächtig blühenden Mandelbäumen. Es hatte viel geregnet in den vergangenen Wochen. Jetzt schien die Sonne, die Insel erstrahlte in Blüten und frischem Grün. Der Frühling kam. Schon beim Anflug auf Palma hatte Claudia aus dem Fenster des Flugzeugs nach den rosa Blütenwolken Ausschau gehalten. Sie liebte Mallorca zur Mandelblüte. Die zarten Farbtupfer gaben der Insel etwas Poetisches und Geheimnisvolles, als hätte eine Fee die Felder und Hügel in ein Märchenreich verwandeln wollen, zumindest für einige Wochen im Jahr. Der Anblick reichte leider nicht aus, um sie froher zu stimmen. Ein Gefühl der Trauer beschlich sie. Sie vermisste Richard so sehr, dass es wehtat. Seit sieben Jahren war er fort. Sieben lange Jahre. Rette mich, dachte sie verzweifelt, Richard, komm und rette mich. Ihr schossen Tränen in die Augen. Sie wandte sich ab und tat, als bewunderte sie die grüne Landschaft. Matthias bremste so scharf, dass Claudia nach vorn geworfen wurde, dann fuhr er den schicken Jaguar XF rechts auf einen kleinen Parkstreifen. Der Autofahrer hinter ihm musste ausweichen und hupte empört. »Hör mal, jetzt heul nicht auch noch«, sagte Matthias und wirkte angestrengt ruhig. »Wir haben die Finca seit zwei Jahren und waren bisher kaum da. Wir müssen immer noch Einrichtung für unser Haus kaufen, Pflanzen für den Garten, einen Sichtschutz für den Zaun, lauter solches Zeug. Wolltest du das in dieser Minikugel transportieren?« Claudia schluckte ihre Tränen herunter. »Wenn du Baumaterial durch die Gegend fahren willst, hättest du lieber gleich einen Lieferwagen gemietet«, schnappte sie zurück, verschränkte die Arme und sah wieder aus dem Fenster. »Unser Haus«, hatte er gesagt. Sie hatte immer mit Richard eine Finca auf Mallorca haben wollen. Sie hatten sich das Grundstück, das Gebäude, den Garten, den Pool in allen Einzelheiten ausgemalt. Unzählige Male waren sie in den Ferien mit einem kleinen Mietwägelchen über die Insel geholpert, über steinige Feldwege und durch schmale Gassen. Bei jedem Haus, jeder Finca, jedem Grundstück, das ein »En venta«-Schild vor dem Tor stehen hatte, waren sie stehen geblieben. Manchmal hatten sie sich sogar nach dem Preis erkundigt, das Haus besichtigt, getan, als wollten sie es sich überlegen. Dabei wussten sie beide genau, dass sie sich mit ihren kleinen Einkommen kein solches Haus würden leisten können. Niemals hätte Claudia gedacht, sich auch nur erhofft, mit ihren Büchern eines Tages so viel Geld zu verdienen. Sie waren auch so zufrieden gewesen. Richard arbeitete als Gitarrenlehrer, Claudia saß halbtags als Sekretärin in einem Büro und schrieb abends Krimis, die viele Jahre lang niemand drucken wollte. Ihre Finca existierte nur in der Phantasie, und sie nahmen sich viel Zeit, es sich gemeinsam auszumalen, wie es wäre, ein eigenes Haus auf Mallorca zu besitzen. »Wir brauchen Mandelbäume!«, hatte Claudia gerufen. »Mandelbäume, Orangenbäume und Hochbeete für das eigene Gemüse.« Richard hatte dann gelacht und in seiner tiefen, leisen Stimme gebrummt, er habe alles genau vor Augen. Claudia emsig im wunderbaren Garten, er gitarrespielend auf der Terrasse. Ein Traum, sanft berankt von Bougainvillea und Jasmin. Genau diesen Traum von einem Haus hatte Claudia dann in der Nähe von Llucmajor gefunden. Die Finca sah bis zum letzten Olivenbaumblatt so aus, wie sie es sich ausgemalt hatten. Doch da war Richard schon weg, und Matthias sagte »unser Haus«. Es war ihre Finca, sie hatte alles bezahlt. Und sie hatte noch viel mehr als das getan. Es half alles nichts. Die Ehe mit Matthias war ein Fehler gewesen, den sie so schnell wie möglich wieder korrigieren sollte. Ihr tat der Kopf fürchterlich weh, jeder Knochen. Ich bekomme eine Grippe, dachte sie. Hoffentlich ist es nur eine Grippe. »Lass mich bitte beim ›Hiper‹ raus«, bat sie kühl. »Ich kaufe für heute Abend ein und gehe noch schnell die schöne Küchenuhr holen, die wir beim letzten Mal gesehen haben.« Matthias warf ihr einen kurzen Blick zu. »Willst du dich nicht erst umziehen und frisch machen?« Sie spürte einen Stich. Das machte er in letzter Zeit immer wieder – ihr das Gefühl geben, sie sei unpassend gekleidet oder nicht gut genug zurechtgemacht. Sie sah an sich hinunter. Bequeme Sneaker, weiche Leggings, ein XL-Pulli, so lang wie ein Minikleid, von dem sie hoffte, er kaschiere die Hüften und die Speckröllchen. Sie fühlte sich plötzlich hässlich. Und dann diese Müdigkeit, die Gereiztheit, die Schmerzen. Es war ihr in den vergangenen Wochen immer schlechter gegangen. Eine böse Ahnung hatte sie ergriffen, ein namenloses Grauen. Es durfte so nicht sein. Es konnte nicht sein. Sie bildete sich alles nur ein. »Nein, ich gehe ja nur rasch einkaufen.« Matthias nickte. Er bog bei der Plaça Mare de Déu de Gràcia rechts ab und fuhr durch den Kreisverkehr bis zum »Hiper Centro Supermercado« an der Ronda de Migjorn. »Ich bringe die Koffer ins Haus und hole dich in einer Stunde wieder ab«, sagte er und stieg aus, um ihr den Rucksack zum Einkaufen aus dem Kofferraum zu reichen. Claudia stieg ebenfalls aus und schüttelte den Kopf. »Lieber in zwei Stunden, ich möchte nicht hetzen.« Sie sah ihm nach, wie er zurück zur Fahrertür ging, einstieg und wegfuhr. Ein schöner Mann, dachte sie. Groß, breite Schultern, muskulös. Dunkelblonde Haare, die an den Schläfen bereits grau wurden. Er war fünf Jahre jünger und sah besser aus als sie. Sie betrachtete sich im Schaufenster des Supermarkts. Blass, hellblond, runde Hüften, unscheinbar. Graue Maus, dachte sie, betrat den »Hiper« und griff nach einem Einkaufskorb. Getränke hatten sie ausreichend in der Vorratskammer, also lief sie durch die Gänge und kaufte für ein kaltes Abendessen ein. Cremig-weißen Provolone, schwarze Oliven, zwei Lagen würzigen blutroten Ibèrico-Schinken, der lächerlich teuer war. Und schließlich die aromatischen getrockneten Tomaten, für die der »Hiper« in Llucmajor bekannt war und die eine Geschmacksexplosion aus Süße und milder Säure auf der Zunge verursachten. Dann stellte sie sich an der kleinen Backtheke am Eingang an und erstand einen Laib pan moreno – das dunkle ungesalzene Bauernbrot, das die Mallorquiner so lieben – und eine große ensaïmada. Sie verstaute alle Einkäufe in ihrem Rucksack, riss ein Stück von der ensaïmada ab. Das zarte Gebäck zerging im Mund und hinterließ einen feinen Film aus Schmalz und Puderzucker auf ihren Lippen. Ich schmecke kaum noch etwas, dachte sie bedrückt, es ist ganz sicher eine Grippe. Sie schulterte mühsam ihren Rucksack, ging den Passeig de Jaume III entlang und bog in den Carrer del Bisbe Taixequet ein. Claudia kam schon seit über zwanzig Jahren immer wieder nach Llucmajor und freute sich jedes Mal aufs Neue, wie schön der Stadtkern in den vergangenen Jahren geworden war. Die alten Stadthäuser waren saniert und hergerichtet worden, in der Stadtmitte und auf der Plaça Espanya war eine gepflasterte Fußgängerzone entstanden, mit vielen Cafés, Restaurants und hübschen Läden. Sie lief am Tabakladen vorbei und hielt einen Moment atemlos inne. Der Boden schwankte unter ihr, ihr Puls hämmerte. Was ist nur los?, dachte sie verzweifelt. Dann holte sie Luft und betrat ein kleines Ladengeschäft, das Kunsthandwerk und mallorquinische Spezialitäten im Schaufenster zeigte. »Gecko Galdent«, stand in großen Lettern über der Eingangstür. Die Eigentümerin, eine ältere Dame, war...